09. April 2024 13:00

Schützenhilfe durch: Campino Der Trotzerzeuger

Wie die Gastvorlesungen eines Rock-Promis das Gegenteil dessen stärken, was sie wachsen sehen wollen

von David Andres

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Bildquelle: Heide Pinkall / Shutterstock.com Maximale Systemhörigkeit: „Campino“

Nanu? Schützenhilfe? Für uns, die Freiheitlichen? Die tatsächlich Widerborstigen? Ausgerechnet durch „Campino“, den angepassten Punkrock-Großunternehmer aus Düsseldorf? Ja, denn selbstverständlich helfen uns nicht nur jene, die für unsere Sache sprechen, sondern auch jene, die es auf eine Art und Weise dagegen tun, dass sie ein Maximum von Trotz und Widerwillen erzeugen.

Was ist geschehen? „Campino“ hat an der Universität seiner Heimatstadt Düsseldorf zwei Gastvorlesungen angenommen. „Gastprofessor“ nennen ihn die Mainstream-Medien in kindergartenhaft populistischer Übertreibung, wissend, dass nicht einmal das geimpfte Publikum davon ausgehen dürfte, der Mann habe aus heiterem Himmel auch noch eine Habilitation vorzuweisen. Die Kollegen der „Neuen Zürcher Zeitung“ haben die Veranstaltung besucht und machen sich darüber aus bildungsbürgerlicher Perspektive lustig. „An dieser Gastprofessur pappt der Dichtername wie ein Gucci-Label auf einer gefälschten Handtasche“, schreiben sie und mit dem Dichternamen ist vor allem Heinrich Heine gemeint, Patron der Uni und einer der deutschen Dichterlegenden, deren Verse „Campino“ referiert, neben Erich Kästner, Bert Brecht oder Wolf Biermann. Deren Lyrik stellt „Campino“ ein paar akustisch von Bandkollege Kuddel begleitete Hosen-Lieder entgegen, was die „NZZ“ die Nase rümpfen lässt. Mit Heine habe „die Hauruckdichtung eines Campino gar nichts zu tun“, schreiben sie, erwähnen aber auch, dass der Mann selber zugibt, „Pop“ statt Literatur und mittlerweile längst „Bürger“ statt Punk zu sein. Was uns aber zum freiheitlichen Thema bringt.

„Campino“ ist sicherlich davon überzeugt, mit seinen zwei Vorlesungen der Gesellschaft etwas Gedeihliches zukommen zu lassen, spaltet sie aber weiter, wenn er neben der Rezitierei dazu aufruft, „seine eigene Stimme“ zu finden und damit natürlich meint, gemeinsam mit der Regierung den Gesinnings-Faeser bei voller Ladung auf all jene zu richten, die er direkt zu benennen vermag. „Wir alle gegen die Dummheit“ lautet die Mission und jeder denkende Mensch weiß, dass damit nicht gemeint ist, was damit gemeint sein müsste, wäre er tatsächlich so ein Rebell wie Heinrich Heine, Erich Kästner oder Wolf Biermann damals im Kontext ihrer Gesellschaften waren. Der Mann redet nicht von jenem Selberdenken, das darauf hinausliefe, alle derzeitigen Herrschaftsinstanzen zu hinterfragen, sondern vom gemeinsamen Blöken gegen alles „Rechte“, worunter heute eben sämtliches Unangepasste fällt. Und nun kommt der Clou – selbst abgezogen aller Nutzer, die auch Kommentarspalten abseits der Widerstandblase besuchen, lästern zum Beispiel unter einer freundlichen Meldung von „NDR2“ die Leser über diese Anmaßung.

„Was bitte ist an dem Herrn noch Punk?“, schreibt einer, „der flötet seit Jahren nur noch für‘s Establishment und die Mächtigen.“ Ein anderer stellt die berechtigte Frage: „Na da frag ich mich doch, wo seine Stimme dann bei den antisemitischen Aufmärschen im letzten Jahr war.“ Die Menschen erinnern daran, dass der feine Herr in der Pandemie ebenso für die Impfung geworben hat wie seine Kollegen von den „Ärzten“ (diese noch eifriger). Oder sie erwähnen seinen kilometerweiten Abstand zu den Realitäten der Straße in der heutigen Zeit: „Man müsste ihn freitagnachts in der Sonnenallee aussetzen.“

Ein Nutzer erwähnt eine Stelle in der Vorlesung, die alles sagt, was man wissen muss, um zu verstehen, wie viel Widerwillen, Trotz und Reaktanz ein solches Auftreten unter den ganz normalen Leuten erzeugen muss, die früher womöglich auch die „Hosen“ hörten und die bis heute arbeiten gehen, sich um die Familie kümmern und den Laden am Laufen halten. „Genau mein Humor“ sei es, schreibt ein Nutzer, wenn ein „ehemaliger Punker, der gegen den Staat war“, eben diesem jetzt „in den A.sch kriecht“ mit der Begründung, heute „gegen den Staat“ zu sein wäre eben „rechts“.

Da steht er dann im Raum, im Hörsaal, der Unterschied zwischen dem linken Establishment und den Libertären. Letztere empfinden grundsätzlich immer jenen anarchistischen Widerwillen, sich zu unterwerfen, den ein Punker theoretisch auch empfinden sollte. Erstere nur so lange, wie diese Unterwerfung unter eine Politik geschieht, die sie nicht mögen oder eben so lange, wie sie keine Möglichkeit haben, selber zu Unterwerfenden aufzusteigen. Genau das stellt „Campino“ hier öffentlich aus – und nutzt mit dieser Selbstoffenbarung „uns“ viel mehr als sich.

Die zweite Vorlesung am 23. April wird übrigens heißen „Alle haben was zu sagen. Die Kakophonie unserer Zeit“ und wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass der Scheinrebell zwecks Rettung der Demokratie zur Einschränkung der Meinungsfreiheit aufruft. Wetten? Die Wirkung wird eine entsprechende sein…

Quellen:

Professor tote Hose: Sänger Campino outet sich als Lyrik-Fan und beweist, Punk ist heute eine Modemarotte (NZZ)

Wenn ein Punkrock-Star an die Uni kommt! (NDR2 Instagram)


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