23. März 2025 06:00

Altersvorsorge Die Saga von „Die Rente ist sicher“

Eine Frage der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft

von Antony P. Mueller

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Bildquelle: Matej Kastelic / Shutterstock Rentenkrise: In Zukunft noch mehr Altersarmut?

Über das System der gesetzlichen Rentenversicherung ist der Irrglaube weitverbreitet, die zukünftige Auszahlung sei das Ergebnis der individuell erfolgten Einzahlungen, als ob die Rentenversicherung nach dem Muster eines Sparkontos organisiert sei. Tatsächlich ist es aber so, dass das System der sozialen Sicherung nach dem Prinzip eines Kettenbriefs funktioniert. Die gegenwärtig Aktiven zahlen in die Kasse ein, wobei die eingehenden Zahlungen mit einer gewissen Schwankung sofort wieder an die Inaktiven ausgezahlt werden. Hier wird nichts gespart und nichts investiert. Schrumpft die Zahl der Einzahlungen, gerät das System ins Defizit. Für die zu spät in die Rente Kommenden bleibt immer weniger zur Auszahlung übrig. 

Das System funktioniert so, dass die Bürger zuerst gezwungen werden, in eine gemeinsame Kasse einzuzahlen, um daraus dann für später einen „Anspruch“ auf eine Auszahlung zu erwerben. Dabei verspricht der Staat etwas, was er selbst gar nicht erbringen kann: nämlich die entsprechende Wirtschaftsleistung, denn Umverteilung funktioniert nur insoweit, wie es überhaupt etwas zum Verteilen gibt, also im Privatsektor erwirtschaftet wird.

Die staatlichen Altersrenten werden zunehmend niedriger ausfallen als bisher. Die Regierung ruft zur Privatvorsorge auf. Aber auch dies taugt nur bedingt zur finanziellen Altersvorsorge. Auch durch eine private Anlage lässt sich das Kernproblem nicht umgehen, dass der aktuelle Bedarf aus dem laufenden Sozialprodukt finanziert werden muss. Die Finanzierung der Sozialausgaben, gleichgültig, ob sie von staatlicher oder ob sie von privater Seite kommt, hängt stets von der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft zum Zeitpunkt der Leistungserbringung ab.

Wirtschaftliche Leistungen lassen sich nicht für spätere Zeiten aufheben. Das gilt für zukünftig benötigte Arbeitsleistungen und zukünftig benötigtes Sachkapital. Dienstleistungen lassen sich nicht „sparen“, und Sachkapital lässt sich nur für begrenzte Zeit konservieren. Ohne ständigen Um- und Ausbau durch unternehmerisches Handeln ist nach kurzer Zeit das vorhandene Sachkapital einer Volkswirtschaft obsolet. Investition und Innovation sind eine ständige Aufgabe. Innovation beinhaltet sowohl Warten wie Risiko. Effizientes unternehmerisches Handeln und Sparen sind die Grundlagen des wirtschaftlichen Wachstums.

Sparen aus der Sicht des privaten Haushalts ist jedoch nicht dasselbe wie Sparen im volkswirtschaftlichen Sinn. Wer in Lebensversicherungen, Sparbuch oder Anleihen sein „erspartes Geld“ anlegt, begreift dieses aus individueller Sicht als Sparen und spricht vielleicht sogar von „Investment“ – was hier aber tatsächlich geschieht, ist Geldverleih. Der Sparer ist Gläubiger der jeweiligen Träger und Banken. Der größte unter den Schuldnern bei diesen Anlageformen ist heute der Staat: die Bundesregierung, die Landesregierungen und die Gemeinden. An diese Gebietskörperschaften wird auch das meiste Geld verliehen, das die Lebensversicherungen, Sparkassen und Banken als Spargelder bekommen. Die von diesen Körperschaften aufgenommenen Kredite werden sofort wieder ausgegeben: für Gehälter im öffentlichen Dienst, für Sozialleistungen und andere konsumtive Staatsausgaben sowie für Zahlungen innerhalb der Europäischen Union und für andere Transferleistungen ins Ausland wie Entwicklungshilfe oder zur Unterstützung ausländischer Armeen. Volkswirtschaftlich betrachtet, wird hier nichts für die Zukunft aufgehoben. Soll der Staat die erhaltenen Kredite später bedienen, muss er sich das Geld dafür erneut bei seinen Bürgern beschaffen – durch höhere Steuern oder durch neue Kredite. Eine schwache Wirtschaft jedoch, die zudem unter dem Schwund ihrer erwerbstätigen Bevölkerung leidet, wird weder genügend Steuerleistungen erbringen noch ausreichend neue Spargelder zur Verfügung stellen können.

Der Einzelne kann durch persönlichen Spareifer zwar seine relative Position im späteren Versorgungsspektrum seiner Altersklasse verbessern, aber das Durchschnittsniveau der zukünftigen Erträge hängt davon ab, wie gut es um die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft zum Zeitpunkt der Rentenzahlungen bestellt sein wird. Mehr private Vorsorge ist zwar grundsätzlich wünschenswert, sie droht aber zur Illusion zu werden, wenn Regierungen Maßnahmen treffen, die die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit schwächen. Eine Volkswirtschaft wird nicht leistungsfähiger, indem man sie immer mehr reguliert und den Aktiven eine immer höhere Abgabenlast aufgebürdet wird.

Auch wer sein Geld in Aktien anlegt, entkommt dem Grundproblem der Altersvorsorge nicht. Liegt die Wirtschaft in Zukunft darnieder, werden auch die Unternehmensanteile nicht viel wert sein. Ebenso hilft das Investment in Aktienfonds da nicht viel weiter. Eine Risikominderung gibt es hier nur insofern, als die Schwankungen relativ zum Gesamtmarkt vermindert werden. Großen Bewegungen der Aktienmärkte aber entkommt man auch mit der Anlage in Fonds nicht.

Beim größten Teil des laufenden Aktienhandels handelt es sich um bloße Rotationen im Bestand. Hier wird nicht neues Produktivkapital geschaffen, sondern je nach Marktlage steigt oder fällt der der Kurs. Der Preis, der sich aktuell an den Börsen bildet, ist Resultat eines auf die am Markt befindlichen Wertpapiere begrenzten Handels. Der Bestand an Wertpapieren, der aktuell nicht angeboten wird, trägt zur Kursbildung nicht bei. Es ist also falsch, sich „reich zu rechnen“, weil gerade eine Hausse stattfindet. Man sollte eher einkalkulieren, dass es auch zu einer längeren Baisse zu dem Zeitraum kommen kann, wenn man altersbedingt Einkommen aus seinen finanziellen Anlagen benötigt.

Ob es beim Aktienkauf gelingt, auf Unternehmen zu setzen, die in ein paar Jahrzehnten hohe Gewinne erwirtschaften werden, ist von vielen Faktoren abhängig. Gilt ein Unternehmen bereits heute als zukunftsträchtig, ist sein Wertpapierkurs heute schon entsprechend hoch und folglich sind auch die erwarteten zukünftigen Dividenden schon „eingepreist“. Wird, wie etwa bei neuen Börsengängen, nur ein Bruchteil des gesamten Aktienbestandes emittiert, können sehr täuschende Bewertungen zustande kommen. Fangen dann die anderen Anteilseigner an, ihre zurückgehaltenen Bestände auf den Markt zu werfen, brechen die Kurse ein. Dieser Effekt kommt auch zustande, wenn die zyklische Bewegung am Aktienmarkt mit der demographischen Entwicklung einhergeht: Die Kurse steigen in der Phase, in der es viele Berufstätige gibt, die fürs Alter ansparen, und die Kurse fangen dann an zu sinken, wenn diese Generation in Rente geht.

Gegen die von der demographischen Entwicklung ausgehende Tendenz, dass das Durchschnittsniveau der Erträge in Zukunft eher sinken wird, kann auch der beste Fondsmanager nichts ausrichten. Dieselben ökonomischen Zusammenhänge bestimmen ebenfalls den Wert von Betriebsrenten. Wer noch glaubte, eine Investition in Immobilien sei sicher, wurde vor Kurzem eines Besseren belehrt. Für die Politik ist diese Unbeweglichkeit des Vermögens der Ansatzpunkt, um die Eigentümer nach Belieben zu schröpfen. Kryptowährungen sind nicht ortsgebunden, aber wegen dieser Mobilität sind sie auch sehr volatil. Ob Bitcoin die erwarteten Kurzgewinne einfährt oder ob der Preis auf den Emissionswert sinkt, wird sich zeigen. 

Die volkswirtschaftlichen Folgen einer alternden Gesellschaft lassen sich mit einer Verschiebung der Altersrente von der öffentlichen auf die private Vorsorge nicht aus der Welt schaffen. In seiner düsteren Konsequenz läuft es darauf hinaus, dass es für die große Mehrheit der zukünftigen Alten zunehmend schwieriger werden wird, ihren Lebensstandard zu halten.

Jede Volkswirtschaft ist nur bis zu einem gewissen Umfang imstande, einen nicht aktiv am Erwerbsleben beteiligten Bevölkerungsanteil mitzutragen – gleichgültig, ob und wie viele davon Rentner, Arbeitslose oder Empfänger von Bürgergeld sind. Angesichts der Rentenkrise kommt es entscheidend darauf an, den Anteil des beruflich aktiven Bevölkerungsteils so groß wie möglich zu halten. Eine demographische Minderung der Überalterung durch Immigration zu lösen, scheitert, wenn die Zuwanderung die Sozialkassen zusätzlich belastet. Es kommt nicht allein auf die Zahl der Jüngeren im Vergleich zu den Älteren an, sondern ob diese Jüngeren wirtschaftlich aktiv sind und wie hoch deren Produktivität ist. 

Mit der zunehmenden Überalterung der bundesdeutschen Bevölkerung gerät das System der gesetzlichen Rentenversicherung immer tiefer in die Krise. Ein Bankrott ist nur abzuwehren, wenn es der deutschen Wirtschaft zukünftig gelingt, hohe Produktivitätszuwächse zu erzielen, und wenn nur eine solche Art der Einwanderung zugelassen wird, die der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zuträglich ist. Dann wäre trotz Überalterung der Gesellschaft ein hoher Lebensstandard noch möglich. Für die Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland hängt alles an der Frage, ob die jeweiligen Regierungen so handeln, dass die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft steigt, oder ob nicht vielmehr die Politik Maßnahmen durchsetzt, die die Wirtschaft noch weiter schwächen, und dies, da die wirklich große Welle der Überalterung doch erst im Anrollen ist.

Wer seine Altersversorgung sichern möchte, muss an erster Stelle darauf achten, dass eine wachstumsfreundliche und produktivitätsorientierte Wirtschaftspolitik praktiziert wird. 

Antony P. Mueller. „Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik“ (2021)


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