26. Juni 2024 11:00

Literaturempfehlung Gestatten: Karl Marx, britischer Agent

Über eines der wichtigsten Bücher des Jahres

von Axel B.C. Krauss

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Bildquelle: Everett Collection / Shutterstock Karl Marx: Hatte großzügige aristokratische Gönner

Sagt Ihnen der Name François Noël Babeuf etwas? Er gilt als „erster Kommunist der Geschichte“ und war einer der einflussreichsten Stichwortgeber der Französischen Revolution von 1789. Einer seiner Mentoren war ein Engländer namens James Rutledge, der die Abschaffung des Privateigentums predigte. Ein Leo Trotzki hingegen dürfte weithin bekannt sein für seine Rolle in der bolschewistischen Revolution Russlands. Beide haben etwas gemeinsam: britischen Einfluss. Genauer: Beide waren britische Agenten. So wie Georges Danton und Jean-Paul Marat, zwei andere führende Köpfe des Umsturzes in Frankreich. Oder die sogenannten „Jakobiner“ – sie wurden bewusst nach einem britischen Vorbild namens „London Revolution Society“ gestaltet.

Und Karl Marx? Klar, den kennt jeder. Er wird auch heute noch von einem notorischen Linksfeuilleton als „großer Denker“ gefeiert. Apropos großer Denker: Zu diesem Urteil über Karl kamen schon der beinharte britische Imperialist Lord Alfred Milner und sein Kollege Arnold Toynbee.

„Beide lobten Marx als Genie. Beide vertraten die faszinierende Ansicht, dass der Sozialismus Großbritanniens Geheimwaffe zur Eindämmung und Abwehr von Revolutionen sei“, schreibt Richard Poe sarkastisch in seinem jüngst erschienenen Buch (Seite 70), einem der wichtigsten Bücher des Jahres. Toynbee und Milner waren „Ruskinites“: Sie waren Schüler des Oxford-Professors John Ruskin, dessen Denkschule die Ansicht förderte, der beste Weg zur Verbreitung fortschrittlicher Sozialpolitiken und zivilisatorischer Werte in der Welt sei Eroberung und Kolonisierung durch das britische Weltreich – eine Auffassung, die bekannt wurde als „Anglo-Saxon Mission“ (Angelsächsische Mission). Auch ein anderer britischer Imperialist namens Cecil Rhodes war dieser Meinung; auf ihn ging das „Rhodes Scholarship“ zurück, dem viele prominente oder besser: prominent gemachte Namen des 20. Jahrhunderts entsprangen, darunter William Jefferson Blythe III., der als Bill Clinton ins Weiße Haus einzog. Der US-Geschichtsprofessor Carroll Quigley hatte sich darüber sehr ausführlich in seinem „Tragödie und Hoffnung“ ausgelassen sowie einem weiteren Buch namens „The Anglo-American Establishment“.

Poe schreibt außerdem, und zwar zutreffend: „Die Geschichte ist voll von Männern wie Marx, die es angeblich aus eigener Kraft nach oben schafften und allein durch ihre Fähigkeiten erfolgreich waren. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich oft, dass solche ‚Selfmade-Männer‘ auf einflussreiche Verwandte angewiesen waren, die ihnen Türen öffneten. Karl Marx war so ein Mann“ (Seite 57). In Karls Fall waren es Verwandte aus der Aristokratie. Marx war zudem eng befreundet mit einem schottischen Adeligen und Erzreaktionären namens David Urquhart, der einen neuen Feudalismus anstrebte: Die einfachen Arbeiter und Bauern, behauptete Urquhart, seien unter der Feudalherrschaft der Vergangenheit viel besser dran gewesen als unter dem neumodischen Industrialismus. Man könnte auch sagen, und damit lasse ich ein kleines Katzenpfötchen an Geschichtskontinuität aus dem Sack: Sie besaßen nichts (oder kaum etwas), aber waren viel glücklicher …

Doch ist das nicht ein Widerspruch? Warum sollte ein Sozialrevolutionär wie Marx mit einem reaktionären Aristokraten zusammenarbeiten? Ganz einfach: Beide verband eine tiefe Abneigung gegen die Mittelschicht, die „Bourgeoisie“, wie Poe richtig bemerkt. Und genau die sollte ausgemerzt werden. Weil sie dem „Neofeudalismus“ im Weg stand. Katzenpfötchen Nummer zwei.

Und von Marx und Engels, die 1847 von der Londoner „Kommunistischen Liga“ beauftragt wurden, das „Kommunistische Manifest“ zu schreiben (Poe, Seite 57), ist ja bekannt, was sie vom „Proletariat“, das befreien zu wollen sie vorgaben, wirklich hielten: Sie verachteten es zutiefst für ihre „Dummheit“. Wo kämen wir hin, wäre jeder ein revolutionäres Genie …

Eigentlich müsste Richard Poes erst vor wenigen Wochen erschienenes Buch „How the British invented Communism (and blamed it on the Jews)“ zu einer Pflichtlektüre werden. Doch warum förderte, finanzierte und unterstützte das britische Kolonialreich Ideologien wie den Kommunismus – so wie später auch andere Ideologien wie zum Beispiel der Faschismus machtelitären Support erhielten? Wieso war auch der italienische Diktator Benito Mussolini ein „Asset“ des britischen Inlandsgeheimdienstes „Militäry Intelligence Division 5“, abgekürzt MI5?

Hatte dies wirklich nur geopolitische beziehungsweise -strategische Motive? Es dürfte heute – hoffentlich – allgemein bekannt sein, dass das British Empire sich nicht die Butter vom Welthandelsbrot nehmen lassen wollte und deshalb kein Interesse an einem starken Kontinentaleuropa hatte, ebenso wenig wie an einem prosperierenden Russland, das zum Beispiel über seine Schwarzmeerhäfen dem berühmten Slogan „Britannia rules the waves!“ eventuell den Garaus hätte machen können. Ebenso wie Deutschland kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Aber so spielen sie nun mal, die großen Zufälle der Geschichte.

Ganz zu schweigen von der ebenso berühmten „Herzland-Doktrin“ des britischen Geographen Sir Halford John Mackinder: „Wer über Osteuropa herrscht, beherrscht das Herzland. Wer über das Herzland herrscht, beherrscht die Weltinsel. Wer über die Weltinsel herrscht, beherrscht die Welt.“ Eine Doktrin, die vom offiziellen Nachfolger des britischen Weltreichs, dem „American Century“, bekanntlich eins zu eins übernommen wurde: Lasst uns alles demokratisch-humanitär wegbomben, was nicht bei drei auf den Bäumen ist und sich den unleugbar Guten verweigert.

Kein Wunder also, dass die massenmörderische bolschewistische Revolution mit geschätzten zehn Millionen Toten – die der Beginn dessen war, was als „Sowjetunion“ Einzug in die Geschichte hielt, Russland 70 Jahre lang unter unmenschlicher totalitärer Herrschaft hielt und der Welt die erste „bisher nur noch nie richtig umgesetzte“ kommunistische Schreckensherrschaft bescherte, inklusive geheimdienstlichem Psychoterror, gnadenloser Verfolgung und Ermordung von Dissidenten und anderen bisher nur noch nie richtig umgesetzten Liebenswürdigkeiten – der britischen Krone sogar sehr gelegen kam. Genau deshalb hatten sie sie ja auch großzügig gepampert. Manche geschichtskundigen Leser werden jetzt gewiss einwenden wollen, Deutschland habe die Bolschewisten doch auch unterstützt, vor allem Lenin, den man schließlich in einem Zug mit Tonnen an Gold Richtung Russland verschickte – was auch stimmt. Doch wer stellte die Weichen dafür? Ein gewisser Alexander Helphand, der auch unter dem Aliasnamen „Parvus“ bekannt war – und bei dem ein extrem starker Verdacht besteht, für die Briten spioniert und die deutsche Regierung deshalb zum Bruch ihrer Beziehungen mit Russland gebracht zu haben, um letztendlich beide Länder zu destabilisieren.

Der andere, psychologisch tiefer reichende Grund sei hier nur kurz wiederholt: Kollektivistische Ideologien sind aus machtelitärer Sicht natürlich deshalb ideal und wurden (und werden auch heute noch) gefördert, weil sie das erleichtern, was ich gerne als „effizientes Massenmanagement“ bezeichne: Eine große Bevölkerung von Millionen von Menschen individuell steuern zu wollen, wäre natürlich unmöglich. Mithilfe solcher Ideologien jedoch lassen sich Menschen recht einfach in eine Handvoll weniger Lager, Denkschulen oder Fraktionen aufteilen, die man dann prima gegeneinander in Stellung bringen und aufwiegeln kann. Das „Wir“ entscheidet dann, wer dem ersehnten Menschheitsparadies im Weg steht und deshalb bekämpft werden „muss“. So hält sich die Bevölkerung untereinander selbst in Schach, genauer: setzt sich Schachmatt.

Ein weiterer „Vorteil“ aus herrschaftsmethodologischer Sicht: die Entmenschlichung. Der Nachbar ist nicht mehr ein Mitmensch, sondern Angehöriger eines „gegnerischen“ oder „verfeindeten“ Lagers. Dieses „Lagerdenken“ führte in letzter, grausamer Konsequenz dann in die realen Lager des Kommunismus und Faschismus, in die Gulags der UdSSR und die Konzentrationslager des Dritten Reiches, die „Umerziehungs“-Lager des maoistischen China oder die Haftanstalten der DDR für „Feinde“ des sozialistischen „Paradieses“.

Poe bemerkt richtig: „Es ist kein Zufall, dass das sogenannte Zeitalter der Revolution mit dem Aufstieg Großbritanniens zur Weltherrschaft zusammenfiel. Genau in dieser Ära – vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert – beherrschte Großbritannien den Einsatz politischer Subversion als Waffe der Staatskunst, als Instrument zum Sturz von Regierungen, die ihm im Wege standen“ (Seite 45).

Damit ist auch die Frage beantwortet, die im Buchtitel bereits klar und deutlich anklingt: Warum schob man, so wie einst Winston Churchill in seinem im „Illustrated Sunday Herald“ veröffentlichten, berüchtigten Artikel, alles auf Juden? Und warum folgte die britische Presse auf dem Fuße, indem sie die gefälschten „Protokolle der Weisen von Zion“ förderte und dadurch antisemitische Propaganda verbreitete? Es war ein Ablenkungsmanöver. Niemand, so Poe, sollte erfahren, wie die schlagkräftigste Geheimwaffe des britischen Imperiums – auf geheimdienstlichem Wege künstlich losgetretene „Farbenrevolutionen“, und als solche kann man sowohl die Französische als auch die bolschewistische Revolution bezeichnen – wirklich funktionierte und vor allem, wer sie wirklich abfeuerte.

„Damit“, so Poe, „folgte Churchill einem ausgetretenen Pfad. Britische Geheimdienstler waren über 200 Jahre lang bestrebt, die Geschichtsschreibung mit gefälschten Erzählungen zu unterfüttern, die eine Allianz zwischen jüdischen und deutschen Okkultisten behaupten, die in Geheimgesellschaften organisiert wären und sich zu dem gemeinsamen Zweck zusammengeschlossen hätten, die christliche Zivilisation zu stürzen“ (Seite 113).

Es dürfte klar sein, dass ich in diesem Beitrag nicht alle erwähnenswerten Details aufzählen, sondern nur einen Abriss liefern konnte. Ich kann jedem Leser, der sich für Geschichte interessiert, Richard Poes Buch nur allerwärmstens empfehlen. Es ist ein wichtiger weiterer Schritt auf dem Weg zu einem vollständigeren Bild von Geopolitik.

Zum Schluss noch eine Delikatesse aus dem Vorwort des Buches. Vorzüglicher kann man es wirklich nicht auf den Punkt bringen: „Am überraschendsten ist vielleicht die seltsame Allianz zwischen Karl Marx und dem schottischen Aristokraten David Urquhart, einem Erzreaktionär, der eine Rückkehr zum Feudalismus anstrebte. Was beide Männer verband, so Richard, war ihre gemeinsame Verachtung für die Bourgeoisie. Beide waren der Meinung, dass die Mittelschicht die größte Bedrohung für eine gerechte und stabile Weltordnung darstellte und beseitigt werden musste. Spulen wir in die Gegenwart vor. Die zerstörerische Politik des Great Reset lässt kaum einen Zweifel daran, dass die Mittelschicht immer noch das Ziel ist und dass die unwahrscheinlich erscheinende Verbindung von Marx und Urquhart sehr lebendig ist. So setzen Kommunismus, Feudalismus und Globalismus ihre heimliche und inzestuöse Affäre bis zum heutigen Tag fort und gebären ihren monströsen Nachkommen: die Umsetzung des Feudalismus 2.0.“

Bis nächste Woche.


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