07. Mai 2025 18:00

Die deutsche Presse Ein Nachruf auf die Staatsferne

Doch es gibt Hoffnung

von Joana Cotar

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Bildquelle: Nosyrevy / Shutterstock Mittlerweile Mainstream: Hofschranzen-Journalismus

Es war einmal ein Land, in dem Journalisten die Mächtigen mit Argusaugen beobachteten, ihre Feder wie ein Skalpell führten und die Wahrheit unbarmherzig ans Licht zerrten. Dieses Land hieß Deutschland. Heute jedoch scheint die vierte Gewalt ihre Unabhängigkeit gegen ein warmes Plätzchen im Regierungsviertel eingetauscht zu haben. Der Wechsel von Journalisten in die politischen Schaltzentralen ist kein Einzelfall mehr, sondern ein Trend, der die Fundamente unserer unabhängigen Presse untergräbt. Wenn die Presse zur Hofberichterstattung mutiert, bleibt die Demokratie auf der Strecke.

Der Karrierewechsel als Symptom: Von der Redaktion ins Ministerium

Betrachten wir einige Protagonisten dieser traurigen Geschichte. Stefan Kornelius, einst außenpolitischer Leiter der „Süddeutschen Zeitung“, tauscht nun seinen Schreibtisch gegen die Rolle des Regierungssprechers unter Friedrich Merz. Michael Stempfle, ehemals ARD-Reporter, spricht seit 2023 für Verteidigungsminister Boris Pistorius. Steffen Hebestreit, der Sprecher der deutschen Bundesregierung unter Scholz, arbeitete bei der „Frankfurter Rundschau“ und als Hauptstadtkorrespondent bei der Dumont Redaktionsgemeinschaft. Sein Schwerpunkt lag auf der Berichterstattung über SPD und FDP – welch Zufall. Christiane Hoffmann, Autorin im Hauptstadtstudio des „Spiegel“ wurde 2022 erste stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung. Ulrich Wilhelm ging den Weg andersherum, er bewarb sich als Regierungssprecher der Bundesregierung unter Angela Merkel um den Posten des Intendanten des Bayerischen Rundfunks und trat den Posten nur sechs Monate nach der Niederlegung der Regierungsämter an. Die Liste ließe sich fortsetzen: Journalisten, die einst die Politik „kritisch“ begleiteten, schlüpfen nahtlos in die Rolle ihrer ehemaligen Zielscheiben, und den meisten Beobachtern ist dies nicht mal ein Schulterzucken wert.

Diese Wechsel sind kein Zufall, sondern Symptom einer Krise. Die Grenze zwischen Journalismus und Politik ist porös geworden. Wenn Journalisten heute Fragen stellen, scheinen sie mit einem Auge auf den nächsten Karrieresprung zu schielen. Warum die Mächtigen herausfordern, wenn man morgen ihr Sprachrohr sein könnte? Die Drehtür zwischen Redaktion und Regierung dreht sich schneller, und mit jedem Dreh wird die Staatsferne der Presse ein Stück mehr zur Farce.

Hofberichterstattung statt Finger-in-Wunden-Legen

Die Konsequenzen dieser Vermählung sind fatal. Wo früher Journalisten den Finger in die Wunde legten, üben sie sich heute in Zurückhaltung – oder schlimmer: in Applaus. Die Presse, einst Wächterin der Demokratie, ist zur PR-Abteilung der Regierung geworden. Hofberichterstattung lautet das neue Credo: Man berichtet das, was die Mächtigen hören wollen, statt das, was die Bürger wissen müssen.

Nehmen wir die Berichterstattung über die Koalitionsdebatten. Während die angehende Regierung fragwürdige Prioritäten setzte, blieben die großen Medienhäuser auffallend zahm. Statt die Schwächen der Politik bloßzulegen, lieferten sie Erklärstücke, die aus dem Regierungshandbuch stammen könnten. Die „Tagesschau“ präsentierte die Schuldenpläne als quasi alternativlos, während investigative Recherchen über mögliche Interessenkonflikte oder Verschwendung Mangelware blieben.

Der Bürger, der auf kritische Berichterstattung angewiesen ist, wird mit vorgekauten Narrativen gefüttert, die den Status quo zementieren sollen. Gleiches sehen wir bei der aktuellen Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ und der Berichterstattung darüber.

Warum uns das alle angeht und es trotzdem Hoffnung gibt

Warum sollte uns diese Entwicklung beunruhigen? Weil eine freie Presse das Rückgrat einer freien Gesellschaft ist. Ohne unabhängigen Journalismus gibt es niemanden, der die Mächtigen kontrolliert, ihre Versprechen prüft oder ihre Fehltritte aufdeckt. Wenn Journalisten und Politiker Hand in Hand gehen, wird die Öffentlichkeit zur Marionette an den Fäden der Macht. Die Freiheit, informierte Entscheidungen zu treffen, schwindet, wenn die Informationen selbst gefiltert und gelenkt werden.

Die Vermählung der Mainstream-Presse mit der Politik mag der Todesstoß für die Staatsferne sein, doch es gibt Hoffnung: die freien Medien. Während etablierte Medienhäuser sich allzu oft in den Dienst der Regierung stellen, übernehmen unabhängige Plattformen, kleine Verlage und mutige Einzelstimmen die Rolle, die die vierte Gewalt einst innehatte. Sie legen den Finger in die Wunde, decken Missstände auf und stellen die Fragen, die die großen Redaktionen nicht mehr wagen. Von investigativen Blogs über von Spenden finanzierte Magazine bis hin zu mutigen Podcastern – diese neuen Wächter der Demokratie zeigen, dass Journalismus lebendig bleibt, wenn er frei ist. Und oft genug werden sie dafür diffamiert und bedroht und müssen sich nicht selten gegen den provozierten, von außen gesteuerten finanziellen Ruin wehren. 

Und trotzdem sind die freien Medien keine Randerscheinung mehr, sondern die Speerspitze einer Bewegung. Sie beweisen, dass unabhängige Berichterstattung möglich ist, dass es die Nähe zur Macht nicht braucht – im Gegenteil. Sie recherchieren, wo die „Tagesschau“ schweigt, und kritisieren, wo die „Süddeutsche“ applaudiert. Ihre Arbeit ist ein Bollwerk gegen die Gleichschaltung der öffentlichen Meinung und ein lebendiger Beweis dafür, dass die Wahrheit nicht stirbt, solange es Menschen gibt, die sie suchen. Doch sie brauchen unsere Unterstützung: Abonnements, Spenden oder einfach das Teilen ihrer Inhalte können den Unterschied machen.

Die Bürger müssen diese Chance ergreifen: Hinterfragen Sie gesetzte Narrative und suchen Sie nach den Stimmen, die unabhängig bleiben. Die freien Medien sind nicht nur eine Alternative – sie sind die Zukunft eines Journalismus, der seiner Verantwortung gerecht wird. Und genau das müssen wir stärken, bevor die vierte Gewalt endgültig zur fünften Kolonne der Regierung wird.


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