Marktwirtschaft: Warum mehr Kapitalismus?
Mehrheit der Menschen profitiert davon
In der Marktwirtschaft werden die Karten laufend neu verteilt. Besonders ausgeprägt geschieht dies bei konjunkturellen Abschwüngen, wenn die Vermögenspreise fallen. Diese Krisenzeiten eröffnen neuen Unternehmen mit neuen Ideen neue Chancen. Anstatt über die Krisen zu lamentieren, soll man sie als das begreifen, was sie sind, nämlich Phasen der wirtschaftlichen Umgestaltung.
Kapitalismus bedeutet permanente Revolution. In der Marktwirtschaft gibt es keinen Stillstand und kein Gleichgewicht. Neue Firmen treten auf den Plan und etablierte Firmen werden verdrängt oder gehen unter. Neuartige Güter werden produziert und bestehende Güter modifiziert oder verschwinden vom Markt – genauso wie es mit den Produktionsmethoden geschieht. Im Zuge dieser Dynamik ändert sich andauernd die Struktur der Marktwirtschaft, und was gestern noch galt, ist heute schon nicht mehr gültig. Dies heißt, dass es für Neuankömmlinge immer wieder neue Chancen gibt.
Die unternehmerische Geldwirtschaft des modernen Kapitalismus bedeutet ein beständiges Ringen um die höchstmögliche Produktivität. Die marktwirtschaftliche Konkurrenz besteht darin, die Kundenwünsche besser und kostengünstiger zu treffen. Langfristig kommt diese Produktivität allen zugute, vor allem den breiten Massen, doch gelangt der Vorteil zu unterschiedlichen Zeiten an die Begünstigten. Kurzfristig gibt es zwar Verlierer, langfristig aber macht der Kapitalismus alle zu Gewinnern.
Der Kapitalismus ist ein dynamisches System. Unsicherheit und Risiko sind der Preis des Fortschritts. Aber die sogenannte „gute alte Zeit“ war noch unsicherer als unsere gegenwärtige. Mehr als heute war man den Krankheiten ausgeliefert, den Unbilden des Wetters und den Schwankungen der Nahrungsproduktion. Ein Leben in Hunger, Not und Armut kennzeichnete über Jahrtausende das Leben der Mehrheit der Menschen. In der vorkapitalistischen Zeit war auch die Ungleichheit größer als heute. Frühere Systeme machten einige wenige reich, alle anderen waren aber bitterarm. Zwar ist es richtig, dass auch der Kapitalismus als unternehmerische Geldwirtschaft zur konzentrierten Anhäufung von Vermögen und Einkommen führt, aber diese sind heute eher geringer als in der Vergangenheit, vor allem aber sind sie nicht dauerhaft. Vor der Industriellen Revolution war die Oberschicht sehr klein; die große Mehrheit der Bevölkerung lebte in extremer Armut und Not. Seitdem hat die Armut in all jenen Regionen abgenommen, die das Wirtschaftssystem der unternehmerischen Geldwirtschaft konsequent übernommen und ausgestaltet haben.
Vor der Industriellen Revolution waren die Reichen ärmer als heute die Armen in den kapitalistischen Industrieländern. Ludwig XIV. (1638–1715) soll in seinem Palast von Versailles Tausende von Dienern gehabt haben. Das würde aber nichts an der Tatsache ändern, dass es trotz dieser Schar von Untergebenen im ganzen Palast keine der vielen Annehmlichkeiten gab, die heute in jeder Sozialwohnung zu finden sind. Der Sonnenkönig konnte sich zwar reichhaltig parfümieren und eine großartige Perücke tragen, aber das war auch nötig angesichts der Hygienesituation im Palast. Heutzutage fährt der Normalbürger als Tourist nach Versailles im Reisebus oder mit dem eigenen Fahrzeug. Wenn er seine Besichtigungstour beendet hat, warten in der Stadt Paris Abertausende von Kellnern und andere Bedienstete in Tausenden von Restaurants, Cafés und Bars darauf, diesen Touristen, aus welchem Land er auch kommen mag, zu bewirten.
Der moderne Kapitalismus dient der Masse der Konsumenten. Abgesehen von ganz wenigen Luxusprodukten sind es diejenigen Menschen selbst, die in den Produktionsstätten arbeiten, die die dort hergestellten Güter konsumieren. Die Kaufkraft aller Einkommensklassen, auch der unteren, ist durch die Verbreitung des Kapitalismus enorm gestiegen.
Wohlstand drückt sich aber nicht hauptsächlich dadurch aus, dass man quantitativ mehr konsumiert, sondern auch durch die bessere Qualität der Güter und die größere Vielfalt des Angebots. Wirtschaftswachstum ist ein falscher Begriff, wenn er so interpretiert wird, als ginge es um immer mehr von demselben. Dann gäbe es in der Tat die sogenannten „Grenzen des Wachstums“. Im Kapitalismus besteht aber der wirtschaftliche Fortschritt in der Herstellung und Nutzung neuer, besserer und billigerer Güter.
Der Kapitalismus funktioniert am besten, wenn sich die Preisbildung auf freien Märkten vollzieht. Wettbewerbspreise dienen als Knappheitsindikator und liefern zugleich den Anreiz, Versorgungsmängel zu beheben. Damit dieser Prozess zügig abläuft, braucht es verlässliche Eigentumsrechte. Dann kommen das Nutzenstreben der Nachfrager und die Suche nach maximalen Gewinnen seitens der Unternehmen voll zur Geltung. Steigt der relative Preis eines Gutes, begrenzen die potenziellen Käufer ihre Nachfrage, während es für die Produzenten dieses Gutes lohnend wird, mehr davon anzubieten.
Die Grundlage des wirtschaftlichen Wachstums ist der technische Fortschritt in allen seinen Varianten. Im Zuge dieser Entwicklung kommen mehr Menschen in den Genuss von Gütern, die vorher ausschließlich den Reichen vorbehalten waren. Der moderne Kapitalismus dient dem Volk, indem die Massenproduktion den Massenkonsum ermöglicht und weil die Arbeitnehmer aufgrund von Innovationen im Verfahrensbereich, die zu Produktivitätssteigerungen führen, höhere Löhne erzielen. Kein anderes Wirtschaftssystem hat den einfachen Leuten so viel Wohlstand gebracht wie der moderne Kapitalismus.
Neben den offenen Bestrebungen des Sozialismus, den Kapitalismus abzuschaffen, ist der indirekt wirkende Interventionismus ein Feind des Kapitalismus. Durch politisch motivierte Eingriffe in den Markt werden der Wettbewerb verfälscht und künstliche Knappheiten hervorgerufen. Bekanntlich ist persistente Mangelwirtschaft das Kennzeichen des Sozialismus. Treten auch in marktwirtschaftlich orientierten Ländern hartnäckige Versorgungsmängel auf, ist dies stets ein Anzeichen dafür, dass die Wettbewerbsfreiheit eingeschränkt ist. Für den Wohnungsmarkt oder das Gesundheitssystem ist dies schon so selbstverständlich geworden, dass den meisten Menschen der Grund dafür gar nicht bewusst ist. Noch mehr gilt dies für das Geldsystem. Es wird als alternativlos hingenommen, dass nicht der Markt den Zinssatz und die Geldversorgung regelt, sondern sie von einer zentralen Instanz manipuliert werden. Dabei sind es die Irrtümer und falschen Politikmodelle der Zentralbank, die maßgeblich für Inflation und Depression verantwortlich sind. Man klagt den Kapitalismus für die Mängel an, die auf die Politik zurückzuführen sind – seien es Versorgungsmängel auf einzelnen Märkten oder schwerwiegende Finanzkrisen. Man ruft nach dem Staat, um das zu heilen, was die Politik verursacht hat.
Eingefleischte Sozialisten behaupten, in der Praxis habe ihr Gesellschaftsmodell nur deshalb versagt, weil es nicht voll verwirklicht worden sei. Einen vollkommenen Sozialismus wird es aber ebenso wenig geben wie den perfekten Kapitalismus. Der Unterschied liegt woanders: Schon auf dem Weg zum Sozialismus zeigen sich alle seine verheerenden Folgen als Verarmung und Unterdrückung. Anders ist es beim Kapitalismus. Je mehr man sich auf den Kapitalismus in Reinform als Ideal zubewegt, umso mehr treten schon seine Vorteile in Form von mehr Wohlstand und mehr Freiheit in Erscheinung.
Der Glaube an Staat und Politik als Lösungsweg ist das Grundübel unserer Zeit. Je länger man auf diesem Pfad wandelt, desto mehr gehen Wohlstand und Freiheit verloren. Ein revolutionärer Geisteswandel ist gefordert: Nicht mehr Staat, sondern weniger Staat. Nicht mehr Politik, sondern weniger Politik.
Antony P. Mueller: „Kapitalismus ohne Wenn und Aber. Wohlstand für alle durch radikale Marktwirtschaft“ (Amazon KDP 2018) und „Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik“ (Amazon KDP 2021)
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