02. Juli 2024 16:00

Julian Assange Auf dem Weg in die Freiheit

Peinliches Schauspiel des rachsüchtigen Staats – er hat eine Niederlage erlitten

von Christian Paulwitz

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Bildquelle: E Ozcan / Shutterstock.com Nach vielen Jahren endlich frei: Julian Assange

Staaten machen Gesetze. Whistleblower-Gesetze geben vor, Hinweisgeber vor Strafverfolgung zu schützen, wenn sie bei der Aufklärung von Gesetzesverstößen und Verbrechen, in die sie selbst verwickelt sein können, bei der Strafverfolgung von Haupttätern entsprechend mithelfen. Solange es sich nicht um Verbrechen handelt, in die der Staat selbst mit seinen tragenden Organen tätig verwickelt ist. Bei der Aufklärung hört der Spaß auf, wo sie die Interessen des Staats gefährden könnten. Wir kennen das auch in Deutschland – Stichwort Nordstream-Attentate. Geheimdienste stehen über dem formal verfassten Staat, das Militär unter bestimmten Umständen auch. Staatsverbrechen erkennt dieser nur als Verbrechen gegen den Staat an – nicht als seine eigenen. Es ist uns letzte Woche wieder deutlich vor Augen geführt worden.

Ein Journalist wird dafür verfolgt, dass er berichtet, – durch die USA und westeuropäische Staaten. Fünf Jahre wurde Julian Assange in Großbritannien auf engstem Raum in Isolationshaft gehalten. Es war der hoffentlich letzte Abschnitt einer viele Jahre länger dauernden Verfolgung. Der Vorwurf: Geheimnisverrat. Die Geheimnisse: Dokumente über amerikanische Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan. Assange ist australischer Staatsbürger, nicht amerikanischer, und hat die Dokumente auch nicht als amerikanischer Geheimnisträger erhalten und weitergegeben, sondern sie wurden ihm zugetragen, und er zeichnete verantwortlich für die Plattform Wikileaks, auf der sie veröffentlicht wurden. Eine journalistische Tätigkeit – doch trotz seiner ausländischen Staatsbürgerschaft beanspruchen die USA ein Recht auf globale Verfolgung. Als Präsident hat Donald Trump die Verfolgung weiterlaufen lassen, natürlich auch Biden. Doch vor der nächsten Präsidentschaftswahl sollte die Angelegenheit wohl bereinigt werden.

Mir ist nicht bekannt, dass die USA die durch Wikileaks bekannt gewordenen Kriegsverbrechen untersucht und verfolgt hätten, und es gibt wenig Anlass zu vermuten, dass dies mittlerweile geschehen sei, denn US-Soldaten begehen keine Kriegsverbrechen. Eines der in Wikileaks veröffentlichten Videos zeigt die Aufnahme des Beschusses von Zivilisten aus einem US-Hubschrauber im Irak inklusive Tonspur; auch Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters kamen dabei ums Leben. Rachsüchtig verfolgt wurde jedoch der Journalist, der dies öffentlich machte.

Nun haben die US-Strafverfolger einen Deal mit ihrem Gefangenen gemacht, den sie in London jahrelang einkerkern ließen. Hierzu fand formal ein Gerichtsverfahren auf Saipan, einer zu den Marianen gehörenden Insel statt, die zu den USA gehören. Ein Kompromiss, denn Assanges Bedingung war, nicht den Boden der USA betreten zu müssen, während er als Regierungsforderung vor einem US-Gericht erscheinen sollte. Assange sollte sich schuldig bekennen, und mit Berücksichtigung der bereits erfolgten Freiheitsberaubung am Ende freikommen. Er bekannte sich schuldig im Sinne der Anklage. Er führte aus, geglaubt zu haben, dass der erste Verfassungszusatz seine Aktivitäten schütze, akzeptiere aber, dass es ein Verstoß gegen das Spionagegesetz war. So wurde er am Ende für schuldig befunden. Mit zum Deal gehörte, dass Assange Wikileaks anweisen musste, alle Informationen zu vernichten und eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass er dies getan habe. Die US-Staatsanwälte seien überzeugt, dass er dies getan hat. Es geht dabei wohl auch um eine „Versicherung“ aus noch unveröffentlichten weiteren geheimen Daten.

Die Richterin ließ sich wohl auch mehrfach von Assange bestätigen, dass niemand versucht habe, ihn zu bestechen, einzuschüchtern oder zu zwingen, sich schuldig zu bekennen. Was für eine surreale Farce! Doch es ist viel besser, diese Farce mitzuspielen, und anschließend auf freien Fuß zu kommen, als krank und nutzlos in einem Gefängnisloch zu verrotten! Der Staat setzte noch eins drauf: Um den Fall „gnädig“ abschließen zu können, wies die Richterin darauf hin, dass es aufgrund der Veröffentlichungen des Materials auf Wikileaks laut Regierung keine persönlichen Opfer gegeben habe. Die Verhältnismäßigkeit der Verfolgung eines ausländischen Staatsbürgers war ja nicht Gegenstand des Verfahrens.

Julian Assange ist nun endlich frei – formal. Er dürfte tatsächlich erst auf dem Weg dahin sein, denn wie frei kann man nach dem sein, was er über die letzten zehn Jahre erlebt hat? Durch sein „Geständnis“ wird er wohl nicht gebrochen worden sein, denn in der zivilisierten Welt, die sich ganz gewiss nicht durch staatliche Territorien definiert, weiß jeder, dass ein durch Folter und Erpressung erzwungenes Schuldeingeständnis null und nichtig ist. Doch mit dem Ende der Verfolgung durch staatliche Gerichte endet nicht unbedingt die staatliche Verfolgung, und das wird Julian Assange bewusst sein. Mitunter kommen Auto- oder andere Unfälle vor, wenn das Interesse der Weltöffentlichkeit verblasst ist und dieser somit eine Randnotiz wird. Vielleicht in zwei, oder auch erst in sieben oder zehn Jahren. Kann man mit diesem Wissen und den vorangegangenen Erlebnissen tatsächlich je wieder ein freier Mensch werden?  Es ist zu hoffen, dass gute Freunde noch eine „Versicherung“ gesichert haben, die er leider, leider nicht zerstören lassen konnte; seinen Verfolgern bewusst, aber nicht zugänglich.


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