09. Oktober 2024 06:00

Kulturkampf Der dritte Pol

Warum Freiheitliche nicht rechts und die letzte Chance der Republik sind

von Oliver Gorus

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Bildquelle: FrankHH / Shutterstock Weg von den Extremen: Hin zu den Freiheitlichen

Neulich sagte der Chef einer Behörde zu mir, ich sei rechts. Sogar ganz weit rechts. Ich war doppelt verblüfft. Zum einen sehe ich mich gar nicht als rechts, zum anderen steckte er mich mit solcher Abscheu in diese Schublade mit dem Etikett „Rääächts“, als ob es etwas ganz und gar Unanständiges sei, rechts zu sein. Ich vermute aber schwer, dass die Schublade mit dem Etikett „Links“ für ihn gar kein Problem wäre, er sich wohl selber in der linken Schublade sitzend darin sonnt, zu „den Guten“ zu gehören. Also gerade nicht zu den bösen Rääächten, selbstverständlich.

Nun bin ich nicht ganz so naiv, wie dieser Amtsleiter denkt, höchstens etwas nostalgisch. Mein Horizont ist nicht nur in grünes Licht getaucht, sondern umfasst noch weitere Farben. In meiner von früher gewohnten Welt geht es pluralistisch zu, es gibt keine staatlich vorgegebene Meinung und insbesondere entscheiden nicht Behörden und ihr Personal darüber, welche Gesinnung korrekt und welche nicht korrekt ist, und über unzulässige Meinungen entscheiden allenfalls Gerichte.

Dementsprechend existiert in der Bundesrepublik, an die ich mich noch erinnern kann, ein ganzes Spektrum von Meinungen und unterschiedlichen Lagern, ganz grob gibt es da ein rechtes, ein linkes und dazwischen ein liberales Lager und darüber hinaus viele Varianten. Es gibt dort keine Gesinnungsprüfungen und keine Denunzianten, erst recht keine staatlich alimentierten und zertifizierten Blockwarte, keine Meldestellen, keine Stasi und keinen Verfassungsschutz, der die eigenen Bürger bespitzelt, bedroht und zersetzt. Deswegen fällt es mir besonders scharfkantig auf, wenn ich heute solche dem Geist und den Buchstaben des Grundgesetzes widerstrebenden Exzesse sehe.

Der von Steuergeld lebende Beamte, der sicher nur alles richtig machen will, um seine Karriere nicht zu gefährden, führte auf mein Nachfragen als Beispiel an, dass ich mich im Internet für mehr Waffen ausgesprochen habe. Genau genommen hatte ich gesagt: „Selbstverteidigung und Nothilfe sind Menschenrechte. Das Waffenrecht sollte angesichts stark wachsender Gewaltkriminalität eher gelockert als verschärft werden, damit möglichst viele Bürger eine Waffe bei sich tragen können, um ihr Leben und Eigentum, das ihrer Familie und das anderer Bürger zu verteidigen. So wie zum Beispiel in Tschechien.“

Ist das rechts? Ja, könnte sein. Allerdings haben die Nationalsozialisten, die ja heute als rechts gelten, die in der Weimarer Republik begonnene Entwaffnung der Bevölkerung fortgesetzt. Auch die Führer sozialistischer Staaten fühlen sich genauso wie die Führer faschistischer Staaten irgendwie wohler, wenn die Werktätigen beziehungsweise das Volk keine Schusswaffen besitzen.

Ist also diese Abneigung von Regierungen gegen Waffen, die sie nicht unter Kontrolle haben, gar kein rechter oder linker Spleen, sondern ein autoritärer? Und was sind dann diejenigen, die es besser fänden, wenn die Bevölkerung das grundsätzliche (wobei durchaus sinnvoll regulierte) Recht hätte, Waffen zu tragen? Natürlich sind die freiheitlich.

Sind Freiheitliche rechts?

Ja, das Links-Rechts-Schema ist natürlich überholt, das hört man heute ständig. Aber dennoch werden die Wörter immer noch verwendet, nur irgendwie anders als früher.

Und weil da so viel Verwirrung herrscht, habe ich einfach mal Grok gefragt, die künstliche Intelligenz von X: Welche Eigenschaften und Positionen gelten heute denn als rechts?

Grok schickte den üblichen Disclaimer vorweg und hinterher, antwortete in der Mitte aber konkret in sieben Punkten:

Rechte sind demnach erstens konservativ. Sie wünschen sich, die Gesellschaftsstrukturen zu bewahren und zu verteidigen, bezogen auch auf Moral, Familie oder Religion.

Nun, Freiheitliche wollen ganz sicher nicht irgendwie bestimmen, wie Menschen zu leben haben. Ich für meinen Teil lehne allerdings die ganzen dominanten und aggressiven Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte wie Frühsexualisierung, Gender-Ideologie, Wokeismus, Klimareligion und so weiter als gesellschaftszersetzend ab, will diese Gesellschaftsstrukturen überhaupt nicht bewahren und sehne mich nach einer „normaleren“, weniger „linken“ und entspannteren Gesellschaft zurück. Ist das rechts? Vielleicht.

Rechte sind laut Grok zweitens pro Marktwirtschaft und bevorzugen freie Märkte mit minimalen staatlichen Eingriffen, oft verbunden mit einer Skepsis gegenüber umfassender staatlicher Regulierung und Umverteilung.

Na, da stimme ich doch zu! Aber wenn das rechts sein soll, warum finden sich dann etatistische, dirigistische Vorstellungen von Wirtschaft auch bei der als rechts geltenden AfD? Die AfD ist beispielsweise seit acht Jahren für den Mindestlohn, früher war das eine SPD-Position. Ich bin dagegen für freie Preisbildung, auch und gerade auf dem Arbeitsmarkt. Das ist verwirrend: Wie links ist eigentlich die AfD? Oder wie rechts ist heute noch Marktwirtschaft?

Drittens sind Rechte Nationalisten. Sie identifizieren sich stark mit Land und Volk, präferieren nationale Interessen gegenüber internationalen Interessen und sind für die nationale Einheit.

Diesen nationalen Patriotismus kann ich nicht für mich reklamieren, mir ist die Nation zu groß. Und eigentlich ist Deutschland ja ein Vielvölkerstaat, der aus vielen kleinen Ländern besteht, wie Baden, Hessen oder Sachsen, die vernünftigere Größen haben. Im Gegensatz zu Rechten wäre mir als Freiheitlichem weniger Zentralmacht in Berlin und eine deutlich föderalere, subsidiärere, dezentralere Struktur lieber. Die mächtigen Kantone, in Verbindung mit der schwachen Zentrale in Bern, sind zum Beispiel das eigentliche Erfolgsgeheimnis der Schweiz. Gegen regionale Identifikation mit der „Landsmannschaft“ habe ich nichts einzuwenden, aber rechts ist dieses Denken in kleineren Einheiten sicher nicht.

Ein klares Jein

Rechte wollen viertens einen starken Staat.

Hm. Das wollen Linke aber auch. Nur Freiheitliche eben nicht.

Fünftens legen Rechte großen Wert auf Traditionen und Kultur, auf die Bewahrung der Sprache, auf angemessene Kleidung und Benehmen, auf ein Bewusstsein für die eigene Geschichte, auf christliche Werte und abendländische Identität.

Da ist das Bewahrende, womit ich mich gut identifizieren kann, solange das Ganze noch freundlich und offen für fruchtbare Einflüsse von außen und für zukunftsorientierte Weiterentwicklung bleibt und nicht spießig wird. Hier gibt es aber sicherlich eine große Kompatibilität zwischen Libertären und Rechten. Und hier tun Libertäre den Rechten besonders gut, indem sie sie vor geistiger, wirtschaftlicher und kultureller Abschottung bewahren.

Rechte befürworten laut Grok sechstens hierarchische Strukturen und Autorität, sei es durch Verdienst, Tradition oder natürliche Ordnung.

Hier würde ich lieber zwischen natürlicher und amtsgebundener Autorität unterscheiden, also zwischen auctoritas und potestas. Mit letzterer Autorität, die durch Pöstchen erworben und mit Amtsgewalt verteidigt und durchgesetzt wird, habe ich ein Problem, weil ich mich nur freiwillig unterordnen will und Zwang und Gewalt grundsätzlich ablehne. Das libertäre Verbot initiierender Gewalt steht im klaren Gegensatz zu starren, hierarchischen Institutionen auf allen Ebenen des Staats. Libertäre sind ganz schlechte Untertanen … und in dieser Hinsicht eindeutig nicht rechts.

Siebtens sind Rechte Individualisten und betonen den Eigentumsschutz, sagt Grok. Sie betonen individuelle Freiheit, Selbstverantwortung und Privateigentum gegenüber kollektiven, staatlichen und gemeinschaftlichen Lösungen.

Wenn das rechts ist, sind alle Freiheitlichen in diesem Punkt rechts. Ich kann das aber nicht so recht glauben, weil ich Rechte häufig als besonders staatsgläubig und kollektivistisch erlebe und sie auch kein Problem mit der Verstaatlichung von Privateigentum und Lebenszeit haben, wenn es dem dient, was sie „Gemeinwohl“ oder gar „Volkswillen“ nennen, etwas, das Libertäre als Gespenst empfinden. Ich glaube, hier verirrt sich Grok.

Aber hier verirren sich auch ganz viele Linke und viele Opportunisten aus der Mitte, die die Zuschreibung „Rechts“ nicht zur Orientierung und zum Verständnis verwenden, sondern eher mit dem Wunsch verbinden, Mitmenschen abzuwerten und auszugrenzen, um ihren eigenen Selbstwert in Relation zu den anderen durch deren Erniedrigung zu erhöhen: Also sich moralisch überlegen zu fühlen.

In Wahrheit sind Positionen, die heute als rechts gelten, noch vor dreißig Jahren unbestrittene mittige Positionen gewesen, über die ein breiter Konsens in der Gesellschaft, in den Parlamenten und Regierungen herrschte. Und Positionen, die heute im Staatsfernsehen als alltägliche Normalität ausgegeben werden, galten damals als linksradikal, sozialistisch, kommunistisch.

Man kann also mit gutem Grund argumentieren, dass wir „normalen“ Leute in der Mitte der Gesellschaft heute immer noch genauso denken wie früher, nur eben heute als rechts gelten – einfach weil wir nicht links sind.

Die Zukunft ist weder links noch rechts

Der Vergleich freiheitlicher Positionen mit dem, was Grok als rechts bezeichnet, liefert also ein klares Jein: Libertäre können mit Rechten, sie bilden das, was Goebbels verächtlich als den „Bürgerlichen Block“ bezeichnet hat. Aber sie unterscheiden sich dennoch klar voneinander, wo nämlich Rechte den Libertären zu kollektivistisch, zu hierarchisch und zu staatsgläubig sind.

Aus der Perspektive eines Linken sieht aber alles, was nicht links ist, einfach aus wie rechts. Libertäre als rechts zu verunglimpfen ist für Linke auch durchaus eine strategische Position, denn der natürliche Feind eines Kollektivisten ist der Individualist, der Feind eines Autoritären ist der Libertäre. Darum hassen Grüne die Freiheitlichen wie die Pest. Der größtmögliche Gegensatz im politischen Spektrum ist der zwischen Grünen und Freiheitlichen.

Der von den Linksgrünen ausgerufene „Kampf gegen Rääächts“, in dem die Freiheitlichen mitverwurstet werden, ist nichts anderes als eine linksextreme Rufmordkampagne gegen alle in der Mitte der Gesellschaft, die für Linksextreme nicht links genug sind. 

Sie ist erfolgreich, weil sie so aggressiv ist, dass Bürgerliche davor zurückschrecken, sich zu wehren. Denn wer sich dagegen wehrt, wird automatisch als „Rääächts“ denunziert und auf Ebene der sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen angegriffen. 

Viele unterwerfen sich deshalb lieber oder verstummen und verstecken sich. Andere Bürgerliche machen als willige Hilfstruppen der Extremisten mit beim Rufmorden und Zersetzen, je nach Charaktereigenschaften.

In der daraus resultierenden lautstarken Polarisierung der Gesellschaft, wo nur noch autoritäre Grüne links und der autoritäre Teil der AfD rechts Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit dominieren, wird die Stimme der vernünftigen produktiven Mitte unhörbar. Sie wird von keiner Partei mehr repräsentiert. Das Motto „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ wird an beiden Polen durchgesetzt.

Diese die Gesellschaft zerreißende Polarisierung wird erst aufhören, wenn sich ein dritter Pol ausbildet, der weder links noch rechts, sondern freiheitlich ist. Also nicht kollektivistisch-autoritär, sondern individualistisch-libertär.

Dieses neue Gravitationszentrum muss zu Beginn, wenn es wächst, aushalten, von beiden autoritären Polen massiv angefeindet zu werden. Wenn es sich durchsetzt und in Parlamenten und Regierungen politisch aktiv wird, kann es die Gesellschaft zu einer friedlichen, pluralistischen, bürgerlichen Renaissance der wirtschaftlichen und kulturellen Fruchtbarkeit führen, weil sich dann auch die opportunistische Mitte endlich nicht mehr von den Linksextremen am Nasenring durch die Manege ziehen lässt.

Wenn es sich nicht durchsetzt, wird das Land von Extremisten zerstört werden und in Krieg, Knechtschaft, Armut und Zerfall versinken.


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