„Politische Bildung“: Über das Sympathisieren Jugendlicher mit der AfD
Die medial beschworene Gefahr „rechtsextremer“ Schüler
von Klaus Peter Krause drucken
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Munter ist das Leben, munter war der Wahlkampf. Den Endspurt der Parteien und ihrer Kandidaten für die Wahl am 23. Februar zum neuen Bundestag hat Vizepräsident Vance aus den USA erfreulich aufgemischt. Die Mainstream-Medien berichteten wutschnaubend, die alternativen Medien begeistert. Spürbar waren auch sonst die Unterschiede in ihrer Wahlkampfberichterstattung. Aber selbst dann, wenn sie das sachlich, nüchtern, unparteiisch und unabhängig taten oder zumindest zu tun versuchten, machten sich selbst in der bloßen Berichterstattung die politischen Sympathien der Redaktionen und wem sie gelten bemerkbar. Teils geschieht es unbewusst, teils bewusst, teils geschickt indirekt wie etwa durch einseitige Themenauswahl, teils offen direkt wie etwa durch „Framing“. Ein Beispiel von vielen, willkürlich herausgegriffen, fand ich jüngst in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“). Sie berichtet darüber, dass kurz vor der Bundestagswahl viele Jugendliche mit der AfD sympathisierten, und fasst ihren Bericht im Untertitel in der Frage zusammen: „Hat die politische Bildung an Schulen versagt?“
Das Projekt „Juniorwahl“ zur politischen Bildung in deutschen Schulen
Es geht um die Simulation der Bundestagswahl an Schulen mit dem Projekt „Juniorwahl“ zur politischen Bildung in deutschen Schulen. Das Projekt umfasst alle Schulformen (ohne die Grundschulen) von der siebten Klasse an und zählt inzwischen zu den in Deutschland größten Schulprojekten. Organisator ist seit 1999 der Verein Kumulus e.V. in Berlin, laut seinem Impressum gemeinnützig und überparteilich. Höhepunkt des Projekts ist ein real simulierter Wahlakt in der teilnehmenden Schule, jeweils parallel zu den echten Wahlen zu den Landtagen, zum Bundestag, ins EU-Parlament. Darauf vorbereitet werden die Schüler im Unterrichtsfach Politik/Wirtschaft. Näheres zu diesem Projekt bei Wikipedia (siehe untenstehenden Link).
24 Prozent der Schüler für die AfD: „Das war ein Schockerlebnis“
Aus dem „FAS“-Berichtgeht hervor, dass an diesem bildungspolitischen Großprojekt jetzt zur kurz bevorstehenden Bundestagswahl mehr als 7200 Schulen teilnehmen – so viele wie nie zuvor. Die beiden Autorinnen beschreiben einige Beispiele. So habe es zuletzt bei einer Juniorwahl zum EU-Parlament an einer Gesamtschule nahe Aachen zwei Sieger gegeben: SPD und AfD. Beide Parteien seien auf jeweils 24 Prozent gekommen. Die beiden Autorinnen zitieren den für die politische Bildung in der Schule Verantwortlichen Johann Bauerdick: „Das war ein Schock-Erlebnis.“ Natürlich meinen er und die beiden damit – zunächst missverständlich – nicht das SPD-Ergebnis, sondern jenes für die AfD und entsetzen sich gleich anschließend so: Und das „an einer Schule, die als ‚Schule ohne Rassismus‘ jeder Art von Ausgrenzung entgegentritt und sich intensiv mit Erinnerungskultur befasst“. Damit unterstellen sie der AfD Rassismus, ohne es direkt auszusprechen.
„Wissen die Jugendlichen, wem sie da hinterherlaufen?“
Und sofort geht es mit den Unterstellungen weiter: „Wie konnte es passieren, dass junge Menschen in großer Zahl mit einer Partei sympathisieren, die in Teilen gesichert rechtsextrem ist und vom Verfassungsschutz beobachtet wird? Dass die AfD früher als andere Parteien ihre Wahlkämpfe in den sozialen Medien geführt hat, ist das eine. Das andere ist die Frage: Wissen die Jugendlichen, wem sie da hinterherlaufen, sind sie ausreichend informiert? Fehlt es an politischer Bildung? Und was heißt es für den Unterricht, wenn in den Klassen ein beträchtlicher Teil die AfD wählen würde?“ Auch zitiert der Bericht eine hessische Berufsschullehrerin: Sie werde beinahe täglich mit rassistischen und AfD-verherrlichenden Äußerungen konfrontiert, und das, obwohl in ihren Klassen ein hoher Anteil migrantischer Schüler sitze. In einer Gesamtschule in der Nähe von Cottbus, so wird eine Lehrerin von dort zitiert, hätten 2024 bei der Juniorwahl anlässlich der Landtagswahl in Brandenburg etwa 50 Prozent der Schüler für die AfD gestimmt.
Aber könnte es nicht sein, dass die politische Bildung in Schulen überhaupt nicht versagt, sondern funktioniert?
Klar, Zeitgenossen, die sich den Narrativen des politischen Mainstreams ausliefern, die dessen Indoktrinationen ausgesetzt und dessen Denkblockaden verhaftet sind, haben die Ursache schnell parat: Im schulischen Politikunterricht wurde vor der AfD nicht gewarnt, folglich hat die politische Bildung versagt. Auf die Idee, dass die politische Bildung in Schulen vielleicht überhaupt nicht versagt, kommen die beiden Autorinnen und die von ihnen befragten Lehrkräfte nicht, sondern dass sie im Gegenteil funktioniert, also ebendas leistet, was sie leisten soll, nämlich politischen Sachverstand zu entwickeln, zum politischen Urteilsvermögen zu verhelfen, dieses zu schärfen, kritische Distanz einzunehmen, Dargebotenes zu hinterfragen, Diskriminierungen zu erkennen, sich gegen Indoktrinierungen zu wehren und – eben darum AfD wählen.
Insofern wäre das Junior-Wahlergebnis positiv zu werten, nicht negativ
Wenn es rund 22 Prozent repräsentativ befragter Wähler in Deutschland aus guten und belegten Gründen für dringend notwendig halten, am 23. Februar die AfD zu wählen, kann es so abwegig nicht sein, wenn auch Schüler zu dieser Ansicht gekommen sind, und dass sie wohl doch über sachdienliches, demokratisches Urteilsvermögen verfügen sowie sich vom politischen Mainstream nichts vormachen lassen. Wenn also in einer Junior-Wahl 24 Prozent beziehungsweise gar 50 Prozent der Schüler die AfD gewählt haben, wäre auch die zur „FAS“ gegensätzliche Bewertung schlüssig: Dann wäre der politische Unterricht, zumindest für diesen Teil der Schüler, durchaus erfolgreich gewesen, er hätte also nicht versagt. Und wenn er denn versagt haben würde, dann (unter dem hier dargelegten Standpunkt) allenfalls beim anderen Teil der Schüler. Insofern wäre das Junior-Wahlergebnis positiv zu werten, nicht negativ. Das passt allerdings nicht in die vorgegebenen Narrative und Indoktrinationen, wie sie heute noch vorherrschen, aber morgen oder übermorgen wahrscheinlich nicht mehr.
So wird Versagen zur Ansichtssache
Der ganze Artikel der „FAS“ steht für den Leser unter dem Eindruck, zu vermitteln, dass das Sympathisieren der Schüler mit der AfD schlecht und zu verhindern sei. In und zwischen den Zeilen wabert und schimmert er unübersehbar durch. Es ist das, was heutzutage kurz „Framing“ genannt wird. Allerdings sind die AfD-Sympathien in der Jugend nicht monokausal erklärbar und nicht einseitig einem schulischen Politikunterricht zuzuschreiben, der vielleicht doch nicht versagt. Oder falls er tatsächlich versagt, dann ließe sich die Hinwendung der Schüler zur AfD als eine Trotzreaktion und ein Auflehnen gegen Indoktrinierungen erklären. So wird Versagen zur Ansichtssache.
Was die „FAS“-Leser nicht erfahren
Bezeichnend für den Mainstream-Geist im genannten Blatt ist, dass sich die Autorinnen unter den vielen Schulen, die am Juniorwahl-Projekt teilnahmen, nur zwei Schulen herausgepickt haben, nämlich die beiden, an denen 24 und 50 Prozent der Schüler für die AfD votierten. Gerne würde man auch erfahren haben, wie repräsentativ das denn überhaupt ist – für die Schulen und für die AfD. Wie sehen die Junior-Wahlergebnisse an den anderen Teilnahme-Schulen aus? Wie viele Schüler haben ihre Stimmen dort an die Parteien CDU/CU, AfD, SPD, Die Grünen, FDP, Die Linke, BSW et cetera vergeben? Davon erfahren die „FAS“-Leser nichts. Und sollten dort die Schüler Unionspartei, Grüne und SPD stark bevorzugt haben, müsste man nicht gerade das als ein Versagen des politischen Unterrichts werten, weil doch eben diese Parteien den Niedergang Deutschlands nachweislich bewirkt und zu verantworten haben?
„FAZ“: Die Lehrerin schätzt: Jede zweite Schülerstimme geht an die AfD
Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog des Autors.
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