27. Februar 2024 17:00

Parteisatzung der Werteunion Angst und Kontrollwahn

So wird das aber nichts mit der Rettung Deutschlands

von Christian Paulwitz

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Bildquelle: Shutterstock Werteunion: Eine chaotische Mogelpackung?

Am Samstag kam die neue Ausgabe des eigentümlich frei-Magazins zu mir ins Haus, unter anderem mit einem Artikel meiner Wenigkeit zu den Chancen und Risiken der „Werteunion“ (WU) als neuer Oppositionspartei. Bereits gut zwei Wochen vor ihrer Gründung geschrieben; heute stellt sich die Perspektive der WU ganz anders dar: ein handverlesener Gründungszirkel – doch Markus Krall war nicht eingeladen; irritierende Signale nach außen, programmatisch blass, motivationsarm, ausgerichtet an den Versagerparteien des Politkartells statt mit einer klaren eigenen Mission. Abgesehen davon, dass Markus Kralls Engagement in der „Werteunion“ bereits Geschichte ist, findet sich in meinem Artikel trotzdem noch so mancher gültige Aspekt – ich will hier nichts vorwegnehmen. Was ich überschätzt hatte: Den erforderlichen Biss, den Willen der Parteigründer, das Notwendige zu tun und den sozialistischen Machthabern die Stirn zu bieten, statt sich wegzuducken. Was ich unterschätzt hatte: Die Einflussnahme des Kartells, die zweifellos im Hintergrund stattfindet. Die Ausgangsposition, hier eine erfolgreiche Oppositionspartei aufzubauen, ist nun außerordentlich schlecht, weil am Anfang eine ganze Reihe dummer Fehler gemacht wurde. Ehrlich gesagt zweifle ich erheblich, dass sie selbst bei vorhandenem Willen überhaupt noch behebbar wären. Worauf ich im Magazin bereits am Rande hingewiesen habe, ist die Rolle der Satzung, die für das Wesen und das Selbstverständnis einer Partei von tragender Bedeutung ist. Darauf will ich nun hier etwas näher eingehen.

Die AfD wurde 2013 als Reaktion auf die Eurokrise und die Eurorettung gegründet. Sie war eine Antwort auf die Schleifung der Rechtsstaatlichkeit und von Verfassungsgrundsätzen durch ein von oben nach unten seine Interessen durchdrückendes Machtkartell. Dies spiegelt sich noch heute in der Präambel der AfD-Satzung wider:

„In ernster Sorge vor politischen und wirtschaftlichen Fehlentwicklungen in Deutschland und in der Europäischen Union haben wir die Partei Alternative für Deutschland gegründet. Die europäische Schulden- und Währungskrise hat viele Menschen davon überzeugt, dass die bislang im Bundestag vertretenen Parteien zu einer nachhaltigen, transparenten, bürgernahen, rechtsstaatlichen und demokratischen Politik nicht imstande oder nicht willens sind. Wir formulieren Alternativen zu einer angeblich alternativlosen Politik. Dabei bejahen wir uneingeschränkt die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, unsere abendländische Kultur und das friedliche Zusammenleben der Völker Europas.“

Das war eine recht klare Ansage aus der Zeit des Gründungsimpulses heraus gegen das Establishment gerichtet. Knapp, präzise und schnörkellos und dann dennoch mit Platz für einen Satz, der dem erwartbaren Negativ-Framing des Politkartells vorweg zur Klarstellung entgegentritt. Es war noch nicht der Weg zur zentral gesteuerten Lucke-Partei, der 2015 aufgrund einer selbstbewussten Parteibasis abgebrochen wurde. Vielmehr wird die Motivation einer selbstbewussten bürgerlichen Parteibasis ausgedrückt, die sich gegen den Umverteilungsanspruch in der „Schulden- und Währungskrise“ gewandt hat. Schauen wir uns demgegenüber im Vergleich die Präambel der Satzung der „Werteunion“ an, um das ganze Elend zu erkennen:

„Die Werteunion will das öffentliche Leben im Dienst des deutschen Volkes, des deutschen Vaterlandes und eines in Vielfalt vereinten Europas auf der Grundlage eines christlichen und freiheitlichen Menschenbildes demokratisch gestalten. Sie sieht sich in der politischen und ideellen Nachfolge der Unionsparteien von Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Franz-Josef Strauß und Helmut Kohl. Die Werteunion ist auch eine politische Heimat für die kritisch und freiheitlich denkenden Bürger, die für ein freies und selbstbestimmtes Leben streiten.“

Was für ein Unterschied – eine grauenhafte konservative Sonntagsphrasendrescherei. Es bleibt: Die Werteunion will das öffentliche Leben … gestalten. Danke dafür. Sie sieht sich in der Nachfolge der Union von Konrad Adenauer, in der Ludwig Erhard übrigens immer ein Fremdkörper war; Franz-Josef Strauß bleibt mir in Erinnerung für die Einfädelung des Milliardenkredits an die DDR als lebensverlängernde Maßnahme, während Helmut Kohl trotz – oder vielleicht doch besser wegen – 16 Jahre Regierung für das nicht eingelöste Versprechen einer konservativen Wende von 1982 steht, die stattdessen die vollständige Umwandlung der CDU in eine sozialdemokratische Partei unter den Sozialisten und Gesellschaftsklempnern Heiner Geissler, Rita Süßmuth und Norbert Blüm vollzogen hat.

Großartiges Vorbild.

Man muss schon eine ausgesprochene Merkel-Fixierung als psychologische Sonderlast mit sich herumschleppen, um mit solchen Vorbildern Aufbruchstimmung erzeugen zu wollen. Am Ende schiebt man noch schnell nach, dass man „auch“ (sehr passend, dieses Wort! – bedeutet sekundär) „eine politische Heimat für die kritisch und freiheitlich denkenden Bürger, die für ein freies und selbstbestimmtes Leben streiten,“ sein wolle. Genauso wirkt das: Ein nachgeschobener Satz, um die Vorgaben aus der Zielgruppenanalyse der PR-Abteilung irgendwie noch unterzubringen. Wäre ein solcher Satz an erste Stelle gesetzt worden, hätte aus den folgenden vielleicht noch was Vernünftiges werden können – aber so – einfach peinlich.

Hätte man mal Markus Krall die Präambel zumindest mitformulieren lassen, da wäre sicher eine klare Ansage herausgekommen. Offenbar wollte man aber bei der Gründung lieber so ein verklemmtes konservatives Wischiwaschi-Geschwurbel. Wir wollen doch bitte nicht anecken, sondern zu den Guten gehören.

Nun, eine Präambel könnte man sicher noch später ändern, wenn bis zum nächsten Parteitag jemandem etwas Knalliges einfällt, mit dem sich zwei Drittel der Parteimitglieder identifizieren können. Was aber nicht mehr wirklich gutzumachen sein dürfte, sind die Bestimmungen zur Aufnahme neuer Parteimitglieder, die in Paragraph 4 der Satzung niedergelegt sind. Besonders bedeutsam sind die Absätze (4) und (5):

„(4) Während des Antragsverfahrens, das grundsätzlich 15 Monate ab Antragstellung dauert, ist der Antragsteller berechtigt, als ,Bewerber im Antragsverfahren‘ über das Parteileben, öffentliche Aktivitäten und Veranstaltungen der Partei parteiüblich informiert zu werden. An Veranstaltungen der Partei kann er als Gast teilnehmen. Weitergehende Rechte, wie zum Beispiel das aktive und passive Wahlrecht, sind mit diesem Status nicht verbunden.

(5) Über den Aufnahmeantrag soll im 15. Monat des Antragsverfahrens entschieden und das Ergebnis dem Bewerber schriftlich mitgeteilt werden. Wird dem Antrag stattgegeben, so wird der Bewerber mit Zugang der Mitteilung über seine Aufnahme Mitglied der Werteunion. Ergeht bis zum Ende des Antragsverfahrens keine Entscheidung, gilt die Aufnahme als abgelehnt.“

Wie auch immer der Faesersche Inlandsgeheimdienst es geschafft haben mag, diese Bestimmungen in die Gründungssatzung mit einzubringen – das war genial, alle Achtung! Bei nur gut 50 Gründungsmitgliedern (für die alleinig die Antragsperiode von 15 Monaten nicht gilt) ist damit schon einmal der Aufbau von Landesverbänden und die effektive Organisation eines Wahlkampfes bis Mitte nächsten Jahres wirksam verhindert. Zur Präzisierung der Spekulationen, die es in den sozialen Medien gibt: Gründungsmitglieder sind diejenigen, die bei der Gründungsversammlung dabei waren. Vereinsmitglieder der „Werteunion“ sind nicht automatisch Gründungsmitgliedern gleichgestellt – es handelt sich allenfalls um Fördermitglieder. Es gilt die Satzung. Der Verein wird dort als „unabhängig“ bezeichnet. Eine Vorzugsbehandlung von Vereinsmitgliedern der „Werteunion“ wäre vor Gericht nicht haltbar. Da gibt es überhaupt keinen Spielraum für Auslegungen. – Und jetzt stellen Sie sich mal ein langjähriges Vereinsmitglied der „Werteunion“ vor, das so düpiert wird und dann im Frühjahr am Wahlkampfstand Werbung für die Partei machen soll: Könnten Sie sich vorstellen, unter diesen Umständen Fragen von Interessenten zu beantworten? Von denen zwei von drei wahrscheinlich lauten, ob die Parteigründer noch alle Tassen im Schrank haben, wenn sie glauben, dass man Leute, die man 15 Monate lang hinhält, zur Arbeit für diese Partei motivieren könne? Geht mir nicht in den Kopf, wie man so abgehoben sein kann.

Dann die Formulierung des Satzes (5) – man muss mal kurz darüber nachdenken, was das organisatorisch bedeutet. Auch wenn relativ früh klar wird, dass jemand nicht aufgenommen wird, gibt es erst im letzten Monat den Bescheid. Bei einer Amtsdauer des Vorstandes von zwei Jahren werden sich langfristig bei mehr als der Hälfte der Aufnahmeanträge zwei Bundesvorstände damit befassen. Und wenn es aufgrund organisatorischer Überlastung der Geschäftsstelle zu Verzögerungen kommt – sollte sich wider Erwarten eine große Zahl der WU-Vereinsmitglieder für die Aufnahme in die Partei bewerben, wäre das zum Beispiel im Mai/Juni 2025 geradezu zu erwarten – und die Aufnahmebescheide nicht rechtzeitig rausgehen, gelten die Anträge automatisch als abgelehnt. Ach ja, wenn der positive Bescheid ordnungsgemäß rausgeht – welches ist das genaue Datum des Beginns der Mitgliedschaft für den Eintrag in die Parteiverwaltung? Der reine Irrsinn.

Wie kommt es dazu, dass solche Bestimmungen in eine Satzung Eingang finden?

Die Antwort dürfte sein: Aus Angst. Und aus Selbstüberschätzung. Parteigründungen ziehen zum einen immer einige spezielle Irre an, die Kräfte binden und schwer loszubekommen sind, während man ständig damit rechnen muss, dass sie von den Medien entdeckt und ins Rampenlicht gestellt werden. Ja, natürlich muss man Mechanismen einbauen, um deren Zahl wenigstens einigermaßen zu begrenzen – ganz vermeiden lassen sie sich nicht. Aber das ist der Wunsch, der dahintersteckt, wenn man die Entscheidung maximal über die Zeit hinauszuzögern sucht, auf Kosten des Aufbaus von Strukturen in der Fläche. Wenn aber alle Aufnahmeentscheidungen grundsätzlich vom Bundesvorstand getroffen werden (Paragraph 4, Absatz 3), führt dies dazu, dass die Verantwortung dezentral, wo man den Bewerber kennenlernen sollte, nicht gefühlt wird. Ein Vetorecht der übergeordneten Gliederungsvorstände – wie bei der AfD – würde völlig genügen. Es zeugt von Wissensanmaßung zu glauben, man könnte mit einer zentral organisierten Entscheidungsfindung über ausreichenden Zeitraum die „richtigen“ Leute herausfiltern und die „falschen“ zuverlässig vermeiden; und es zeugt von Geringschätzung gegenüber dem einzelnen Bewerber, der sich als Individuum einem solch langen Prüfungsprozess unterziehen muss und dabei für die Partei und ihre Anliegen – welche auch immer das sind – eine positive Grundmotivation aufbauen soll. Das ist lächerlich; so gewinnt man kein engagiertes, selbstbewusstes Personal, das motiviert ist und was reißen will, sondern überwiegend Duckmäuser und Schleimer.

Aber angesichts der Anbiederung an die Mitglieder der Unionsparteien und der FDP ist das ja vielleicht auch das eigentliche Ziel. Paragraph 3, Absatz 5: „Mitglieder von CDU, CSU und FDP und ihrer Teilorganisationen sind eingeladen, der Partei beizutreten. Mitglieder dieser Parteien können im ersten Jahr ihrer Mitgliedschaft in der Werteunion auf Antrag auch Mitglied dieser Parteien bleiben, sofern sie diesen Parteien mindestens fünf Jahre angehörten (Schnuppermitgliedschaft). Nach Ablauf dieses Jahres haben sie ihren vorherigen Austritt aus der bisherigen Partei nachzuweisen; andernfalls erlischt die Mitgliedschaft in der Werteunion entsprechend § 3 Abs. 3 mit Ablauf der Schnuppermitgliedschaft. Bei einem zeitnahen Wechsel von Mitgliedern von CDU, CSU und FDP zur Werteunion kann ihnen auf Antrag für die Dauer des ersten Mitgliedsjahres der Mitgliedsbeitrag erlassen werden.“

Wer lässt sich solche Regelungen einfallen? Welche Leute glaubt man eigentlich, damit anzusprechen und zu locken? Alte Parteikader, die geizig mit ihrer Kohle sind, aber nachdem sie in der alten Partei erkannt haben, dass sie dort nichts mehr werden können, nun die Gelegenheit nutzen wollen, bei geringem Risiko ein Jahr für umme auf den Putz zu hauen und vielleicht auf eine Liste zu kommen? Andernfalls geht man halt nach einem Jahr, ohne viel eingesetzt zu haben.

Das ist alles völlig würdelos und peinlich. Eine Satiresatzung.

Es kommt jetzt darauf an, was der Verein mit sich machen lässt, was dort tatsächlich an Substanz vorhanden ist. Steigen die Leute ihren Parteigründern aufs Dach? Wehren sie sich? Hat sich da eine echte kritische Opposition innerhalb der Unionsparteien zusammengefunden – Aufmüpfige, die nicht alles mit sich machen lassen? Wird die Wiederholung der Parteigründung erzwungen – vermutlich die einzige Möglichkeit, den Geburtsfehler zu heilen und daraus vielleicht sogar gestärkt einen Neuanfang einzuleiten mit klaren programmatischen Eckpfeilern?

Oder ist es doch nur der unzufriedene Verein von zermürbten Unions-Schnarchnasen, der der Obrigkeit hinterhertrottet? Bin nicht sehr optimistisch, aber es hat ja schon einige Überraschungen gegeben in den letzten Jahren.

Quellen:

Bundessatzung der Werteunion (Werteunion)

Bundessatzung der AfD (AfD)


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