10. Januar 2025 18:00

Alle vier Jahre wieder: Wahlkampfkapriolen und Realsatire

Von leeren Worten und Versprechungen der Politiker

von Thomas Jahn

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Bildquelle: Flickr Merkels vollmundige Versprechungen im Wahlkampfjahr 2017: Was ist davon geblieben?

Die CSU musste vor einigen Jahren das Tagungszentrum im legendären Wildbad Kreuth verlassen und hält ihre Klausurtagung jetzt in Seeon, unweit des Chiemsees ab. Dieses Jahr wurde politisch einiges geboten. Der nahe Wahltermin am 23. Februar bestimmt die Rhetorik, vor allem in der seit Magdeburg wieder schrecklich präsenten Migrationspolitik. Laut einem Positionspapier der CSU sollen Migranten künftig nur noch in Deutschland bleiben dürfen, wenn sie ein auskömmliches Einkommen nachweisen können und sich straffrei verhalten. Für ähnliche Forderungen wird die AfD übrigens seit Jahren verteufelt und durch den Verfassungsschutz überwacht. Die CSU setzte aber mit einem plakativen „Wer straffällig wird, fliegt“ noch einen obendrauf und verspricht neuerdings „einen Knallhartkurs mit Zurückweisungen an den Grenzen, Schutzgewährung in Drittstaaten und konsequenten Abschiebungen“, was es laut Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zur Stärkung der inneren Sicherheit brauche. Das CSU-Papier sieht weiter vor: „Wer ein Verbrechen begeht oder vorsätzlich mehrfach straffällig wird, muss unser Land verlassen“ und wer nicht freiwillig ausreise oder abgeschoben werden könne, müsse „unbefristet in Abschiebehaft genommen werden können“. Spätestens jetzt dürfte die CSU die AfD weit rechts überholt haben, denn diese Art von unbefristeter Beugehaft gegen Ausländer fordert nicht einmal Björn Höcke.

Witzig ist auch, dass die CSU als Regierungspartei, vor allem, als sie von 2018 bis 2021 mit Horst Seehofer den Bundesinnenminister stellte, nichts (in Worten: null) von ihren heutigen Forderungen umgesetzt hat, trotz ähnlich besorgniserregender Zustände durch Terroranschläge wie 2016 am Berliner Breitscheidplatz und trotz aufsehenerregender Mordtaten wie der Fall Maria Ladenburger in Freiburg 2016 oder der Fall Mia V. in Kandel 2017.

Bundesinnenminister Seehofer und die Bundestagsfraktion der CDU/CSU wurden sogar 2019 in einem an den CSU-Parteitag gerichteten Antrag dazu aufgefordert, einen Gesetzesentwurf in den Bundestag einzubringen, der die Ausweisung eines straffälligen Ausländers als obligatorische Nebenstrafe oder Nebenfolge eines Strafverfahrens im Sinne des Strafgesetzbuches vorsieht. Entgegen dem aktuellen CSU-Getöse und der heißen Luft von Seeon hätte diese Reform die wirksame Abschiebung straffällig gewordener Ausländer tatsächlich ermöglicht und eine Vielzahl von Straftaten, wie zum Beispiel den aufsehenerregenden Mordanschlag in einem Regionalzug in Brokstedt oder den Anschlag von Magdeburg, mit großer Sicherheit verhindert. 

Zum Hintergrund muss man wissen, dass sich die Ausweisung von Ausländern derzeit nach den einschlägigen Regelungen des Aufenthaltsgesetzes bestimmt. Dabei handelt es sich um ein eigenes Verwaltungsverfahren, für das nicht die Justiz, sondern die örtlichen Ausländerbehörden zuständig sind. Daher ist die Ausweisung straffälliger Ausländer rechtlich kompliziert und nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, denn „automatische“ Ausweisungen straffälliger Ausländer sieht das Aufenthaltsgesetz nicht vor. Das zu berücksichtigende Ausweisungsinteresse muss in der Regel schwerer wiegen als das Bleibeinteresse. In jedem Einzelfall muss die zuständige Behörde daher eine komplizierte Abwägungsentscheidung treffen, die als eigener Verwaltungsakt über den Verwaltungsgerichtsweg, also über mindestens drei Instanzen gerichtlich angegriffen werden kann. Erst wenn eine rechtskräftige Ausweisungsentscheidung vorliegt, kann diese mit der sogenannten Abschiebung vollzogen werden. Dabei handelt es sich wieder um ein weiteres Verfahren, dem in der Praxis viele tatsächliche Hindernisse, wie fehlende Ausweisdokumente oder das Untertauchen der Betroffenen, entgegenstehen.

Mit der Einführung eines Gesetzes mit einer von dem zuständigen Strafgericht verpflichtend zu verhängenden Ausweisung des ausländischen Straftäters als Nebenstrafe könnte die Abschiebung des rechtskräftig verurteilten Ausländers als Strafvollstreckung durch die zuständigen Justizbehörden ohne weitere aufwendige Verwaltungsverfahren stark beschleunigt und vereinfacht werden. Vor allem könnten die Betroffenen nicht untertauchen – sie wären ja zumeist bereits in einer Strafhaft – oder immer weitere Rechtsmittel gegen die Entscheidung einer Ausländerbehörde einlegen.

Nun darf zum Schicksal des Parteitagsantrags C 11 vom 18./19. Oktober 2019 dreimal geraten werden. Natürlich wurde dieser Antrag nicht angenommen, sondern „zweiter Klasse beerdigt“, durch Verweisung in irgendein Gremium, das die Sache dann schnell begraben hat. Die CSU hätte also viel Zeit gehabt zu beweisen, dass sie es in Sachen Migration und innerer Sicherheit ernst meint. Stattdessen erlebt das Publikum die alle (vier) Jahre wieder aufgeführte Form einer schlecht gemachten Realsatire oder Schmierenkomödie. Noch weitaus mehr glänzen in diesem Fach übrigens SPD, Grüne und vor allem die FDP, die derzeit so tut, als hätte sie der aktuellen Bundesregierung nie angehört. Aber das ist eine andere Geschichte.    


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