Sozialismus: Eine Heilslehre, die immer wieder scheitern muss
Dennoch zieht sie noch immer viele in ihren Bann
Bis heute lassen sich weniger bis gar nicht die sogenannten „Proletarier“ von der marxistischen Vision beeindrucken, sondern die Staatsintellektuellen. Diese sind auf eine andere Weise mit der ökonomischen Wirklichkeit verbunden – nämlich gar nicht – als die am konkreten Produktionsprozess beteiligten Werktätigen.
Nirgendwo ist der Sozialismus als Arbeiterbewegung zur Herrschaft gelangt. Stets geschah es durch eine Revolution, die von intellektuellen Parteiführern oder Militärs geleitet wurde. Den weniger martialischen Intellektuellen und Künstlern in der Entourage der Führer fällt im Sozialismus die Aufgabe zu, die Brutalität des Regimes mithilfe der Medien – durch Artikel, Romane, Gedichte, Musik, Filme und die bildende Kunst – zu tarnen und dem Sozialismus sowohl einen ästhetischen wie einen ethischen Anstrich zu geben. In der sozialistischen Propaganda erscheint das sozialistische System dann nicht nur als vollkommen gerecht, sondern auch schön und damit heilbringend.
Während der Marxismus in der Arbeiterbewegung kaum noch vorhanden ist, treibt diese Theorie umso wildere Blüten im Kulturbetrieb, im akademischen Bereich und bei den Massenmedien. Dieser „kulturelle Marxismus“ geht auf Antonio Gramsci (1891–1937) und die „Frankfurter Schule“ (gegründet 1924) zurück. Die modernen Theoretiker des Marxismus erkannten, dass die Arbeiterschaft als revolutionäres Subjekt der Geschichte ausscheidet. Nun treten die Kulturträger auf. Im langen Marsch durch die Institutionen besteht ihre Aufgabe darin, die bestehende vornehmlich christliche Kultur und Moral systematisch zu zerstören. Dies geschieht mit dem Ziel, die orientierungslose Masse dem Kommunismus zuzutreiben. Endziel dieser Bewegung ist die Einrichtung einer Weltregierung, in der die marxistischen Intellektuellen das Sagen haben.
Auch die „russische“ Revolution war nicht aus einer Arbeiterbewegung entstanden, sondern eine Bewegung von Berufsrevolutionären. Der wahre Charakter der Sowjetrevolution enthüllt sich dem, der einen genaueren Blick auf die personelle Zusammensetzung der ersten Regierungen des Sowjetstaates wirft.
Der russische Ökonom Yuri Maltsev erinnert daran, dass die Sowjetunion der erste Staat war, „der Massenmord zu einem ideologischen Imperativ machte“. Dieser Demozid betraf zuerst die Gläubigen aller Religionen und Konfessionen, um sich später auf die eigenen Mitglieder der Sowjet-Bewegung auszudehnen und schließlich potenziell jeden einzelnen Staatsbürger des Regimes als Kandidat für die Todesstrafe oder das Arbeitslager zu betreffen.
Die Anhänger des Sozialismus gestern und heute drücken sich davor, einzugestehen, dass ihr System der Gemeinwirtschaft nicht ohne eine Diktatur funktionieren kann. Mit Ausflüchten und Wortspielereien werden Unterschiede postuliert, die keine sind, so der zwischen Sozialismus und Kommunismus.
Als die mörderische Realität des Kommunismus im Sowjetsystem sich nicht mehr verheimlichen ließ, wurde der Begriff „Kommunismus“ fallen gelassen und durch den weniger belasteten Begriff des „Sozialismus“ ersetzt. Als auch der Begriff Sozialismus immer weniger strahlte, hat man schließlich den völlig nichtssagenden Begriff „Linke“ in den Vordergrund gestellt.
In den USA ist man sogar so weit gegangen, den Begriff „liberal“ zu usurpieren, sodass in den USA mit „liberal“ jemand gekennzeichnet wird, der sozialdemokratischen und sozialistischen Ideen anhängt. Durch diese Begriffsverwirrungen wird zu vertuschen versucht, dass der Sozialismus ein widersinniges System war, ist und bleiben wird.
Bereits im Kommunistischen Manifest von 1848 sind die Forderungen aufgestellt, die zu realisieren sind, um den Kapitalismus in den Sozialismus umzugestalten. Neben steiler Steuerprogression, Zentralbankwesen und Verstaatlichung von Unternehmen gehören dazu auch die Aufhebung der Familie, die Abschaffung der Religion und die Auflösung der Nationen. Unter den im Manifest genannten Zielsetzungen der kommunistischen Bewegung findet sich auch die Forderung, das Grundeigentum zu expropriieren und die Grundrente zur Finanzierung der Staatsausgaben zu verwenden. Auch hiervon ist man inzwischen nicht mehr weit entfernt, wenn man die in diese Richtung gehenden Vorhaben der Kommission der Europäischen Union anschaut.
Der Sozialismus kann aber niemals seine Versprechungen einhalten, denn das System leidet unter fundamentalen Konstruktionsfehlern. Hierzu zählen:
- die Unmöglichkeit rationaler Wirtschaftsrechnung aufgrund der Abschaffung von Wettbewerbsmärkten und des Privateigentums an Produktionsmitteln;
- die Unmöglichkeit effizienter Koordination der Wirtschaftsaktivitäten, sobald die Komplexität der Wirtschaft die einfache Haus- und Lokalwirtschaft übersteigt;
- die Abwesenheit von Anreizen bei Produktion und Verteilung, bei Angebot und Nachfrage, knappheits- und nutzengerecht zu handeln;
- die Abwesenheit strikter Budgetbeschränkungen aufgrund des Fehlens der Gewinn- und Verlustkalkulation und damit einhergehend die Beibehaltung von Produktionsverfahren, die mehr an Ressourcen verbrauchen, als sie an Nutzen stiften.
Diese fundamentalen Designfehler machen den Sozialismus nicht korrigierbar. Man kann den Sozialismus nicht reformieren, ohne ihn grundlegend aufzugeben. Ohne Privateigentum an Produktionsmitteln kommt kein allgemeiner Wohlstand zustande.
Während man den Sozialismus nicht ändern kann, ohne seine Grundprinzipien aufzugeben und ihn somit de facto abzuschaffen, ist der Kapitalismus reformfähig. Aber darin liegt gerade ein Problem, das leicht übersehen wird. Während formal die Eigentumsrechte noch bestehen bleiben, werden sie durch den Interventionismus immer mehr ausgehöhlt. Weil dieser Weg nicht abrupt, sondern Schritt für Schritt erfolgt, setzt ein Gewöhnungsprozess ein und die meisten merken gar nicht, dass sich der Interventionsstaat auf direktem Weg zum vollen Sozialismus befindet. Noch sind wir in der Bundesrepublik nicht ganz so weit, aber wir eilen mit immer größeren Schritten auf den umfassenden Sozialismus zu. Allerdings merken inzwischen immer mehr Menschen, dass der sogenannte Sozialstaat nicht sozial ist und der Wohlfahrtsstaat den Wohlstand nicht fördert.
Allerdings
ist es immer noch so, dass die sozialistische Utopie auch heute noch Menschen
in ihren Bann zieht – trotz der fürchterlichen Erfahrungen, die dort gemacht
wurden, wo versucht wurde, das sozialistische System zu verwirklichen –, sei es
in seiner internationalen oder national-sozialistischen Variante. Wo immer die
Sozialisten zur Herrschaft kamen, kam es sowohl zum wirtschaftlichen Niedergang
und zum Massenelend als auch zur Unterdrückung der Freiheitsrechte und zu
Massenmorden.
Es ist nicht nur so, dass der Sozialismus die gehegten Erwartungen verfehlt hätte – die wahre Tragödie besteht darin, dass die Realität des Sozialismus die schlimmsten Befürchtungen übertrifft. Es ist nicht nur die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die Schrecken einflößt, sondern auch, wie leidenschaftlich dieses System des Unheils von vielen Menschen herbeigesehnt wurde und von manchen sogar heute noch als wünschenswert betrachtet wird.
Am Anfang der sozialistischen Machtübernahme steht die Umverteilung. Die Redistribution geht nach kurzer Zeit in Kapitalkonsum über. Damit ist die Verarmung dieser Gesellschaft vorprogrammiert. Man kann das schnell oder langsam erreichen. Einmal durch einen gewaltsamen Umsturz und anders durch ein langsames Vorgehen, Schritt für Schritt. Die Sowjets haben die erste Weise gewählt. Ihre heutigen Nachfolger versuchen es auf die zweite Art.
Gesellschaftliche Utopien sind attraktiv. Sie befriedigen das menschliche Urbedürfnis nach dem Paradies. Auch für die gesellschaftliche Utopie des Sozialismus gilt, dass man, je mehr man den Himmel auf Erden erzwingen will, eine Hölle schafft.
Yuri Maltsev: „Mass Murder and Public Slavery. The Soviet Experience“ in: The Independent Review (Fall 2017)
Antony P. Mueller: „Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik“ (KDP 2021)
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