24. September 2024 21:00

Freiheit der Popkultur The First Avenger: Civil War

Endet der Konflikt „Sicherheit gegen Freiheit“ immer im Krieg?

von Sascha Blöcker

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Bildquelle: Faiz Zaki / Shutterstock.com Krieg unter den „Avengers“: Verstaatlichung oder nicht?

Was ist „The First Avenger: Civil War“ nur für ein Film? Es ist nicht so einfach, wie man annimmt. In der Theorie handelt es sich um die Fortsetzung von „The Return of the First Avenger“, aber ist er das?

Ja und nein, denn hier kommt die große Stärke von „Marvel“ zum Tragen. Wir haben ein cineastisches Universum und deshalb ist jeder Film natürlich die Fortsetzung seines Vorgängers, aber welcher Film sein Vorgänger ist, das ist nie so ganz deutlich. So ist er der Nachfolger von „The Return of the First Avenger“, aber er ist genauso Nachfolger von „Avengers: Age of Ultron“. Diese Art, Filme miteinander zu verknüpfen, erlaubt „Marvel“ es, seine Charaktere und ihre jeweiligen Beweggründe deutlicher und ausführlicher darzulegen, als wir es bis heute auf einer Leinwand zu sehen bekommen haben.

Beginnen wir mit der Handlung, und diese ist – „Marvel“-typisch – sehr verwoben. Captain America leitet einen Einsatz, aber dieses Mal leitet er eine Truppe, die eben nicht aus Soldaten besteht, sondern aus Menschen, die entweder außergewöhnliche Fähigkeiten oder Ausrüstung haben. Nach einer wirklich schön anzusehenden Action-Sequenz kommt es zu kollateralen Schäden an der Zivilbevölkerung. Dieses Ereignis, aber auch vergangene Ereignisse, werden für die UN als Anlass genutzt, die „Avengers“ verstaatlichen zu wollen, und genau hier wird der freiheitliche Zuschauer aufmerksam.

Denn die Gruppenmitglieder der „Avengers“ sind sich ganz und gar nicht einig, was die Verstaatlichung ihrer selbst angeht. „Captain America: Civil War“ geht hier äußerst geschickt mit den einzelnen Charakteren um, und da sie uns dem Zuschauer nun über 12 Filme ans Herz gewachsen sind, haben wir zwar eine Seite, einen Standpunkt, den wir vertreten, aber wir empfinden zu keinem Zeitpunkt großes Unverständnis oder gar Hass für die jeweils andere Seite. (Vielleicht etwas, wo ein jeder von uns etwas für das wahre Leben und den echten politischen Diskurs mitnehmen kann.)

Der Film stellt uns zwei Charaktere für diesen Konflikt in den Vordergrund. Auf der Seite der Verstaatlichung haben wir Tony Stark (Iron Man) und auf der Seite der Freiheit haben wir Steve Rogers, und ja, wir verstehen die jeweiligen Motive. Die Regierung legt den „Avengers“ ein Dokument vor, welches freiwillig unterschrieben werden soll und somit die Verstaatlichung besiegelt. Die eine Hälfte unterschreibt, die andere Hälfte tut das nicht, und so beginnt der Konflikt. Bei der Diskussion, ob man der Verstaatlichung zustimmen sollte, ergibt sich folgender Ausschnitt eines Dialogs:

Tony: „Es kann hier keine Entscheidungsfindung geben, es muss Grenzen für uns geben, egal auf welche Art. Ich bin dafür.“

Steve: „Tony, wenn jemand unter deinem Schutz stirbt, gibt man nicht auf.“

Tony: „Wer spricht denn davon?“

Steve: „Das tun wir, wenn wir nicht die Verantwortung für unsere Taten tragen. Dieses Dokument verschiebt nur die Schuldfrage.“

Diese Art Gespräche ziehen sich durch den gesamten Film und sind nie plump oder einfältig, nein, sie fühlen sich sehr organisch und passend an. Im weiteren Verlauf des Films kommt es zu einem Terroranschlag in Österreich, mit dem ein Vertrauter von Steve in Verbindung gebracht wird. Da der vermutete Täter sehr gefährlich ist, hat die deutsche Polizei, die ihn dann stellen soll, den Befehl, sofort zu schießen. Steve darf dem Gesetz nach nicht mehr eingreifen, tut es aber doch und wird in Deutschland verhaftet. An dieser Stelle gestatten Sie mir die Anmerkung, dass ich immer ein gewisses Maß an Befriedigung empfinde, wenn Steve und Bucky (der unter Terrorverdacht Stehende) sich durch eine Vielzahl deutscher Polizisten prügeln.

Tony erdreistet sich unterdessen, ein Mitglied der „Avengers“ unter Hausarrest zu stellen (ähnlich dem, was wir bei Corona hatten), weil eben dieses sich für keine der beiden Seiten ausgesprochen hat. Auch entmenschlicht er sie als Waffe, was der amerikanische Außenminister zuvor auch schon mit zweien der „Avengers“-Mitglieder tat. Tony tut dieses allerdings in einer deutlich weniger abfälligen Art als der Minister.

Wieder stellt „Marvel“ uns auf geschickte Art und Weise die Frage: Ist Sicherheit mehr wert als Freiheit?

Nur dieses Mal macht „Marvel“ mit uns, dem Zuschauer, das, was „Marvel“ auch mit seinen Charakteren macht: Das „MCU“ koppelt diese Frage an Individuen. So wird für viele Zuschauer die Freiheits- oder Sicherheitfrage zu einem Beliebtheitswettbewerb. Wer sich an demokratische Wahlen erinnert fühlt, bekommt an dieser Stelle Extrapunkte von mir.

Steve und Verbündete entkommen der Polizei, woraufhin der Staat die eine Hälfte der „Avengers“ in den Kampf gegen die andere Hälfte entsendet. Civil War: Brüder gegen Schwestern, Freund gegen Freund, wie es in Amerika schon einmal war, als einige wenige Staaten sich der Kontrolle Washingtons entziehen wollten.

Was weiter passiert, werden Sie, werter Leser, erfahren, wenn Sie sich diesen Film ansehen: Es lohnt sich. Kommen wir zum handwerklichen Teil des Films. Die Action ist gerade, wenn wir Steve sehen, immer noch handgemacht und qualitativ hochwertig. Das CGI sieht zu jedem Zeitpunkt fantastisch aus, auch wenn es mir etwas zu viel ist. Was der Film am allerbesten macht, das sind die Charaktere und ihre Motivationen. Dieser Punkt kann nicht oft genug gelobt werden. Der deutsche Daniel Brühl hat eine wichtige Rolle, und auch wenn sie nicht groß ist, so spielt er sie doch hervorragend. Robert Downey Jr. ist schauspielerisch großartig und während des gesamten Films der Beste vor der Kamera. Chris Evans ist vermutlich in der körperlich besten Verfassung, in der wir ihn je gesehen haben.

Des Weiteren gibt uns der Film einen vielversprechenden Spiderman und bereits erste Anhaltspunkte zu seiner doch sehr tiefen Verbindung zu Tony Stark. Wir bekommen große heroische Momente, die aber keineswegs aufgesetzt wirken. Auch erhalten wir eine sehr gut erzählte Geschichte, die sich sehr klar anfühlt, obwohl eine Vielzahl an Themen und Kontroversen aufgemacht werden. Das Tempo des Films ist wieder nahezu perfekt, sodass ich an keiner Stelle den Wunsch habe, auf mein Smartphone zu schauen.

Mein Fazit zu diesem Film ist Folgendes: „The First Avenger: Civil War“ stellt mir sehr viele moralische Fragen. Er versucht, mich nicht zu erziehen oder mich zu einer der beiden Seiten zu drängen. Dieser Film erklärt mir die individuellen Motivationen nicht, er zeigt sie mir, und das weder mit einem erhobenen Zeigefinger noch mit einem mütterlichen, welcher mir wieder und wieder belehrend auf die Brust sticht. „Show, don't tell“ ist hier in liebevoller Manier zu genießen. „Civil War“ lässt mir die freie Wahl, ob ich Team Iron Man oder Team Cap bin, was für den geschulten Zuschauer doch schon ein Wink mit dem Zaunpfahl ist.

Lassen Sie mich auf meine anfängliche Frage „Endet der Konflikt ‚Sicherheit gegen Freiheit‘ immer im Krieg?“ eingehen. Meiner Erkenntnis nach verhält es sich mit dem Wunsch nach Sicherheit/vermeintlicher Sicherheit so, dass jene, die danach verlangen, immer auch von sehr starken Motiven geprägt sind. Häufig basieren die Motive auf Emotionen (auch etwas, das wir im Film zu sehen bekommen), und diese sind meist stärker als die Vernunft.

Nun möchte ich unserer vernünftigen Seite nicht sagen: „Geh beiseite!“ Auch möchte ich niemanden zum Kampf auffordern, aber ja, ich halte ihn für unausweichlich. Wir, die wissen, dass er kommen wird, sollten also das Schlachtfeld wählen, so wie die Art des Kriegs. Physische Konflikte habe ich mehr als ausreichend geführt und dabei keinen Zentimeter Land gewonnen. Deshalb plädiere ich für eine Art des Krieges, bei der wir zumindest geistig deutlich überlegen sind. Der Krieg der Währungen schwebt mir persönlich vor, aber ich bin natürlich offen für jedwede Vorschläge.

Nun gewähren Sie mir noch ein klein wenig ihrer kostbaren Aufmerksamkeit, um ein letztes Lob sowie ein Zitat des eben beschriebenen Films unterzubringen. Mein Lob gilt dem Humor des Films, denn auch dieser ist organisch und den jeweiligen Charakteren angepasst. Der stumpfe Slapstick-Humor, mit dem gerade „Marvel“, aber auch viele andere Produktionen heutzutage zu punkten suchen, findet in diesem Film keinen Platz – was übrigens ein sehr wichtiges Element meiner nächsten Kolumne sein wird. Ich will nicht zu viel verraten, aber wer die Antwort auf die Frage „Who you gonna call?“ kennt, der weiß, wo die Reise hingeht.

Jetzt schließe ich mit einem Zitat aus dem Film, dass Steve darin bekräftigt, nicht zu unterschreiben, und von dem ich glaube, dass es einem jeden hier und da helfen kann:

„Schließ Kompromisse, wo du kannst. Aber wo du es nicht kannst, tue es auch nicht, selbst wenn dir alle sagen, dass etwas, das falsch ist, richtig wäre. Selbst wenn die ganze Welt dir sagt, dass du beiseite gehen sollst, ist es deine Pflicht, wie ein Baum vor ihnen zu stehen, ihnen in die Augen zu sehen und zu sagen: Nein, ihr geht beiseite.“


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