24. Juni 2025 11:00

Top Spin: Zitat der Woche „Krebskrankes ukrainisches Mädchen stirbt in Israel bei Raketeneinschlag“

So tragisch das Einzelschicksal, so realsatirisch die Headline – wir haben Krieg und die Propaganda ist in vollem Gange

von David Andres drucken

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Bildquelle: Shutterstock Hergehört, hergehört: Propaganda muss quillen aus sämtlichen Ohren

Welche Story kommt als Nächstes?

Eigentlich wäre diese Woche wieder die Rubrik „Fass ohne Boden“ an der Reihe gewesen, doch die titelgebende Überschrift in einem Beitrag von „Welt online“ am 7. Juni muss für die Nachwelt festgehalten werden. „Sie wurde sieben Jahre alt“ steht noch darüber, um eine Wirkung zu verstärken, die eigentlich bei jedem Leser einsetzen sollte, dem ein Herz in der Brust schlägt. Hat man zugleich allerdings ein Gehirn unter der Schädeldecke, setzt statt Mitgefühl eher zynisches Gelächter ein. „Was bringen sie als Nächstes?“, fragt man sich und formuliert im Inneren mögliche Anschlussgeschichten. „Queerer israelischer Mann stirbt in Kiew bei Angriff russischer Drohnen“, wäre eine Möglichkeit. Er könnte zur „geschlechtsangleichenden“ Operation von Mann zu Frau in einer Klinik der ukrainischen Hauptstadt gewesen sein.

Das ukrainische Mädchen aus dem erwähnten, realen Artikel „kam für eine Krebsbehandlung nach Israel“, wie man liest, „doch eine iranische Rakete beendete ihr Leben. Weitere Familienmitglieder sterben. Nur der Vater war in der Ukraine geblieben, um gegen die russischen Invasoren zu kämpfen.“

Wir haben Krieg und spätestens jetzt ist jede Presse Propaganda. Ich gebe zu, keine Transfrau kommt als Opfer gegen ein unschuldiges, krebskrankes Mädchen an. Zumal man die Wahrheit in meiner erfundenen Überschrift bis zum Bersten biegen müsste, denn es gibt in der Ukraine keine Operationen wie die Vaginoplastik, nur Hormonersatztherapien, unterstützt von kleinen Aktivistengruppen wie Cohort, die „Transmenschen“ finanzielle, medizinische und rechtliche Unterstützung bieten in einem Land, das wie Israel angeblich ebenfalls „unsere“ westlichen Werte völliger persönlicher Freiheit verteidigt, „queeres Leben“ aber in der Praxis sehr unangenehm gestaltet und einen jungen Mann seit der Generalmobilmachung auch dann nicht aus dem Lande lässt, wenn er sich als Frau „liest“. Doch zurück zu unserem Zitat der Woche.

Ein Mädchen, sterbenskrank, hilflos – und die Iraner bomben es einfach weg, während die Russen das Heimatland der Kleinen überfallen haben und dort gegen den Vater des Mädchens kämpfen. Propaganda bedeutet: Auf der eigenen Seite erzählen wir Einzelschicksale, auf der anderen gibt es nur eine anonyme Masse. Doch täuschen Sie sich nicht: Ganz sicher erzählen russische Zeitungen herzergreifende Geschichten ihrer getöteten Töchter und iranische Kameraleute schwärmen aus, um das Leid festzuhalten, das die israelischen und mittlerweile auch amerikanischen Raketen in der Zivilbevölkerung anrichten.

Den Wahrheitsgehalt der Leitgeschichte dieses Artikels spielt für die Wirkung bei leicht beeinflussbaren Menschen keine Rolle. Lebt man schon länger auf diesem Planeten, erinnert man sich an die sogenannte Brutkastenlüge, eine gezielte Propaganda-Aktion im Vorfeld des Zweiten Golfkriegs. Unter Tränen trat damals eine angebliche kuwaitische Krankenschwester namens Nayirah im Oktober 1990 vor einem Menschenrechtsausschuss des US-Kongresses auf und berichtete, irakische Soldaten hätten in einem kuwaitischen Krankenhaus Frühgeborene aus Brutkästen gerissen und auf dem Boden sterben lassen. Wie wir heute wissen, hatte die PR-Agentur „Hill & Knowlton“ die Story im Auftrag der kuwaitischen Exilregierung inszeniert und „Nayirah“ war in Wirklichkeit die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA.

Etwas anders als früher gestaltet sich heute, dass „westliche“ Medien wie unsere „Tagesschau“ die heutige Propaganda von Israel und den USA nicht einfach so weitergeben. Stattdessen setzen sie eifrig ihre „Faktenfinder“ darauf an und diese finden heraus, dass ein Video iranischer Menschen, welche angeblich die Angriffe bejubeln, in Wahrheit ältere Feierlichkeiten des persischen Neujahrsfestes im März zeigen. Somit zerschlagen die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland ohne Not das angestrebte Bild der Iraner als inhaltliche Nachfahren der Deutschen, die damals den Sieg der Allierten über das Dritte Reich ja auch als Befreiung von ihren Unterdrückern betrachteten – trotz aller massiven zivilen Opfer. Wieso machen sie das, wo Deutschland doch ein Teil der NATO und des Westens ist, des „wir“, das gegen „die“ in Stellung gebracht werden muss? Ideologisch, weil Linksradikale zutiefst „islamophil“ sind. Strategisch, weil man die möglichen Flüchtlingsströme aus dem Iran – die man in seinem antideutschen Furor als weitere Zersetzung des Landes zutiefst begrüßt – schlecht rechtfertigen kann, wenn die Flüchtenden eigentlich daheim bleiben und genauso einen neuen Iran wollen wie die Angreifer. Oder was meinen Sie?

Quellen:

Krebskrankes ukrainisches Mädchen stirbt in Israel bei Raketeneinschlag (Welt)

Meet the Ukrainian activist providing hormone therapy to the trans community from her Kyiv apartment (businessinsider.com)

Kein Mann und trotzdem zum Bleiben gezwungen (Zeit)

Brutkastenlüge (Wikipedia)

KI-generierte Fakes und alte Videos im Umlauf (tagesschau „Faktenfinder“)


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