25. September 2024 10:00

Die technokratische Gefahr Was auf dem Spiel steht

Warum eine sofortige Abkehr von der gegenwärtigen Politik unabdingbar ist

von Axel B.C. Krauss

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Bildquelle: JessicaGirvan / Shutterstock Genügend Druck von der Straße: Einziges probates Mittel gegen psychopathische Technokraten

„Spiel“ ist dem bitteren historischen Ernst natürlich unangemessen – doch um die Situation etwas besser in ihren historischen Kontext einordnen und verstehen zu können, wird es nicht genügen, in gewohnter Manier nur auf „Rettung“ durch Parteipolitik zu hoffen. Das ist kein politikverdrossener Defätismus: Nicht umsonst heißt es doch immer, nur eine gut informierte, mündige Bürgerschaft könne „die Demokratie retten“.

Es dürfte unnötig sein, die üblichen Schlagworte zu wiederholen, die zur Beschreibung der gegenwärtigen Politik verwendet werden. Sie wurden oft genug vorgebracht und ihre ideologischen Wurzeln freigelegt: sei es als Anglizismen (Reset, Build Back Better, Degrowth) oder Malthusianismus, Deindustrialisierung, Technokratie.

Kurz: Es geht um nicht weniger als die Stützpfeiler einer zivilisatorischen Entwicklung, die den Menschen aus den unmittelbaren Naturzwängen früherer Zeiten befreite; um einen Emanzipationsprozess, der für einen beispiellosen Zuwachs an Lebensqualität, individuellen Freiheiten, Wohlstand und vor allem kooperativer „Domestizierung“ oder „Pazifizierung“ des Menschen sorgte. Diese über mehrere Jahrhunderte mühsam errichteten Stützpfeiler wurden politisch mürbe gemacht, destabilisiert.

Der amerikanische Historiker Carroll Quigley hatte den Prozess in seinem Mammutwerk „Tragödie und Hoffnung“ sehr übersichtlich aufgedröselt: über die Revolution in der Landwirtschaft und die industrielle bis hin zu den marktwirtschaftlichen/kapitalistischen Wirtschaftsformen des 20. Jahrhunderts. Die zunehmende Arbeitsteilung und Differenzierung von Berufsbildern ermöglichten einerseits eine förmlich explosionsartige Zunahme an Wissen, das wiederum in die Entwicklung neuer Technologien, Produkte und Dienstleistungen mündete, was die Lebensqualität steigerte – andererseits aber auch zur vielbeklagten Partikularisierung oder „Zersplitterung“ wissenschaftlicher Fachbereiche und somit zuweilen in akademische Sackgassen. Well, there is no free lunch. Insgesamt gesehen wage ich jedoch zu behaupten, dass die Vorteile überwiegen: Noch nie zuvor konnten Menschen einen solchen Lebensstandard genießen.

Quigleys Buch umspannt grob die Zeit zwischen 1880 und 1960. Und er hatte frühzeitig – das Werk erschien 1966 – den Versuch beschrieben, „ein weltweites System der finanziellen Kontrolle zu erschaffen, dazu fähig, das politische System jedes Landes und die Weltwirtschaft als Ganzes zu dominieren. Dieses System sollte in feudalistischer Manier von den im Konzert agierenden Zentralbanken der Welt gesteuert werden“.

Allerdings beschränkte sich der Einfluss der Omnipotenzphantasten nicht nur auf die finanzielle Ebene; auch in den Bildungssystemen waren die Technokraten auf eine möglichst umfassende Kontrolle aus – auf das, was Olaf Scholz vor seiner Zeit als Bundeskanzler als „Lufthoheit über den Kinderbetten“ bezeichnete. Um die eigene Position in der Geschichte also etwas besser verstehen zu können, muss man sich gewahr werden, dass engsichtige, nur auf kleine Teilaspekte reduzierte Analysen nicht genügen – das „Gesamtbild“ oder, besser, die eigene Positionsbestimmung lässt sich durch eine „Triangulierung“ der wirtschaftlichen, politischen und sozialen/kulturellen Dynamiken der letzten drei- bis vierhundert Jahre enorm erleichtern.

Es war vor allem das Aufkommen des modernen bürokratisch-technokratischen Verwaltungsstaats und seiner zentral verwalteten Bildungssysteme, die eine „Dressur“ in historisch beispielloser Form ermöglichten. Der irische Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Clive Staples Lewis (C. S. Lewis, 1898–1963) hatte dies in seinem 1943 erschienenen Buch „The Abolition of Man“ sehr treffsicher analysiert: „Denn die Macht des Menschen, sich zu formen, wie er will, bedeutet, wie wir gesehen haben, die Macht einiger Menschen, andere Menschen zu dem zu machen, was sie wollen. In allen Zeitaltern haben Erziehung und Unterricht zweifellos in gewisser Weise versucht, diese Macht auszuüben. Aber die Situation, auf die wir uns einstellen müssen, wird in zweierlei Hinsicht neu sein. Erstens wird die Macht enorm gesteigert werden. Bisher haben die Pläne der Pädagogen nur sehr wenig von dem erreicht, was sie versuchten, und in der Tat, wenn wir sie lesen – wie Plato jeden Säugling ‚als Bastard in einer Schreibstube‘ aufziehen lassen will, und Elyot will, dass der Junge vor dem siebten Lebensjahr keine Männer und danach keine Frauen sieht, und wie Locke will, dass Kinder undichte Schuhe haben und sich nicht für Poesie interessieren –, können wir der wohltätigen Hartnäckigkeit echter Mütter, echter Ammen und (vor allem) echter Kinder dafür danken, dass sie das Menschengeschlecht so gesund erhalten haben, wie es noch ist. Aber die Menschenformer des neuen Zeitalters werden mit den Kräften eines allmächtigen Staates und einer unwiderstehlichen wissenschaftlichen Technik bewaffnet sein: Wir werden schlussendlich eine Spezies von Konditionierern bekommen, die wirklich die ganze Nachwelt in der Form herausschneiden kann, die sie will.“

Zehn Jahre später, 1953, lieferte der britische Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell in seinem Buch „The Impact of Science of Society“ einen ähnlichen Ausblick auf die Zukunft: „Ernährung, Injektionen und Anordnungen werden schon in jungen Jahren kombiniert werden, um die Sorte von Charakter und die Art von Überzeugungen hervorzubringen, die die Obrigkeit für wünschenswert hält, und jede ernsthafte Kritik an den Machthabern wird psychologisch unmöglich. Selbst wenn alle unglücklich sind, werden sich alle für glücklich halten, weil die Regierung ihnen sagt, dass sie es sind.“

Noch vor Lewis war es jedoch der Trotzkist James Burnham – der sich später den vermeintlich rechten Neokonservativen (Neocons) anschloss, über die der US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama einmal sagte, ihre Politik sei ihm „zu leninistisch“, weshalb er sich von ihnen distanzierte –, der in seiner „Managerial Revolution“ eine Weltordnung beschrieb, in der „Manager“ die Kontrolle über alle Aspekte von Wirtschaft und Gesellschaft erlangen würden: „Burnham machte deutlich, dass nach dem Zweiten Weltkrieg noch viele weitere Kriege geführt werden müssten, bevor sich die Managergesellschaft endgültig durchsetzen könne. Dieser andauernde Krieg würde zur Zerstörung souveräner Nationalstaaten führen, sodass nur eine kleine Anzahl großer Nationen überleben würde, die in den Kernen von drei ‚Superstaaten‘ gipfeln würden. Eine wirksame Klassenherrschaft und Privilegierung erfordern zwar die Kontrolle über die Produktionsmittel, aber diese muss nicht durch individuelle private Eigentumsrechte ausgeübt werden. Sie kann durch sogenannte korporative Rechte ausgeübt werden, die nicht von Individuen als solchen, sondern von Institutionen besessen werden: wie es auffällig bei vielen Gesellschaften der Fall war, in denen eine priesterliche Klasse vorherrschend war. Die Manager werden ihre Kontrolle über die Produktionsmittel ausüben und bei der Verteilung der Produkte bevorzugt werden, und zwar nicht direkt durch Eigentumsrechte, die ihnen als Individuen zustehen, sondern indirekt durch ihre Kontrolle über den Staat, der seinerseits die Produktionsmittel besitzen und kontrollieren wird“ (Cynthia Chung, „Das Leben von James Burnham: Vom Trotzkismus über den italienischen Faschismus zum Vater des Neokonservatismus“).

Die „Kontrolle der Produktionsmittel“ durch die Manager und den Staat wiederum ist im Kern das, was in den letzten Jahren vom WEF als „Globale öffentlich-private Partnerschaft“ beworben wurde. Und die Entwicklung hin zu „Kernen von drei Superstaaten“ – US-/anglo-amerikanischer Block, EU, Brics – ist reiner Zufall, glauben Sie das bitte. Orwell hatte einige Jahre später (1948) Burnhams Idee in seinem „1984“ übernommen (Ozeanien, Eurasien, Asianien). Man könnte in der Geschichte sogar noch weiter zurückgehen, um 1841 auf eine Schrift eines Verwandten der US-Präsidenten Theodore und Franklin D. Roosevelt zu stoßen, Clinton Roosevelt, der in seinem Traktat „The Science of Government“ eine ebensolche, von „Gouverneuren“ verwaltete Gesellschaft beschrieben hatte, die verblüffende Ähnlichkeiten mit Burnhams Vision hat und vor einigen Jahren in der „Hunger Games“-Filmreihe („Die Tribute von Panem“) aufgegriffen wurde. Oder noch weiter, um bei einer frühen technokratischen Vision namens „New Atlantis“ des englischen Philosophen Francis Bacon zu landen.

Die sogenannte „Globalisierung“ in ihrer heute betriebenen Form folgt genau solchen Vorstellungen: Es ist eine technokratische Utopie, basierend auf Szientismus und Sozialingenieurswesen. Vor allem ist es eine zentralistische Vision: Konzentration und Konsolidierung von ökonomischer und gesellschaftlicher Gestaltungsmacht bei einer kleinen Elite „technisch-wissenschaftlicher Experten“. Der französische Philosoph Jean Beaudrillard erkannte früh die Gefahr dieses zentralistischen Modells, als er schrieb: „Der immanente Irrsinn der Globalisierung bringt Wahnsinnige hervor, so wie eine unausgeglichene Gesellschaft Delinquenten und Psychopathen erzeugt.“

Mit „immanentem Irrsinn“ meinte er die simple Tatsache – die durch die Geschichte immer wieder bestätigt wurde –, dass zentralistische Strukturen, die Aussicht auf enorme Macht bieten, sich auf Machtpsychotiker aller Art auswirken wie ein Flutlichtstrahler im Fußballstadion auf Motten. Die Verheißung, nicht nur Millionen, sondern gar Milliarden Menschen „verwalten“ und „kontrollieren“ zu können, ist, auf gut Deutsch, der denkbar größte Beklopptenmagnet. Es verwundert deshalb nicht, dass sich in diesen Kreisen so viele pathologische Typen tummeln und es überrascht auch nicht mehr, wenn ein Obertechnokrat wie Bill Gates allen Ernstes vorschlägt – wie er es unlängst tat –, eine künstliche Intelligenz solle darüber entscheiden, welche Informationen veröffentlicht werden „dürfen“ und welche als „Falschinformation“ einzustufen wären.

Oder wie Iain Davis es in seinem Artikel „Sutherland, Kalergi, Camus, ‚Replacism‘ und Technokratie“ formulierte: „Das gesamte System kann theoretisch zentral durch die Verwaltung eines neuen Währungssystems gesteuert werden, das auf der Verteilung der ‚Energiezertifikate‘ basiert, die für jede ‚Funktion‘ des Technats erforderlich sind. Die Technokratie spricht die Oligarchenklasse an – Rothkopfs ‚Superklasse‘ –, weil sie das umfassendste System der sozialen Kontrolle ist, das je entwickelt wurde. Sie nutzt Technologie als zentral verwaltetes Instrument zur Überwachung und Verhaltenskontrolle der Bevölkerung.“

Das ist die heutige historische Situation. Wenn man ihre ideengeschichtlichen Wurzeln kennt und somit versteht, in welche Richtung sie sich den Wünschen der „Planer“ entsprechend entwickeln soll, gewinnt man einen festeren Stand: Man wird von dieser Dynamik nicht mehr völlig überrascht oder gar überrollt, und das unnötige „Ohnmachtsgefühl“ weicht einem besseren Verständnis der Bedrohungen, denen die Errungenschaften eines zivilisatorischen Prozesses ausgesetzt sind, der durch diese Politik in Teilen „rückabgewickelt“ werden soll („Build Back Better“).

Die über Jahrhunderte erkämpften und erarbeiteten Freiheiten sind dadurch bedroht wie nie zuvor. Deshalb muss diese Politik vehement abgelehnt und beendet werden – doch das wird nur auf dem Wege möglich sein, der schon immer der probateste war: durch Druck von „der Straße“. Seine Hoffnungen in Politik und Staat zu setzen – zu glauben, ein bloßer Wechsel der „Personalverwalter“ könne und würde das Steuer komplett herumreißen –, wird nicht genügen.

Bis nächste Woche.


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