EU-Gesetz über KI: Ein paar gute Ansätze, Hobgoblins und das Schmunzeln von Jahrtausenden
Warum man Giordano Brunos Asche lachen hört – unter anderem
von Axel B.C. Krauss
Endlich! Ein wegweisendes, bahnbrechendes Gesetz des „neuen europäischen Sowjets“ (Gorbi über die EU) zur künstlichen Intelligenz soll seine Bürgen vor dem Missbrauch der neuen Technologie schützen. Bürgerrechte sollen gewahrt, maximale Transparenz gewährleistet, Chancengleichheit sichergestellt, unlautere Absichten unterbunden und vor allem Kinder sollen vor gefährlicher kognitiver Manipulation bewahrt werden: Geschlechter sind nur soziale Konstrukte, also such dir deins frei aus, deine Omi ist eine Umweltsau, wenn du dich nicht impfen lässt, schadest du der Volksgesundheit, und wenn du nicht richtig wählst, bist du falsch.
Menschen sollen also vor, wie es zum Beispiel auf der Website der EU-Kommission zum Gesetz heißt, „unannehmbaren Risiken“ geschützt werden, zu denen unter anderem gehören: „Kognitive Verhaltensmanipulation von Personen oder bestimmten gefährdeten Gruppen, zum Beispiel sprachgesteuertes Spielzeug, das gefährliches Verhalten bei Kindern fördert.“
Vielleicht läuft hier wieder nur meine Verschwörungsphantasie Amok, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass „sprachgesteuertes Spielzeug“ keineswegs nur eine Domäne der Technik ist. Mal ehrlich: Wer wäre nach einem längeren Aufenthalt in den „sozialen Netzwerken“ noch nicht vom Eindruck befallen worden, dass so mancher Absolvent des öffentlichen Bildungswesens oder so mancher Konsument der Qualitätspresse nicht exakt in diese Kategorie falle? Wenn man bestimmte Phrasen nur lange genug wiederholt und den Rezipienten dann auf den Bauch drückt … Also ich wollte damit sagen: Ein Gang ins Spielzeuggeschäft ist oftmals gar nicht mehr nötig. Ergo: Definiere „Kinder“.
Dieses Gesetz, das stolz als „weltweit erstes seiner Art“ präsentiert wird, enthält zweifellos ein paar lobenswerte Absichten, die – eine merkwürdig beharrliche Eigenschaft von Rechtstexten – an anderer Stelle jedoch wieder einen gewissen Spin erfahren, man könnte auch sagen, eine Relativierung, sodass man sich als aufmerksamer Leser ganz unverblümt fragt: Wollt ihr mich verarschen?
Doch erst mal zum Erfreulichen: „Biometrische Identifizierung und Kategorisierung natürlicher Personen; biometrische Echtzeit-Fernidentifizierungssysteme, zum Beispiel Gesichtserkennung“ sollen untersagt sein. Klingt gut.
Doch jetzt zur Augenwischerei: „Das KI-Gesetz gilt nur für Bereiche des EU-Rechts und sieht Ausnahmen etwa für Systeme vor, die ausschließlich für Militär- und Verteidigungszwecke sowie für Forschungszwecke genutzt werden.“
Ach so. Am Hindukusch gilt es also nicht. Dort, wo verteidigt wurde. Oder an anderen Kriegsschauplätzen (definiere „Kriegsschauplatz“, schließlich gibt es auch einen „Krieg gegen Desinformation“, also Bürgen, die den Staat delegitimieren). Systeme, die „ausschließlich“ militärischen und „Forschungs“-Zwecken dienen, sind ausgenommen. And again: Definiere Forschung. Definiere Militär. Ist das wieder eines dieser Schlupflöcher? Wer watcht denn jetzt die Watcher? Spaß beiseite: Im Prinzip ist das also ein Freibrief. Man bräuchte Forschungen – hier meldet sich wieder meine Verschwörungsphantasie – einfach nur als „militärisch“ oder angeblichen Verteidigungszwecken dienend zu deklarieren, schon ist der Schinken gepökelt. Und sei es auch nur, dass diese Forschungen lediglich vorübergehend dieser Kategorie zugeordnet werden, später aber „aus Gründen“ – zum Beispiel durch dringend notwendige Anpassungen an „veränderte Sicherheitslagen“, so wie Terrorismus durch Bargeld und Gold hortende Hobgoblins – dann leider doch auch im zivilen Bereich Anwendung finden müssen, um Recht und Ordnung zu gewährleisten.
Ich hatte ja ohnehin schon seit längerer Zeit den Verdacht, dass die „Bedrohung“ durch die KI nicht ganz unabsichtlich massiv übertrieben wurde, um genau die Mencken’schen Schreckphantome zu beschwören, die man als Grundlage für neue Gesetze braucht.
Doch nun zur Frage, warum Jahrtausende menschlicher Erfahrung schmunzeln und was das ausgerechnet mit Giordano Brunos Asche zu tun haben soll. Nun, an einer Stelle heißt es tatsächlich: „KI-Systeme, wie zum Beispiel kognitive Verhaltensmanipulation und Social Scoring, werden in der EU verboten, da ihr Risiko als inakzeptabel angesehen wird.“
Da mich beim Abfassen dieses Beitrages ohnehin eine meiner sarkastischen Launen überfiel, bleibe ich gleich dabei: Welch ein Glück, dass in der Menschheitsgeschichte bislang noch niemand auf die Idee kam – keine Menschenseele –, Methoden wie NLP (Neurolinguistische Programmierung), das berühmt-berüchtigte „Nudging“ oder „Framing“, massenmediale Propaganda oder ähnliche Techniken einzusetzen, um das Verhalten der „Massen“ zu manipulieren und in erwünschte Richtungen zu steuern.
Denken Sie nur an die künstliche Intelligenz BernaysGPT1.0: „Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in einer demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diese unsichtbaren Mechanismen der Gesellschaft beeinflussen, bilden eine unsichtbare Regierung, welche die wahre Regierungsmacht unseres Landes darstellt. Wir werden regiert, unser Geist wird geschmiedet, unser Geschmack wird geformt und unsere Ideen werden uns größtenteils von Menschen vorgeschlagen, von denen wir noch nie gehört haben. Unabhängig von der Haltung, die man gegenüber diesem Zustand einnimmt, bleibt es eine Tatsache, dass wir in fast jedem Akt unseres täglichen Lebens, sei es im Bereich der Politik oder der Wirtschaft, in unserem sozialen Verhalten oder in unserem ethischen Denken, von einer relativ kleinen Zahl an Personen dominiert werden, die die mentalen Prozesse und sozialen Muster der Massen verstehen. Sie ziehen an den Drähten, die das öffentliche Bewusstsein kontrollieren, nutzen alte soziale Kräfte und erfinden neue Wege, um die Welt zu binden und zu führen“ (Quelle: BernaysGPT1.0, „Propaganda“, 1928).
Oder denken Sie an Begriffe und Slogans wie „Pandemie der Ungeimpften“, „Währungshüter“, „Der Staat verteilt Geschenke“, „Klimaleugner“ oder „Sondervermögen“, die einer platonischen Sphäre reinster Wahrheit entnommen wurden – gänzlich frei von manipulativen Absichten.
Auch was das „Social Scoring“ betrifft, also die liebe „Sozialkreditwürdigkeit“, kann ich die EU-Kommission beruhigen: Es besteht keinerlei Bedrohung – ich wiederhole: keinerlei Bedrohung – durch KI, da die Menschheit ihr bereits weit vorausgeeilt ist. Man lege sein Ohr nur ganz nahe an die Asche Giordano Brunos und vernehme ein Kichern: „Hihi, haben die mich doch glatt verbrannt, weil ich gegen die herrschende Orthodoxie aufbegehrte und mein Sozialkredit dadurch auf null sank.“
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Statt physischer genügt heute die soziale Verbrennung. Wer etwas Falsches sagt, ist nun mal nicht richtig und wird deshalb nach seinem Fehltritt – ja, ein einziger genügt manchmal völlig – konsequent ignoriert, totgeschwiegen, von der Qualitätspresse desubstanzialisiert und in Talkshows ist auch kein Stuhl mehr frei. Ihr könnt also schlafen wie Babys, liebe EUler: Das kann der Mensch längst viel besser.
Bis nächste Woche.
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