Neujahrsgruß: Viel Glück, Gesundheit und Erfolg für 2025!
Oder genügt ein Strauß technokratischer Blüten?
von Axel B.C. Krauss
„Das ist aber zynisch!“, werden manche angesichts dieses Neujahrsgrußes vielleicht einwenden wollen. „Wie können Sie nach so einem Jahr von Glück und Erfolg sprechen?!“, könnten andere klagen. Ich bleibe dabei: Viel Glück, Gesundheit und Erfolg!
Was soll ich bitte sonst schreiben? Soll ich die politisch künstlich gedrückte Stimmung vielleicht noch weiter trüben? „Viele Unternehmenspleiten, weitere spannende Polykrisen-Events wie behördlich und/oder geheimdienstlich inszenierte oder zugelassene Terroranschläge zur Durchsetzung totalitärer Ziele wie der panoptischen Totalüberwachungs- und Kontrollgesellschaft, weitere elende Transformationskriege zur Einführung technokratischer Regierungen, täglicher Klima-Angstporno und massenmedial unermüdlich aufgebrezelte Drohkulissen vor neuen Pandemien!“?
Wenn ich das täte, wäre ich der Zermürbungsstrategie nicht nur auf den Leim gegangen, sondern würde sie ja noch aktiv fördern. Was ich natürlich ablehne. Ja, es scheint derzeit wirklich nicht sonderlich rosig auszusehen. Wie schon öfter in der Geschichte der Menschheit. Es kann aber keine Option sein, sich dem Fatalismus zu ergeben und Hoffnungslosigkeit zu verbreiten.
Dass der „Strauß technokratischer Blüten“ – „Blüten“ im doppelten Wortsinn – auch im neuen Jahr kultiviert werden wird, ist absehbar. Denn dass die Macht an Technokraten übergehen soll, ist ja nicht erst seit gestern bekannt. Da war es schon wieder, dieses Wort: Technokratie. Ständig redet dieser Krauss von Technokratie. Ich kann’s nicht mehr hören.
Ich hätte großes Verständnis dafür, sollte mir deshalb der Vorwurf gemacht werden, ich litte wohl unter einer Blickverengung und konzentriere mich zu sehr auf einen Begriff. Keineswegs, denn dahin soll die Reise nun mal gehen.
Oder glauben Sie, es sei nur eine bedeutungslose Laune der Geschichte, dass Obertechnokrat Elon, der übrigens aus einer technokratisch gesinnten Familie stammt (sein Großvater Joshua N. Haldeman war glühender Anhänger der Technokratie-Bewegung in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts), derzeit zu einem regelrechten Halbgott aufgebaut wird? CJ Hopkins lag nicht falsch, als er Ende 2024 vom „Musk-Kult“ sprach und ihm einen „schamlosen Fanatismus“ bescheinigte. Aber es ist kein Kult „aus dem Bauch“, er ist keiner vorübergehenden Laune oder Mode geschuldet, sondern soll die technokratische Regierungsführung populär machen und als „cool“ erscheinen lassen.
Es war der amerikanische Ingenieur William Henry Smyth, der der Technokratie ihren Namen gab. Und der mit anderen Technokraten die Auffassung teilte, dass die bisherigen politischen Systeme unfähig seien, die menschliche Zivilisation zu ihrer vollen Blüte zu führen. Nur ein Gesellschafts-„Management“ aus wissenschaftlich-technischen Experten könne dies vollbringen: „Wenn organisierte Wissenschaft, Technologie und spezialisierte Fähigkeiten in einem nationalen industriellen Management koordiniert werden, dann wird die wahre Zivilisation beginnen, das Zeitalter der sozialen Vernunft, die Technokratie“ (W.H. Smyth, „Technocracy Part III: Ways and Means to Gain Industrial Democracy“, 1919).
Diese neue Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung kann nur durch die Abschaffung des Kapitalismus erreicht werden: „Als das kriminelle Element des demokratischen Gesellschaftssystems macht Smyth den Kapitalismus aus. Dieser habe es zu verschulden, dass die Masse der Menschheit nicht die Früchte des Fortschritts kosten könne, welche die zunehmende Effizienz der Maschinen verspreche. Vielmehr habe er diese versprochene Freiheit eingeschränkt. Smyths Abgesang auf die ‚Institutionen des sozialen Unfriedens‘, die den menschlichen Fortschritt unter den Vorbehalt der privaten Bereicherung stellten, offenbart eine unübersehbare Nähe zur marxistischen Ideenlehre“ („Telepolis“, „Elon Musks geheime Vorbilder: Die Technokraten-Bewegung“, 28. November 2025).
Es entbehrt daher wahrlich nicht einer gewaltigen Ironie, wenn nun ausgerechnet ein Elon Musk von manchen als großer „kapitalistischer Unternehmer“ oder „Befreier“ gefeiert wird. Zum einen, weil er nicht zuletzt durch milliardenschwere staatliche (!) Subventionen so vermögend wurde, nicht nur durch gänzlich „freies Unternehmertum“; zum zweiten, weil er als angeblicher „Libertärer“ eine ganz erstaunliche Nähe und Verschwägerung mit staatlichen Institutionen wie dem Rüstungs- und Geheimdienstkomplex aufweist, und zum dritten, weil er, der doch für „Freiheit“ stehen soll, ein Portal wie „X“ betreibt, auf dem mittels künstlicher Reichweitenbeschränkungen alles weggefiltert wird, was nicht „passt“.
Mithin ist erstaunlich, wie viele Parallelen man zwischen den Ideen der frühen Technokraten und heutigen entdecken kann. Im „Telepolis“-Artikel heißt es weiter: „William Henry Smyth hat zwar den Namen geprägt, die Ursprünge der Technokratie-Bewegung sind aber nicht bei ihm zu suchen. Einer der größten Einflüsse auf die Bewegung war Edward Bellamys utopischer Roman ‚Looking Backward‘ (1888). Darin schildert der Autor eine utopische Gesellschaft im Jahr 2000, in welcher sich der Protagonist Julian West nach einem langen Schlaf aus dem Jahr 1887 in einer Gesellschaft wiederfindet, deren gesamte Industrieproduktion sich in (kollektivem) staatlichem Besitz befindet und von einer elitären Gruppe zentral verwaltet wird, die auf eine effiziente Ressourcennutzung spezialisiert ist.“ Jetzt wird’s spannend: „Ein allgemeines Grundeinkommen, verteilt über personalisierte ‚Kreditkarten‘, garantiert eine gemeinschaftliche Teilhabe an den Errungenschaften des technologischen Fortschritts und reduziert die menschliche Arbeit auf das Notwendigste zum Erhalt des Gemeinwohls.“
Ein allgemeines Grundeinkommen? Hm. Genau dieses „UBI“ (Universal Basic Income, „Universelles Grundeinkommen“) predigte doch auch Elon „Wir brauchen eine Kohlenstoffsteuer“ Musk in einer Podiumsdiskussion auf dem „World Government Summit“ 2017 in Dubai.
Also jetzt mal langsam. Ein Autor namens Edward Bellamy sprach in seinem Roman „Looking Backward“, der 1888 erschien, von einer Gesellschaft, in der die „gesamte Industrieproduktion sich in (kollektivem) staatlichem Besitz befindet und von einer elitären Gruppe zentral verwaltet wird“. Und nur ein paar Jahrzehnte später, Anfang der 1940er Jahre, schilderte ein Herr namens James Burnham in seiner Schrift „The Managerial Revolution“ genau dasselbe Szenario: „Burnham machte deutlich, dass nach dem Zweiten Weltkrieg noch viele weitere Kriege geführt werden müssten, bevor sich die Managergesellschaft endgültig durchsetzen könne. Dieser andauernde Krieg würde zur Zerstörung souveräner Nationalstaaten führen, sodass nur eine kleine Anzahl großer Nationen überleben würde, die in den Kernen von drei ‚Superstaaten‘ gipfeln würden. Eine wirksame Klassenherrschaft und Privilegierung erfordert zwar die Kontrolle über die Produktionsmittel, doch muss diese nicht durch individuelle private Eigentumsrechte ausgeübt werden. Die Manager werden ihre Kontrolle über die Produktionsmittel ausüben und bei der Verteilung der Produkte bevorzugt werden, und zwar nicht direkt durch Eigentumsrechte, die ihnen als Individuen zustehen, sondern indirekt durch ihre Kontrolle über den Staat, der seinerseits die Produktionsmittel besitzen und kontrollieren wird. Der Staat – das heißt die Institutionen, die den Staat ausmachen – wird, wenn man so will, das ‚Eigentum‘ der Manager sein. Und das reicht völlig aus, um sie in die Position der herrschenden Klasse zu bringen“ (Cynthia Chung, „Das Leben von James Burnham: Vom Trotzkismus über den italienischen Faschismus zum Vater des Neokonservatismus“).
Es müssten also „noch viele weitere Kriege“ geführt werden, um die Welt in die gewünschte Richtung zu bewegen, sie also im technokratischen Sinne zu „transformieren“. Wer weiß. Vielleicht wird so mancher der aktuellen Kriege ja gar nicht aus konventionellen Motiven geführt, wie es beispielsweise Stavroula Papst für den Ukraine-Krieg nahelegte. Oder vielleicht auch der Krieg im Gazastreifen. Wie bitte? Nun ja, die „Times of Israel“ brachte am 4. November 2024 einen Artikel, dessen Überschrift tatsächlich lautete: „Hamas, Fatah said to agree to set up technocratic administration for postwar Gaza governance“.
Zu Deutsch: „Hamas, Fatah sollen sich auf die Einrichtung einer technokratischen Verwaltung für die Nachkriegsregierung im Gazastreifen einigen“.
Boom goes the dynamite.
Wenn ein Musk und sein nicht weniger technokratischer Buddy Peter Thiel sich massiv in die US-Politik einmischen, wäre zu fragen: Haben die beiden Techno-Milliardäre einfach nur Langeweile oder soll hier genau die Art von „Governance“ schmackhaft gemacht und eingeführt werden, wie bereits vor vielen Jahrzehnten beschrieben?
Im ersten Teil seiner Artikelreihe „Technokratie auf dem Vormarsch“, „Warum es so wichtig ist, das Endspiel zu verstehen“, schreibt Autor Jesse Smith: „Auf der globalen Bühne kommt es zu großen Umwälzungen. Die Geschichte ist voll von Beispielen für Brüche mit der Vergangenheit durch große politische, wirtschaftliche, technologische und soziale Verwerfungen. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele eigennützige Einzelpersonen und Gruppen als Herrscher, Finanziers, Wohltäter und Vordenker positioniert, um den Wandel in die von ihnen bevorzugte Richtung zu lenken. Wir sind nun an einem weiteren historischen Wendepunkt angelangt. Der Wunsch nach politischem und wirtschaftlichem Wiederaufbau wird weltweit laut. In den letzten Jahren hat der Populismus Aufwind bekommen, indem er die Massen dazu inspiriert hat, die Herrschaft der ‚Elite‘ abzulehnen und einen neuen Kurs einzuschlagen. Ohne genaue Prüfung könnten diese Bewegung und ihre Schlüsselfiguren jedoch genauso gefährlich sein wie das Establishment, das sie zu übernehmen versuchen. Tatsächlich erleben wir nicht den Populismus im wahrsten Sinne des Wortes, sondern den Techno-Populismus oder die Technokratie, wie sie seit ihrer Entstehung im Jahr 1920 genannt wird. Technokraten geben nicht vor, eine repräsentative Regierungsform aufrechtzuerhalten. Ihr Ziel ist es, eine wissenschaftliche Diktatur zu errichten, um alle gesellschaftlichen Funktionen zu initiieren und zu kontrollieren. Technokraten distanzierten sich von Faschisten, Kommunisten, Sozialisten und anderen politischen Bewegungen und standen ihnen äußerst kritisch gegenüber, haben aber kein Problem mit ihrem eigenen totalitären Regierungsstil, der als Technat bezeichnet wird.“
Nur wenn man gute Richtungsangaben hat, kann man die Richtung auch ändern. Eine Leserin meiner Website fragte mich vorgestern: „Wie herausfinden aus den Ohnmachtsverhältnissen, in denen wir uns alle mehr oder weniger befinden?“ Es sind keine Ohnmachtsverhältnisse. Das reden Herrscher „ihren“ Beherrschten natürlich immer gerne ein: Fühl dich klein und unbedeutend, du kannst nichts ändern, akzeptiere den Status quo, du bist ohnmächtig, es ist nun mal so. Keineswegs. Denn Herrscher waren schon immer und sind heute noch in der Unterzahl. Wenn nur genug Menschen sagen, „Diese Richtung gefällt uns nicht!“, lässt sich sehr wohl viel bewegen.
Bis nächste Woche.
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