Schützenhilfe durch: Harald Schmidt: Das tödliche Lob
Wie der Großmeister uns beibringt, gelassen auf die nackten Kaiser zu zeigen
von David Andres
von David Andres drucken
„Die Menschen haben Sehnsucht nach einer großen Koalition.“
Sprechpause.
Eins.
Zwei.
„Nach einer Koalition zwischen AfD und CDU.“
Seit Harald Schmidt sich nicht mehr täglich im Fernsehen abmühen muss, sondern nach eigenem Gusto auf Theaterbühnen und Podien sitzt, wird er eigentlich immer noch besser. Nur zwei Sätze brauchte der bekennende Katholik kürzlich in Dessau, um das lokale Publikum zu „schamhaftem Gelächter im Kirchensaal“ zu bringen – und der ganzen Nation ein virales Bonmot. Er weiß schließlich genau, wie man Pointen baut, über die alle sprechen, weil sie heute nichts weiter mehr benötigen, als auf das Offensichtliche zu verweisen. Das Offensichtliche, das sich aus den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ergeben hat: Ein Wählerwille weg von der Ampel und hin zu einer konservativen Wende.
Harald Schmidts Humor bleibt „böse“, vor allem aus Sicht der Herrschenden und ihrer Claqueure, die sich mehr denn je an ihre Posten klammern und für die mittlerweile nicht nur der alte Spruch gilt, dass wir sie immerhin „zwingen können, immer dreister zu lügen“, sondern auch, dass wir sie zwingen können, immer deutlicher ihre reine, inhaltslose Machtbesessenheit zu offenbaren. Die CDU steht vor der Konsequenz ihrer Brandmauer gegen rechts, nun den Einfall der Barbaren von der Linken zulassen zu müssen, ja, ihnen die Tore zu öffnen und den Hof zu machen. In Thüringen ist daher jetzt die Rede von einer „Brombeer-Koalition“. So nennen „Politologen“ laut „mdr“ fortan „ein Bündnis aus CDU (schwarz), BSW (lila) und SPD (rot).“
Die Menschen können wählen, was sie wollen – im Land der moralisch höchststehenden Politikerkaste der Welt, sorgen die Retter der Demokratie dafür, dass ein Wahlsieger niemals die Regierung stellen kann. Niemand wagt es, angesichts dieser Realsatire darauf zu zeigen, dass der Kaiser nackt ist. Harald Schmidt macht es und zeigt uns diese Witzfigur, auf deren blanker Haut heute wahrscheinlich noch ein paar selbstherrliche Tattoos prangen.
Feiner geht Schmidt vor, wenn er unablässig den Kanzler Olaf Scholz als „einzigen Profi“ in der Regierung preist. Die Begründung: Der Mann sagt nichts von Belang, „grinst alles weg“, arbeitet leise vor sich hin. Man kann das als Wertschätzung lesen, aber ebensogut als beißenden Spott in gleich mehrfacher Hinsicht. Spott über eine zaudernde Nicht-Persönlichkeit und einen echten „Kanzler ohne Eigenschaften“, aber eben auch Spott über Politik an sich! Denn wenn es in diesem Feld einen „Profi“ ausmacht, so zu sein, wie Olaf Scholz ist, dann erweist es dieses Feld als überflüssig, einflusslos und charakterschwach. „Unprofessionell“ wäre demnach, sich in der Politik unbestechlich und unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile für eine Sache in den Ring zu werfen. Oder einfach „nur“ die Interessen des eigenen Landes und des eigenen Volkes zu vertreten. „Politik?“, so ließe sich das tödliche Lob des Harald Schmidt auch übersetzen, „braucht keiner, kann weg.“
In einem seiner Gespräche mit Korbinian Frenzel vom „Deutschlandfunk“ erwies Schmidt kürzlich seine ungeschlagene Souveränität erneut. Befragt danach, dass er sich bei einem Fest der „Weltwoche“ mit Vertretern der neuen Rechten habe abbilden lassen, entgegnete er: „Was soll ich machen? Von der alten Rechten war keiner da.“
Quellen:
„Gibt die Sehnsucht nach einer großen Koalition – aus AfD und CDU“, sagt Harald Schmidt (Welt)
Bekommt Thüringen eine links tolerierte Brombeer-Koalition? (mdr)
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.