16. Oktober 2024 10:00

Vielleicht etwas auf die Bremse treten Drohen Robotik und KI den Menschen zu „antiquieren“?

Oder: Träumen Blüten von elektrischen Bienen?

von Axel B.C. Krauss

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Bildquelle: Kitoumi / Shutterstock Keine Science-Fiction mehr: Werden demnächst „Robobees“ Blüten bestäuben?

Nimmt man sich die Zeit, aktuelle Forschungsarbeiten und Studien zu Themen wie der rasant fortschreitenden Automatisierung und vor allem den möglichen ökonomischen und sozialen Folgen einer beschleunigten Einführung von KI-Systemen anzuschauen, könnte es passieren, dass man regelmäßig nach Luft schnappt wie ein Goldfisch, dessen Glas vom Fahrtwind eines Hochgeschwindigkeitszuges umgeworfen wurde.

Während das Genre der Science-Fiction in der Popkultur – in Büchern und Filmen – bereits seit Jahrzehnten Fragen nach der Interaktion zwischen Mensch und Maschine, dem Ersatz des Menschen durch „Replikanten“ (siehe Ridley Scotts „Blade Runner“ von 1982) oder Roboter („I, Robot“), der Manipulation des menschlichen Bewusstseins („Total Recall“, „Johnny Mnemonic“) oder seiner völligen Überführung in eine virtuelle Realität („The Matrix“) durchspielt, scheint die Realität – erst recht heute – den literarischen und filmischen Visionen hin und wieder sogar vorauszueilen.

Man muss deshalb zwar nicht gleich in den tiefsten Kulturpessimismus verfallen und die „Antiquiertheit des Menschen“ des deutschen Philosophen Günter Anders in Form finsterster Wolken am Horizont heraufziehen sehen, doch das von ihm so genannte „Prometheische Gefälle“ – die Diskrepanz zwischen dem Tempo technologischer Entwicklungen und demjenigen der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins, das Anders zufolge im Straßengraben ratlos stehen bleiben und von seinen eigenen Schöpfungen im doppelten Wortsinn überholt werden könnte – ist angesichts mancher Dynamiken keine gänzlich unberechtigte Frage.

In einer Arbeit der Monash University im australischen Melbourne beispielsweise heißt es: „Nachdem sie uns von ‚unkreativer‘, routinemäßiger Arbeit und sturer Wiederholung befreit hat, verspricht die digitale Automatisierung, uns von der Kreativität und der Sozialität selbst zu befreien – von den Entscheidungen, die unsere sozialen und politischen Verpflichtungen verkörpern und reproduzieren.“ In der Arbeit wird außerdem festgestellt, dass durch die zunehmende Automatisierung mittels KI Entscheidungsprozesse weiter zentralisiert und kontrolliert werden könnten: „Da der Entscheidungsprozess selbst automatisiert wird, sollten wir uns vor der Machtkonzentration in den Händen derer hüten, die die Datenbanken kontrollieren und die Algorithmen schreiben. Sie werden nicht nur darüber entscheiden, wie Produkte hergestellt werden, sondern auch, wie die Gesellschaft funktioniert.“

Mir erschien wenig plausibel, warum Maschinen und künstliche Intelligenz dem Menschen sogar die Kreativität (!) abnehmen sollten – denn als jemand, der neuen Technologien eigentlich aufgeschlossen gegenübersteht und vor allem dazu neigt, statt sofort in Schwarzmalerei zu verfallen, zunächst die positiven Potenziale auszuloten, hatte ich die Hoffnung, dass durch die Befreiung des Menschen von Arbeiten (qua Mechanisierung und Automatisierung), die der Entfaltung seiner geistigen Möglichkeiten bislang im Wege standen, eigentlich eine Steigerung von Kreativität die Folge sein sollte. Wie so oft kommt es eben auch hier auf den Umgang des Menschen mit neuen Technologien an. Denn es gibt ja keinen Zwang, die eigene Kreativität an Maschinen und KI abzutreten – auch wenn gewitzte Autoren tatsächlich schon versucht haben, ihren Ausstoß pro Jahr dadurch zu erhöhen, nicht nur einzelne Kapitel, sondern gleich ganze Bücher (!) von der KI schreiben zu lassen und sie dann unter eigenem Namen herauszugeben.

Nichtsdestoweniger gibt es tatsächlich Bestrebungen, Menschen in vielen Berufsbereichen durch Robotik und KI zu ersetzen. Die entwicklungspolitischen Motive der Technokraten, die unter dem Banner des „Transhumanismus“ einem merkwürdigen, zuweilen fast schon pathologischen Fortschritts- und „Effizienz“-Zwang zu stehen scheinen dahingehend, Mensch und Technik unbedingt verschmelzen zu „müssen“, sollten mittlerweile bekannt sein – bis hin zu den doch arg verstiegenen Phantasien zum Beispiel des WEF-Hofhistorikers Yuval Harari, der bereits davon sprach, künstliche Intelligenz könne die „erste wahre Religion“ der Welt schaffen, da der Mensch sich in dieser Hinsicht bislang als wenig hilfreich, ja unkreativ erwiesen habe. Die Antwort auf die Frage, warum KI unbedingt auch in die Metaphysik vorstoßen müsse, blieb er allerdings schuldig.

Problematisch ist das extrem hohe Tempo, mit dem diese Innovationen breitflächig eingeführt werden sollen, auch deshalb, weil Antworten auf manche wichtigen Fragen nach den Folgen dieser „Veloziferik“ bisher nicht nur zögerlich eintrafen, sondern zuweilen noch kaum gestellt wurden oder gerade erst untersucht werden. Statt aber eine gründlichere Ursachenforschung zu betreiben, wird als Lösung für die neu entstandenen Probleme oftmals gleich wieder eine technologisch-technokratische angeboten – als handele es sich um einen Schnelligkeitswettbewerb, der nur durch weitere Beschleunigung gewonnen werden könnte – ohne die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass zumindest auf manchen Gebieten eine Entschleunigung die sinnvollere Option sein könnte.

Ein Beispiel: In einem vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Gesundheitsbericht über die möglichen schädlichen Auswirkungen von 5G auf den Menschen wurde festgestellt, dass es „ausreichende Beweise für negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit von Männern und begrenzte Beweise für negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit von Frauen“ durch drahtlose Strahlung im Bereich von 450 Megahertz bis sechs Gigahertz gebe. Als Lösung werden aber bereits neue Technologien entwickelt und vorgeschlagen, die sich schlimmstenfalls sogar als Brandbeschleuniger erweisen könnten. In seinem Artikel „EMF-Strahlenkrankheit, rascher Bevölkerungsrückgang und der Aufstieg der 5G-Roboter“ schreibt Sean Alexander Carney für das Portal „Safe Tech International“: „Forscher des Instituts für Integrative Nanowissenschaften am IFW Dresden haben eine Technologie namens ‚Spermbots‘ entwickelt, die sie im menschlichen Körper replizieren wollen, um Spermien mithilfe von ‚winzigen Roboteranzügen, die Spermien mobiler machen können‘, voranzutreiben. Die Technologie wird als ‚assistierte Reproduktion‘ eingestuft und richtet sich an Paare mit Kinderwunsch. Laut ‚ScienceAlert‘ handelt es sich bei diesen ‚Spermbots‘ um ‚Miniatur-Metallspiralen‘, die gerade groß genug sind, um sich vollständig um den Schwanz eines einzelnen Spermiums zu wickeln und ihm auf seinem Weg zur Eizelle zu helfen. Die Bots werden mithilfe eines von den Wissenschaftlern kontrollierten Magnetfeldes angetrieben. In einer Studie mit dem Titel ‚Umwelt- und Gesundheitsrisiken von Nanorobotern: Eine erste Überprüfung‘ wurden weitere Risiken hervorgehoben, darunter ‚(i) die Verwendung gefährlicher Materialien und UV-Licht in Nanorobotern‘ und ‚(ii) der Verlust der Antriebs-/Zielsteuerung‘. Die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen von Nanorobotern und robotischen Mikrosystemen auf die menschliche Bevölkerung sind unbekannt, könnten jedoch erheblich sein und die Menschheit in eine transhumane Existenz drängen, in der KI und Nanoroboter zur ständigen Überwachung des menschlichen Körpers eingesetzt werden.“

Es wird ferner angenommen, dass auch das mancherorten bereits beobachtete „Bienensterben“ einer außerordentlich hohen EMF-Belastung zuzuschreiben sein könnte, obwohl dafür gemeinhin – was auch sonst – der „menschengemachte Klimawandel“ verantwortlich gemacht wird. Und was wird als Lösung vorgeschlagen? Carney: „Während Bienen und andere Bestäuber aufgrund der EMF-Exposition sterben, werden heute Maßnahmen zur Unterstützung der Ökosysteme ergriffen – darunter der Einsatz von drahtlosen Robotern, um etwas zu bewirken. Laut howtorobot.com werden robotische Bestäuber eingesetzt, um natürliche zu ersetzen (Bevölkerungsersatz), die bekanntlich die Exposition gegenüber den Funksendern, die drahtlose Robotersysteme wie diese antreiben, nicht vertragen. Es wird angenommen, dass ‚diese Roboter, die die Aktionen von Bienen nachahmen, dazu beitragen können, Pflanzenpopulationen und die genetische Vielfalt in Ökosystemen zu erhalten … obwohl Bedenken hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und potenziellen Auswirkungen auf natürliche Bestäuberpopulationen bestehen‘.“

Es handelt sich dabei um sogenannte „Stickbugs“ – sechsarmige, KI-gesteuerte Bestäubungsbots. Lachen Sie ruhig. Das habe ich auch, als ich darüber las. Und dachte spontan an Philip K. Dick: Träumen Blüten von elektrischen Bienen? Mal sehen, wie lange es noch dauert, bis die Academy eine neue Oscar-Kategorie einführt: „Beste darstellerische Leistung in einer KI-Hauptrolle“. Klingt wahrscheinlich albern, aber man soll ja schon animatronische Pferde Schmieröl kotzen gesehen haben.

Es wird sogar schon über die Folgen einer sogenannten „Gesellschaft 5.0“ auf die Bevölkerungsentwicklung, die Geschlechter und Eheschließungen diskutiert. Carney: Die ‚Gesellschaft 5.0‘ ist laut Unesco die ‚supersmarte Gesellschaft, die eine vollständige Transformation unserer Lebensweise vorsieht. Die Gesellschaft 5.0 wird dazu beitragen, chronische soziale Herausforderungen wie eine alternde Bevölkerung, soziale Polarisierung, Entvölkerung und Einschränkungen im Zusammenhang mit Energie und Umwelt zu bewältigen. Autonome Fahrzeuge und Drohnen werden Menschen in entvölkerten Gebieten mit Waren und Dienstleistungen versorgen. Eine von ‚Elsevier‘ veröffentlichte Studie mit dem Titel ‚Roboter, geschlechtsspezifische wirtschaftliche Chancen und Haushaltsanpassung: Erkenntnisse aus China‘ stellt klar: ‚Diese Technologien [Roboter, KI, Automatisierung] ersetzen in erster Linie gering qualifizierte, körperlich anstrengende Tätigkeiten, die traditionell von Männern ausgeübt werden, und verbessern so die Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen, was entsprechend ihre Zufriedenheit mit dem wirtschaftlichen und häuslichen Beitrag der Männer im Haushalt mindert und ihre Prioritäten eher auf den beruflichen Aufstieg als auf Heirat und Geburt verlagert.‘“

Oder in Japan: „Da die Verbreitung von Robotern in der Gesellschaft Probleme für die Ehe (in Japan bereits ein Problem, da der Wert und die Identität der Männer in der Krise stecken) und anhaltende demographische Probleme (mit einer zunehmenden Zahl japanischer Männer, die auswandern) mit sich bringt, könnte die Gesellschaft 5.0 Japan zu tieferen sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen führen.“

Vielleicht wäre es angesichts all solcher Entwicklungen besser, ein wenig aufs Bremspedal zu treten, statt die von technokratischen Utopisten angestrebte totale Transformation der Welt unter stetem Verweis auf ihre angebliche Notwendigkeit in einem progressistisch erblindeten Temporausch forcieren zu wollen.

Um abschließend auf die Arbeit der Monash-Universität zurückzukommen: Ist künstliche Intelligenz überhaupt schon zu kreativen Leistungen fähig? Da ich natürlich neugierig war, stellte ich der aktuellen Version 4.0 von ChatGPT eine entsprechende Aufgabe. Wobei ich darauf achtete, der KI keine genaueren Vorgaben zu machen, beispielsweise durch Vorgabe einer Liste mit bestimmten Wörtern, die sie nutzen sollte, oder durch Eingrenzung mittels hochspezifischer thematischer Anweisungen. Ich wollte ihr also möglichst freie Hand lassen und stellte deshalb lediglich folgende Aufgabe: „Schreibe ein Gedicht von mindestens zwanzig Zeilen über das menschliche Bewusstsein nach Art von Rainer Maria Rilke“. Ich werde das Ergebnis nicht kommentieren – möge jeder Leser sich seine eigenen Gedanken dazu machen:

„In uns erwacht ein leises, tiefes Sehnen,
das ruhelos in alle Räume zieht. 
Es tastet sich durch Ängste und die Tränen, 
und oft versteht es selbst nicht, was es sieht. 

Ein Spiegel sind die Stunden, die vergehen,
und jede zeigt uns anders, wer wir sind.
Wir fragen, was in unsrer Brust geschehen, 
woher das Licht, das stets im Dunkel rinnt.

Das Innre, fremd und doch vertraut wie Träume,
die leise flüstern, wenn die Nacht beginnt,
ist uns ein Hort und labyrinthische Räume, 
in denen Zeit sich fließend neu erfind’t.

Die Stimme tief in uns, oft kaum zu fassen,
führt uns durch Schatten zu dem hellen Tor.
Wir können lieben, hoffen, loszulassen -
doch wo wir sind, scheint uns ein andrer vor.

Sind wir allein, im stillen Drang zu werden?
Sind wir verbunden durch ein Wort, ein Ziel?
Oh, welches Wunder webt sich doch auf Erden,
wenn sich das Ich im All zum Du enthüllt.

So dehnt sich aus das innere Reich in Weiten, 
kein Ende kennt es, keine Mauer steht. 
Es schafft und zeugt, nur um sich zu begleiten, 
und bleibt ein Fluss, der stetig weitergeht.“

Bis nächste Woche.


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