Ökonomie: Der Siegeszug der „Modernen Monetären Theorie“ (MMT)
… und ihre folgenschweren Konsequenzen
„Haushaltsdefizite des Staates sind kein Problem. Sie sind sogar gut für die Wirtschaft.“ Dies ist die Botschaft der sogenannten „Modernen Monetären Theorie“ (MMT – modern monetary theory). Eine solche Aussage klingt wie Musik in den Ohren der Politiker und kommt besonders den Sozialisten und Grünen unter ihnen sehr gelegen. Der Slogan, dass Defizite keine Rolle spielen und dass die Staatsausgaben keine Grenzen kennen, ist bei denjenigen, die mehr Staat, Krieg und öffentliche Wohlfahrt befürworten, sehr willkommen. Die MMT gelangte so auch nicht aufgrund ihrer wissenschaftlichen Qualität zur Bedeutung, sondern weil sie als Rechtfertigung für die Regierungen dient, nach Belieben Staatsausgaben zu tätigen. In den meisten Industrieländern geben seit Langem solche gesellschaftlichen Bewegungen den Ton an, die immer mehr Staatsausgaben fordern, sei es für den Umweltschutz, die Klimaziele, Verteidigung, für soziale Zwecke bis hin zu einem Grundeinkommen beziehungsweise zum „Bürgergeld“. In diesem Sinne ist die MMT die wirtschaftspolitische Leitidee der Industriestaaten geworden, von Europa über die USA bis nach Japan.
Die Idee, dass Defizite kein Problem sind, hat dazu geführt, dass der Staatssektor auf Kosten des Privatsektors wächst und damit der Produktivitätsfortschritt erlahmt und schließlich fällt. Die Reallöhne sinken, die Kaufkraft geht zurück und das Land verarmt. Diese Resultate sind in fast allen Industrienationen sichtbar geworden und dürfen nicht verwundern, denn die MMT dient der Finanzpolitik seit vielen Jahren als Leitstern. Wachsende Schuldenberge und stagnierende Produktivität sind ebenso Kennzeichen dieser Volkswirtschaften wie ein sinkendes Reallohnniveau.
Die Anhänger der MMT behaupten, dass die Regierung ohne Einschränkungen Staatsausgaben vornehmen kann. Defizite und Schuldenstand spielen keine Rolle. Es gäbe genug unausgeschöpftes Potenzial in der Wirtschaft, das durch die Staatsausgaben mobilisiert werden könne. Die Grundthese der MMT lautet, dass der Staat als souveräner Emittent seiner Währung nicht bankrottgehen kann, da er mit jeder Ausgabe seine eigene Währung schafft. Unzureichende Ersparnisse sind keine Grenze der Staatsausgaben, da die Haushaltsdefizite automatisch private Ersparnisse als Gegenstück hervorrufen. Da der Emittent der Landeswährung nicht bankrottgehen kann, weil der souveräne Staat immer so viel Geld schaffen kann, wie nötig ist, um seine Schulden zu bedienen, kann es auch keinen Staatsbankrott geben, zumindest insoweit, wie die Schulden in eigener Währung bestehen. In diesem Sinne liegt die Funktion der Besteuerung nicht darin, Staatseinnahmen zu generieren. Eine Währung ist für die Anhänger der MMT nicht in erster Linie ein Tauschmittel, sondern ein Schuldtitel staatlichen Ursprungs. Zur Finanzierung staatlicher Aktivitäten ist keine Erhebung von Steuern erforderlich, da der Staat durch seine eigenen Ausgaben Geld schafft. Die Besteuerung dient vielmehr als ein Instrument, wodurch die Bürger gezwungen sind, die jeweilige Staatswährung als Zahlungsmittel zu verwenden. Neben dieser Hauptfunktion der Steuern, so erklären die Anhänger der MMT, diene das Steuersystem dazu, der Wirtschaft Geld zu entziehen, wenn eine wirtschaftliche Überhitzung drohe.
Nach Vorstellung der Anhänger der MMT können alle öffentlichen Ausgaben entweder durch direkte Geldproduktion oder durch Staatsschulden finanziert werden. Der Staat kann Schuldtitel ausgeben und entsprechend das Geld sich selbst beschaffen, woraufhin die Regierung diese Schulden stets begleichen kann.
Staatsschulden stellen deshalb kein Problem dar, weil sie als Gegenstück den finanziellen Reichtum des privaten Sektors darstellen, der in die Staatstitel investiert. Daher absorbieren die Ausgaben des öffentlichen Sektors nicht nur keine Ersparnisse, sondern generieren im Gegenteil Einnahmen für den privaten Sektor. Die Anhänger der MMT behaupten, dass Staatsausgaben und Haushaltsdefizite nicht zu weniger privaten Investitionen führen und in Zukunft keine höhere Steuerbelastung nach sich ziehen. Der Staat ist frei von jeglichen fiskalischen Zwängen, da er jederzeit so viel Geld schaffen kann, wie er benötigt. Mehr noch: Durch die Budgetdefizite wird die Wirtschaft belebt.
Für die Befürworter von MMT sind die Staatsschulden keine Schulden im herkömmlichen Sinne, sondern stellen die akkumulierten Defizite der Vergangenheit dar und sind als solche eine Aufzeichnung des Nettobetrags an Währung, den eine Regierung im Laufe der Zeit geschaffen hat. Um diese Macht der Geldschöpfung zu verstehen, muss man die Zwänge der Schuldenobergrenzen aufgeben und auf die Forderung nach einem ausgeglichenen Haushalt verzichten. Die Übernahme dieser Vision würde die Regierung von falschen Beschränkungen befreien und den Weg zu unendlichem Wohlstand ebnen. Mit dem Wegfall der fiskalischen Beschränkung könne eine Regierung die Infrastruktur des Landes aufbauen, in Gesundheit und Bildung investieren, die innere und äußere Sicherheit gewährleisten, Einkünfte für diejenigen garantieren, die nicht arbeiten wollen, und als Bonus das Problem der umfassenden sozialen Sicherheit lösen. Bürgergeld für alle und eine blühende Volkswirtschaft gehen nach dieser Vorstellung Hand in Hand.
Wer meint, das sei zu schön, um wahr zu sein, hat recht. Die „moderne“ Geldtheorie ist weder modern noch eine Theorie. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht betrachtet, verdient der Glaube, dass man ohne Konsequenzen ausgeben kann, keine weitere Analyse. Als politische Erfindung allerdings ist die MMT angesichts des Aufstiegs des linksradikalen grün gefärbten Populismus eine der gefährlichsten wirtschaftspolitischen Ideen überhaupt und muss daher unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nicht zuletzt ist es auch so, dass es keine politischen Irrtümer gibt, die nicht auch Unterstützer aus dem akademischen Bereich finden, die entweder aus Blindheit oder Karrieresucht mitmachen.
Nach Auffassung der MMT kann eine Regierung nach Belieben Geld ausgeben und unbeschränkt Defizite aufweisen, ohne die privaten Investitionen zu verdrängen und künftige Generationen zu belasten. Ein solches Modell ist nicht nur theoretischer Unfug, sondern wird auch praktisch durch den mit einer solchen Politik verbundenen wirtschaftlichen Niedergang empirisch belegt.
Dem Modell der MMT liegt eine Ein-Sektor-Wirtschaft mit unbegrenztem Kapitalangebot zugrunde, deren einzige Einschränkung die Arbeit ist, wobei großzügige Einwanderung diesen Engpass beheben kann. Die Anhänger der MMT lassen bei ihrem Modell außer Acht, dass in der realkapitalistischen Wirtschaft von heute mit ihrem hohen Komplexitätsgrad es der Unternehmer bedarf, die unaufhörlich die Kapitalstruktur arrangieren und umorganisieren müssen, um Waren und Dienstleistungen bereitzustellen, die die Kunden wollen. Eine schrumpfende Privatwirtschaft bedeutet, dass es immer weniger private Unternehmen gibt, die diese Aufgabe bewältigen.
Die Anhänger der MMT gehen von einer makroökonomischen Gleichung aus, wonach die Subsektoren einer Volkswirtschaft sich stets ausgleichen müssen. Das ist zwar buchhalterisch richtig, sagt aber nichts über die absolute Gesamtgröße der Variablen und damit über die Höhe der Ungleichgewichte in den Teilsektoren aus. In welche Richtung die Kausalität verläuft, ist keine mathematische Frage, sondern eine Frage der Wirtschaftsanalyse, und ebenso ist die Auswirkung eines Haushaltsdefizits auf das Niveau der Wirtschaftstätigkeit keine mathematische, sondern eine wirtschaftswissenschaftliche Frage. Die Vertreter der modernen Geldtheorie argumentieren, dass die kausale Beziehung zwischen dem Defizit im öffentlichen Sektor und einem Sparüberschuss im privaten Sektor besteht. Unter der Prämisse eines ausgeglichenen Außenkontos besagt die zentrale Gleichung dieser Theorie, dass ein Defizit im öffentlichen Sektor zu einem Sparüberschuss im privaten Sektor führt. Dies ist jedoch kein gültiges Argument. Die Mathematik kann nichts über die Richtung der Kausalität sagen. Die Gleichungen liefern logische Implikationen wie etwa, dass ein Haushaltsdefizit einen Überschuss im privaten Sektor bedeutet, wenn die Exporte den Importen entsprechen. Eine solche Gleichung besagt aber auch, dass eine Staatsverschuldung, die die Wirtschaft in die Knie zwingt, mit einem entsprechenden Sparüberschuss im privaten Sektor einhergeht. Dieser Überschuss resultiert allerdings nicht aus einer Zunahme der Ersparnisse, sondern aus einem Rückgang der privaten Investitionen. Sinkende Investitionen im privaten Sektor bedeuten jedoch, dass sich die Wirtschaft im Niedergang befindet. Im Gegensatz zu den Befürwortern der modernen Geldtheorie erhöhen Defizite nicht die Ersparnisse, und Haushaltsdefizite und Staatsschulden spielen eine Rolle, und zwar eine bittere, wenn der Ersparnisüberschuss aus der Verdrängung des privaten Sektors als Folge einer geschwächten Wirtschaft resultiert, so wie es de facto der Fall ist.
Die Anhänger der MMT denken in buchhalterischen Größen, nach denen sich makroökonomisch die verschiedenen Subsalden zwischen öffentlichem Sektor, Privatwirtschaft und Außenwirtschaft ausgleichen müssen. Das ist selbstverständlich richtig, und insofern die Außenwirtschaft im Gleichgewicht ist, steht dem Defizit des öffentlichen Sektors notwendigerweise ein Sparüberschuss des privaten Sektors gegenüber. Was die Anhänger der MMT aber außer Acht lassen, ist das Niveau dieser Größen und der Fakt, dass dieser Sparüberschuss dadurch zustande kommt, dass die privaten Investitionen sinken und die Volkswirtschaft entsprechend schrumpft.
Für eine umfassende Kritik mit entsprechenden Literaturverweisen siehe:
Antony P. Mueller: „The Magic Money Tree: The Case Against Modern Monetary Theory (MMT)“, Research Paper Series Adam Smith Institute (ASI), UK, 2019, Available at SSRN
Antony P. Mueller: „Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie“ (KDP 2021)
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