03. Februar 2025 16:00

Gegen die antizivilisatorische Revolution Ein neuer Kreuzzug?

Barmherzigkeit, nicht Toleranz, ist ein christlicher Wert

von Robert Grözinger

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Bildquelle: Georgios_Kostomitsopoulos / Shutterstock.com „Progressiver/kommunistischer Aufstand in unserer Mitte“: Kommt es zu einem Kreuzzug dagegen?

Gestern jährte sich zum 120sten Mal der Geburtstag von Ayn Rand. Somit bin ich fast genau halb so alt wie sie – nur in diesem Jahr natürlich.

Hat natürlich nix mit nix zu tun, etwa mit dem kollektiven Nervenzusammenbruch, den die westliche Zivilisation gerade durchleidet. Oder vielleicht doch, denn es geht mir heute um die Notwendigkeit der Integration von Christentum und Libertarismus als Gegengift zum wuchernden Wahnsinn unserer Zeit. Der Anlass dafür ist ein auf der Webseite von „Lewrockwell.com“ vergangene Woche erschienener, hochinteressanter, wichtiger und mutiger Artikel. Dazu gleich sehr viel mehr.

Ich verdanke Rand einiges. Ich erinnere mich gut daran, wie elektrisierend es war, ziemlich am Anfang von „Atlas Shrugged“ – das erste Buch von ihr, das ich mir aneignete –, zu lesen, wie die Romanheldin Dagny Taggart auf die weinerliche Frage ihres dem Sozialismus zugeneigten Bruders, wer denn für eine riskante Aufgabe im von ihnen geführten Bahnunternehmen die Verantwortung übernehmen würde, forsch und entschlossen antwortete: „Ich!“   

Ich spürte damals, Ende der 90er Jahre, hier war etwas, was unserer Kultur bitter fehlte: Rand ergriff kompromisslos Partei für persönliche Verantwortung, Mut und Unternehmertum. Sie füllte damit eine riesige Marktlücke. Es war daher eine wahre Freude, diesen Roman zu lesen, ein echtes Labsal. Eine Oase in unserer kulturmarxistischen Wüste. 

„Atlas Shrugged“ war jedoch nicht mein erster Kontakt mit im weitesten Sinne echt freiheitlichem Gedankengut. Sonst wäre ich vielleicht objektivistischer Kultanhänger Rands geworden. Davor bewahrt haben mich die Schriften Roland Baaders, über die ich wenige Jahre vorher gestolpert war. Sie pflanzten in mir die Saat einer Sichtweise, die die Wurzel der Kultur individueller, aber verantwortungsbewusster und auf gesellschaftlichen Fortschritt ausgerichteter Freiheit im Christentum erkennt. Womit ich beim oben erwähnten Artikel wäre. 

Ich bin mit Brandon Smith, dem Autor besagten Artikels – siehe Link unten – einer Meinung, dass die internen Widersacher der westlichen Zivilisation – Sozialisten aller Art also – im Christentum ihren ärgsten Feind erkennen. Und das immer noch, obwohl das heutige Christentum entzahnt, entmannt und entkernt ist – zumindest im Westen, wo seine Kirchen zudem weitgehend entvölkert sind.

So sehr fürchten die Kollektivisten und Freiheitsfeinde die vor 2000 Jahren auf der Basis eines noch viel älteren Textes gegründeten Religion, dass sie sie trotz ihrer gegenwärtigen gestalterischen Schwäche nicht direkt anzugreifen wagen. Sondern stattdessen Strohmänner, für die sie dann versteckt und hintenrum das Christentum verantwortlich machen: „Sklaverei“ etwa, oder „Rassismus“ – genauer „weißen Rassismus“, denn anderen gibt es angeblich nicht – „Kolonialismus“, das „Patriarchat“ und so weiter.

Eine Weile lang dienten die Kreuzzüge als Beleg dafür, wie unmenschlich und gewalttätig im Kern das Christentum sei. Mit dieser Legende wurde schon vor Jahren aufgeräumt, wie Smith darlegt: Die Kreuzzüge waren eine „populistische“ Antwort der Christenheit auf die islamische Eroberung von christlichen Ländern, die Schleifung christlicher Städte und die Versklavung christlicher Menschen. Dass in Kriegen Unrecht und Gräueltaten geschehen, dass Opportunisten solche Lagen propagandistisch und monetär auszuschlachten wissen – nun, wer hätte das gedacht?

Smith weiter: „Ohne den Krieg zur Rückeroberung christlicher Länder würde Europa, wie wir es kennen, nicht existieren, und ein Großteil unserer Welt würde wahrscheinlich wie ein großes Taliban-Dorf aussehen. Diese beängstigende Aussicht wird durch Ausreißer, Ereignisse, die in einer Tragödie oder einem Verbrechen endeten, verdunkelt.“

Ob das mit dem Taliban-Dorf mehr als nur eine Überspitzung ist, ist fraglich. Aber dass Europa ohne die Kreuzzüge anders aussähe, und nicht unbedingt besser, steht außer Frage. Aufgrund dieses und ähnlicher Gegenargumente ist die westliche Kultur- und Bildungsindustrie – fest in den Händen der Sozialisten – in jüngerer Zeit dazu übergegangen, die Kreuzzüge kleinzureden und zu verschweigen. Anekdotisch kann ich bestätigen, dass viele junge Menschen im Westen heutzutage mit dem Begriff „Kreuzzug“ nichts anzufangen wissen.

Smith glaubt, dass der fortschreitende Versuch, die Geschichte der Kreuzzüge aus dem Gedächtnis zu streichen, darauf abzielt, „eine neue geeinte westliche Welt zu verhindern.“ Man könnte argumentieren, so Smith weiter, dass die Religion nicht mehr der einigende Faktor ist, der sie einst war, „und vor zehn Jahren hätte ich dem zugestimmt.“ Aber: „Die Dinge beginnen sich zu ändern, und wenn Sie ein scharfsinniges Auge haben, sehen Sie vielleicht, wie ich, eine Bewegung vor uns entstehen, die zunehmend spirituell und nicht säkular ist.“

Der Westen stehe am Rande eines Abgrunds, so Smith, der vermutet, „dass dies die Art von Moment ist, den Papst Urban II. im Jahr 1095 nach Christus erlebte.“ Urban II. war jener, der zum ersten Kreuzzug aufrief. Wenn von einem neuen Kreuzzug die Rede ist, muss das nicht automatisch echte Kriegshandlungen bedeuten. Sondern „lediglich“ Übernahme persönlicher Verantwortung, Mut, Forschheit, Entschlossenheit und Unternehmertum im Ayn-Rand‘schen Sinne.

Smith macht klar, dass er den Hauptgegner des Westens heute nicht bei „den Muslimen“ verortet. Nicht einmal bei den radikal-islamistischen Terrorbanden. Sondern in einem „progressiven/kommunistischen Aufstand in unserer Mitte, der von globalistischen Interessen finanziert wurde und Unternehmen und gemeinnützige Einrichtungen als Unterstützungsstrukturen für die Revolution nutzte.“ Diese würden Menschen nach Europa und Nordamerika locken, „mit der eindeutigen Absicht, unsere Zivilisation durch Überfremdung zu zerstören. Keine Regierung tut dies aus Versehen.“

Während Smith nicht ohne Grund zweifelt, ob in Europa noch ein wirkungsvoller Widerstand gegen die Vernichtung der christlich fundierten Zivilisation möglich ist, glaubt er an eine Erweckungsbewegung in Amerika: „Im Jahr 2025 werden viel mehr Menschen der linken Ideologie und dem Globalismus eher mit Verachtung als mit Lässigkeit begegnen. Die grenzenlose multikulturelle Agenda der Eliten stößt endlich auf erheblichen Widerstand, zumindest in den USA. Ich würde auch behaupten, dass das Interesse am Christentum und an der christlichen Geschichte wieder aufgelebt ist; eine natürliche Folge davon, dass die Amerikaner ihre westlichen kulturellen Wurzeln wiederentdeckt haben.“

Auch wenn ich Smith so weit folge, ein Wort zur Klarstellung: Schließung staatlicher Grenzen sind keine libertäre Forderung. Aber: Wenn der Staat erstens durch seine zwangsumverteilerische „Wohlfahrt“ immer mehr Personen anlockt, die sich nicht in der westlichen Zivilisation integrieren lassen (wollen oder müssen) und zweitens einen effektiven Schutz der eigenen Person, der eigenen Familie und des Eigentums verunmöglicht, dann wird jeder Vernunftbegabte eine effektive Grenzkontrolle als Notlösung begrüßen.

Smith erkennt die Gefahren einer sich in den Anfängen befindlichen kreuzzugsartigen Bewegung: „Die große Angst der Zentristen und Libertären ist, dass eine religiös inspirierte Bewegung zu einer Theokratie führen wird. Ich teile diese Befürchtungen. Ja, religiöse Institutionen können korrumpiert werden, weil Institutionen von Menschen kontrolliert werden, aber das gilt für alle Institutionen. Wie gut hat sich die säkulare Führung im letzten Jahrhundert bewährt? Ja, nicht so gut.“ 

Dem ist hinzuzufügen: Es ist gut möglich, dass die nächste große Herausforderung für Libertäre, nach der Niederwerfung der antizivilisatorischen Revolution, die Verhinderung einer Theokratie sein wird. Zumindest in den USA, vielleicht aber auch in Europa. Das Gegengift dazu lautet aber nicht Säkularismus. Der ist, als Zivilisationsfundament, krachend gescheitert. Das Gegengift lautet „Herrschaft des – gottgegebenen – Rechts“ statt gottgegebener Herrscher. Also: Herrschaft des Rechts mit dem unverzichtbaren Zusatz, dass diese Herrschaft von den in der Bibel dargelegten Grundgeboten untermauert sein muss – und deren göttliche Quelle allgemein anerkannt werden muss. Sonst ist sie auf Sand gebaut. Das ist im Wesentlichen die oben angedeutete Integration von Christentum und Libertarismus.

Nichts anderes meinte Roland Baader, als er seinen Artikel „Der Dekalog als Verfassung der Freiheit“ 1998 für die Ausgabe drei von eigentümlich frei verfasste. In diesem Ansinnen wird er unter anderem von seinem erzlibertären Wegbegleiter Professor Hans-Hermann Hoppe unterstützt, etwa in dessen Artikel „Auf der Suche nach einem historischen Narrativ“, veröffentlicht im Dezember 2018 bei ef-online (Links siehe unten).    

Wann immer heutzutage von robusterem Christentum die Rede ist, oder gar von einem neuen Kreuzzug, wird von links regelmäßig das Wort „Toleranz“ eingeworfen. Darauf antwortet Smith: „Toleranz bedeutet, die Verbrechen und Verstöße anderer zu ertragen, ohne eine schließliche Korrektur zu erwarten. Toleranz war niemals ein christlicher Wert. Vielmehr lehrt die Bibel Barmherzigkeit, und oft ist es barmherziger, ein schlechtes Verhalten zu korrigieren, als es weiter schleifen zu lassen.“

Quellen:

Do We Need A Final Crusade To Save the Western World? (Brandon Smith, lewrockwell.com)

Der Dekalog als Verfassung der Freiheit (Roland Baader, eigentümlich frei 3, 3. Quartal 1998, Seite 87 f., PDF)

Auf der Suche nach einem historischen Narrativ (Professor Hans-Hermann Hoppe, ef-online)


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