26. Mai 2024 21:00

Einkommensteuer in Hongkong It’s Tax Time!

Chinesische Sonderverwaltungszone als wahre Steueroase

von Stephan Unruh

von Stephan Unruh drucken

Artikelbild
Bildquelle: Rasto SK / Shutterstock Megametropole Hongkong: Ein Hoch auf dieses Steuerparadies!

Libertäre sind ja ein bisschen so wie Araber: Eigentlich hassen sie sich alle gegenseitig und liegen sich ständig wegen irgendwelcher Kinkerlitzchen um die reine Lehre in den Haaren – nur bei einem Thema ist man sich sofort einig und baut eine geschlossene Front auf. Das Thema der Araber blenden wir jetzt einfach mal dezent aus, jenes der Libertären sind „Steuern“ – noch die hitzigste Diskussion lässt sich mit dem Einwurf „Steuern sind Raub!“ sofort in friedlichere Bahnen lenken und alle Teilnehmer werden sofort zustimmenden nicken und gemeinsam auf diese Wahrheit anstoßen. Und im Zweifelsfall wird einer rhetorisch fragen: „Aber wer baut dann die Straßen …?“

Weil in Hongkong das Finanzjahr aus welchem Grund auch immer vom 1. April bis zum 31. März geht, ist im Augenblick Raubsaison in der Sonderverwaltungszone. Die hiesige Steuerbehörde IRD (Internal Revenue Department – lol!) hat an alle steuerpflichtigen Bürger Hongkongs die Aufforderungen verschickt, ihren solidarischen Beitrag zum Gemeinwesen zu erklären und gegebenenfalls auch zu leisten. Ich erhielt meine am 8. Mai und hatte nun zwei Monat Zeit, die Höhe des Tributs zu erklären. Glücklicherweise aber sind die Hongkonger Räuber nicht nur wesentlich weniger raffgierig als ihre Pendants in Europa, sie sind auch ausgesprochen „kundenfreundlich“ – die Erklärung kann sehr bequem online eingereicht werden. Die Papierversion umfasst gerade einmal vier DIN-A4-Seiten. Auch kann man online vorab kalkulieren, was man denn genau an Steuern zu zahlen hat – anders als in der BRD nämlich, welche die Arbeitgeber zu Hilfsbütteln der Steuereintreibung degradiert und den Raub noch vor der eigentlichen Steuererklärung begeht, zahlt man in Hongkong erst nach eingereichter Erklärung. Oder auch nicht …

Denn die hiesigen Steuersätze und -freibeträge sind an die Bedürfnisse des Steuerviehs angepasst und nicht an die Ausgabewünsche der staatlichen Feudalherren. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: In meinem Fall, verheiratet und mit zwei Kindern geschla… äh … gesegnet, wobei die Beste aller Ehefrauen ihre natürliche Rolle als Mutter und Hausfrauen aus- und erfüllt. Dies bedeutet, dass mein Freibetrag als Verheirateter bei 264.000 Hongkong-Dollar (HKD) liegt, dazu kommen noch einmal 260.000 HKD für die beiden (B)engel. Sprich, erst ab umgerechnet etwa 67.000 US-Dollar (USD) an Einkommen müsste ich überhaupt Einkommensteuer zahlen (da zahlt man in der der BRD bereits den Höchstsatz). Selbstredend kann man die Aufwendungen für die Altersvorsorge, die zwar staatlich vorgeschrieben, aber natürlich privat organisiert ist, absetzen. Jeweils fünf Prozent des Lohns müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hier jeweils zahlen, allerdings liegt der Deckel bei 3.000 HKD pro Monat – wer freiwillig mehr in den ganz eigenen (!) Rententopf einzahlen möchte, kann dies natürlich tun und in voller Höhe vom zu versteuernden Einkommen abziehen. Der Gedanke „Besser fürs Alter vorsorgen als Steuern zahlen“ ist zweifelsohne eine gute Sache. Darüber hinaus kann man selbstverständlich auch Aufwendungen für die alternden Eltern, finanziell abhängige Geschwister und Verwandte sowie Ausbildung und Immobilienkäufe absetzen.

Wer nach all diesen Abzügen dann trotzdem noch beraubt werden kann, der wird von den Hongkongern dennoch schonend behandelt, denn die Steuersätze sind recht maßvoll: Auf die ersten 50.000 HKD werden zwei Prozent, auf die darauffolgenden 100.000 HKD sechs Prozent fällig. Würde ich also in meiner aktuellen Situation 674.000 HKD (circa 86.000 USD) verdienen, müsste ich darauf 7.000 HKD an Steuern zahlen, womit mein Steuersatz also etwas oberhalb von einem Prozent läge.

Da mein Salär als Inhaber und Geschäftsführer einer kleinen Limited hier in Hongkong allerdings deutlich bescheidener ausfällt, muss ich überhaupt keine Einkommensteuer entrichten. Meine Erklärung geht also schnell und schmerzfrei vonstatten. Dieses Mal habe ich aus Jux die Zeit gestoppt – da das System alle Angaben aus dem Vorjahr übernimmt und sich bei mir nichts geändert hatte, dauerte die Steuererklärung von Stephan Unruh für das Steuerjahr 2023/2024 insgesamt 74 Sekunden.

Falls Sie nun beunruhigt sind und sich wundern, wie der Unruh angesichts eines für Hongkong doch sehr bescheidenen Einkommens in einer der teuersten Metropolen der Welt überhaupt über die Runden kommen kann, seien Sie unbesorgt: Zum einen schafft man das auch in Hongkong gut (aber eben ohne 150-Quadratmeter-Wohnung, Auto, philippinisches Dienstmädchen und sonntäglichen Champagnerbrunch), zum anderen entsteht der Großteil meines Einkommens aus den Dividendenerträgen der Firma. Diese sind selbstredend steuerfrei, denn in Hongkong herrscht, anders als in der BRD, der Grundsatz, dass Doppelbesteuerung nicht rechtens ist. Und Dividendenausschüttungen werden ja aus dem bereits versteuerten Firmennettogewinn geleistet.

Übrigens werden auch Firmen in Hongkong freundlich behandelt. Für eine Limited (vergleichbar mit einer BRD GmbH) fallen auf die ersten 2.000.000 HKD Steuern in Höhe von 8,25 Prozent an. Alles, was darüber hinausgeht, muss mit 16,5 Prozent versteuert werden, wobei die Gestaltungsmöglichkeiten hier deutlich größer als in der BRD sind: Bis zu zwei Drittel der Umsätze können, so belegbar, für besondere Aufwendungen abgesetzt werden. Darüber hinaus aber lebe ich die meiste Zeit gar nicht in Hongkong, sondern nördlich der Grenze auf dem chinesischen Festland.

Ich profitiere also einerseits von den deutlich günstigeren Lebenshaltungskosten in der Volksrepublik aber auch von deren steuerlichen Großzügigkeit, denn Ausländer, die sich in China in einem Kalenderjahr für 31 Tage am Stück (die Abwesenheit muss dabei immer volle 24 Stunden umfassen, Ein- und Ausreisetag zählen also nicht) nicht im Land aufhalten, müssen ihr Auslandseinkommen die nächsten sechs Jahre nicht versteuern. Ich für meinen Teil muss mir daher bezüglich Steuern in Festlandchina frühstens wieder im Jahr 2029 Gedanken machen.

Ach, und übrigens: Straßen gibt es natürlich sowohl in Hongkong als auch in China und sie sind in den allermeisten Fällen in deutlich besserem Zustand als jene in der BRD.


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.