Abwärtsspirale: Bildungsnotstand ganz unten
Wie es in den Berufsschulen zugeht
von Oliver Gorus
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Ein immer größerer Anteil der Jugendlichen erreicht Abitur und Realschulabschluss. Vor 25 Jahren erwarb laut Statistischem Bundesamt etwas mehr als ein Fünftel der Schüler die Hochschulreife, heute sind es 35 Prozent. Der Anteil der Schüler mit mittlerer Reife stieg im selben Zeitraum von 40 auf 44 Prozent. Wie wir wissen, sind die Schüler nicht etwa schlauer geworden, vielmehr wurde dieser Zuwachs der höheren Schulabschlüsse mit einer drastischen Absenkung des geforderten Niveaus erkauft. Die Schulen wurden schlechter, die Schüler auch, aber dafür kommen mehr durch.
Im Umkehrschluss sank die Zahl derjenigen, die nur einen Hauptschulabschluss oder gar keinen Schulabschluss erreichen, ebenso deutlich. Vor 25 Jahren schaffte mehr als ein Drittel der Schüler nur den niedrigsten Schulabschluss oder gar keinen. Heute betrifft das nur noch wenig mehr als 20 Prozent der Jugendlichen.
Wenn die besseren Schüler heute zahlreicher sind, aber weniger draufhaben als früher, stellt sich die Frage: Was machen eigentlich diese nur schlecht schulgebildeten Kids? Wie läuft das so bei denen? Wie sind deren Aussichten und wie kümmert sich der Staat um sie, wenn er sich schon anmaßt, das Bildungssystem zu monopolisieren?
Denn eigentlich müssten die beruflichen Aussichten für Jugendliche, die mit der Schule auf Kriegsfuß stehen, gar nicht so schlecht sein. Durch die demographische Horrorkurve, also den Kindermangel, haben viele Handwerksbetriebe keine Nachfolger, überall fehlt es an Lehrlingen, Gesellen oder einfach nur an ungelernten Hilfsarbeitern. Einen guten Job als Dachdecker, Installateur, Gärtner oder Erntehelfer kann man auch machen, wenn man in Mathe eine sechs hatte. Dass für die Meisterschule mehr gefordert ist, versteht sich, aber auf dem Bau oder auf dem Feld kann nicht jeder Kapo sein.
Nun verzichten zwei meiner Kinder, gegen den Trend, trotz guter Abiturnoten auf ein Studium und wurden Handwerker – dadurch habe ich ein wenig Einblick in diese Welt. Und der ist ernüchternd.
Wir Deutschen waren mal weltberühmt für die Qualität der dualen Ausbildung in Betrieb und Berufsschule. Ein deutscher Handwerker konnte überall auf der Welt anheuern, weil es für gute Leute immer Arbeit gibt. An den Berufsschulen lehrten erfahrene und kompetente Berufsschullehrer, die aus dem jeweiligen Handwerk kamen und die teils Identifikationsfiguren für die Jugendlichen waren. Hier konnten schlechte Theoretiker, die in der Schule oft fehl am Platze waren, durch ihre praktischen Talente punkten und aufblühen. Es war das Terrain, in dem viele Kids so richtig was aus sich machen konnten, wo sie Stolz und Selbstbewusstsein tanken und ein Leben mit selbstverdientem Geld aufbauen konnten.
Heute sind die Klassen verstopft mit unmotivierten Losern, die zwar irgendwie bei einem Betrieb mit Personalnot einen Ausbildungsvertrag bekommen haben, ihn aber wohl nur mit Ach und Krach oder gar nicht bis zum Ende erfüllen werden. Die Abbrecherquoten sind teilweise schockierend. Und die Stundenpläne sind löchrig wie Schweizer Käse, ständig fehlen Lehrer, die Berufsschüler hängen immer wieder rum, werden irgendwie beschäftigt und langweilen sich.
Je nach Ausbildungsberuf gibt es immer noch teilweise sehr gute Berufsschullehrer, die durch ihre Erfahrung im „echten Leben“ oft bessere Vorbilder als die Lehrer an Gymnasien sind, aber sie können einem auch irgendwie leidtun, denn sie müssen den Lehrermangel und die vielen Ausfallzeiten stopfen und sich mit den unmotivierten Lehrlingen rumschlagen. Das Niveau wird runtergezogen, auch für die ambitionierten Lehrlinge.
Zudem: Etliche Bildungsaverse, Ausländer mit mangelhaften Deutschkenntnissen und Kein-Bock-Schüler, mit denen die Lehrer in den Gesamtschulen nicht zurechtkommen und die außerdem auch keine Berufsausbildung schaffen, werden an den Berufsschulen in „Berufsvorbereitungsklassen“ geparkt und verwahrt und stehen dort den Bildungswilligen im Weg rum. Warum? Weil in Deutschland Schulzwang herrscht!
Sie müssen ihre Zeit absitzen, um die zwölf Beschulungsjahre rumzukriegen. Eigentlich müssten diese Kids sinnvollerweise arbeiten statt zur Schule gehen. Und zwar einfache Arbeiten, Hilfsjobs. Die Jugendlichen würden sich genau dann einen gewissen Fleiß antrainieren, wenn sie die Jobs bräuchten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aber das muss in Deutschland niemand mehr, die heilsame Notlage wird verhindert durch die dekadente Umverteilung. Wer arbeitet, gilt in diesen Kreisen als Depp, denn es geht ja auch ohne.
Noch mal verschärft und verschlimmert, ja, unmöglich gemacht wird die ganze Situation der untersten Bildungsschichten durch den Mindestlohn: Die Jobs für Hilfsarbeiter sind schlicht weggefallen, weil niemand mit solchen Jobs ausreichend Wertschöpfung erzielen kann, die zwölf oder gar 15 Euro pro Stunde wert ist. Und schon gar nicht bei diesen horrenden Steuern und Abgaben.
Mit anderen Worten: Die Politiker der Regierungsparteien der letzten 25 Jahre haben systematisch dafür gesorgt, dass die Bürger in den untersten Bildungsschichten überhaupt keine Chance mehr bekommen und dass auch die eher handwerklich Begabten in ihrem Fortkommen behindert und gestört werden. Sie alle werden von den staatlichen Akteuren der Regierungsparteien nicht wertgeschätzt, sondern verraten und vergessen.
Meine Söhne kommen da locker durch, der eine macht bereits seinen Meister, aber sie können nur den Kopf schütteln, wie schlecht das staatliche Bildungssystem mit ihnen und ihren Kollegen umgeht und wie wenig effektiv das Ganze für den Arbeitsmarkt ist. Das Handwerk wird in Berlin ganz offensichtlich geringgeschätzt, die Damen und Herren Parteifürsten schauen mit gerümpfter Nase auf die Leute herab, die für sie in die Abwasserrohre greifen, den Boden unter ihren Füßen verlegen oder ihr Auto am Laufen halten.
Dabei haben etliche der Abgeordneten im Bundestag selbst keinen Beruf gelernt und können weniger als ein Hilfsarbeiter in der Landschaftsgärtnerei. Die Kultivierung des Lebens auf Kosten anderer funktioniert eine Zeit lang mit erzwungenen Transfers von den produktiven zu den parasitären Lebensentwürfen ganz unten und ganz oben in der sozialen Hierarchie, aber sie zerstört die Gesellschaft von innen.
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