04. April 2025 06:00

Krieg und Frieden – Teil 7 Handelskrieg und andere faule Metaphern

Kriege, die keine sind

von Stefan Blankertz

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Bildquelle: rafw8 / Shutterstock „Handelskrieg“: Ein Krieg, der keiner ist

Handel und Krieg sind Gegensätze. Die Aneignung von begehrten Gütern mit Gewalt ist Raub; Raub im großen organisierten Maßstab ist Krieg. Die Erlangung von begehrten Gütern durch Tausch ist Handel. Wer miteinander Handel treibt oder treiben will, wird sich nicht berauben und bekriegen. Wer sich beraubt oder bekriegt, wird nicht miteinander Handel treiben. Handel und Krieg schließen sich gegenseitig aus. So schlicht, so klar.

Diejenigen, die behaupten, Handel sei ein verdeckter Krieg, weil sich ja jeder Tauschpartner das Gut des Gegenübers lieber ohne eigene Leistung aneignen würde, wenn er es könnte, verkennen den Charakter der Tauschbeziehung. Tausch ist eine Beziehung, er konstituiert eine friedliche Gesellschaft. Wer in einer fortgesetzten Tauschbeziehung miteinander steht, lernt den anderen kennen, ist an seinem Wohlergehen und Wohlwollen interessiert, nimmt Abstand von Drohung, Erpressung und Betrug. Betrug, Erpressung und Drohung kommen als Störungen der Handelsbeziehungen vor, aber werden von der Gemeinschaft sanktioniert, sofern den Übeltäter kein Privileg der Staatsgewalt schützt; was oft vorkommt, denn das ist die Funktion jeder Staatsgewalt (sie hat keine andere Funktion).

Umgekehrt ist zu sagen, dass Krieg eine Unterbrechung des Handels darstellt. Aber nicht nur das – dem Krieg geht auch meist eine Unterbrechung des Handels durch Staatsgewalt voraus, denn Handelsbeziehungen lassen den anderen als Menschen erscheinen, nicht als Gegner. Zudem ist das eigene Wohlergehen vom Wohlergehen des Tauschpartners abhängig: Eine Unterbrechung des Handels würde bedeuten, auf die durch den Handel erlangten Güter verzichten zu müssen. Man muss sie ersetzen; das ist teuer und senkt das eigene Wohlergehen.

Eine Staatsgewalt, die aus welchen Motiven heraus auch immer an der Herstellung von Bedingungen interessiert ist, um einen Krieg führen zu können, wird natürlich niemals zugeben, Handelsbeziehungen aus diesem Grund zu kappen, denn die meisten Menschen sind unter den meisten Bedingungen gegen Krieg. Vielmehr wird behauptet werden, eine Unterbrechung oder zumindest Erschwernis des Handels sei dazu notwendig, um die eigene Bevölkerung zu schützen. Als Mittel der Wahl stehen Zölle, Quoten und Einfuhrverbote zur Verfügung. Zölle verteuern die eingeführten Güter und reduzieren so die Einfuhrmenge indirekt, Quoten reduzieren die Einfuhrmenge unmittelbar und Verbote unterbinden die Einfuhr komplett.

Zwei Formeln kehren in diesem Zusammenhang immer wieder: Die erste Formel behauptet, die Handelsbeschränkung schütze die Konsumenten vor minderwertigen Produkten, die zweite Formel besagt, sie schütze die einheimischen Anbieter vor Konkurrenz durch Billigprodukte. Beide Formeln sind falsch.

Zur ersten Formel, dem Schutz der Konsumenten vor minderwertigen Produkten: Wer miteinander eine Tauschbeziehung eingeht, wertet das erhaltene Produkt höher als das, was er gibt (in differenzierten komplexen Handelszusammenhängen meist Geld). Das erhaltene Produkt kann demnach nicht minderwertig sein; derjenige, der es eintauscht, wertet es gegenüber allen gegebenen Alternativen als die beste Möglichkeit. Der Schutz stellt sich als Bevormundung der eigenen Konsumenten durch die Staatsgewalt heraus.

Zur zweiten Formel, dem Schutz der einheimischen Anbieter vor Billigprodukten: Dies stellt einen klaren Fall der erwähnten Möglichkeit dar, dass die Staatsgewalt Betrüger privilegiert. Die einheimischen Anbieter wollen Produkte loswerden, die gegenüber der Importware entweder als qualitativ minderwertig angesehen werden oder die bei gleicher Qualität teurer sind. Dies können sie nur dann, wenn die Staatsgewalt eingreift und die besseren oder günstigeren Importwaren entweder teurer macht oder deren Einfuhr verhindert.

Ein altes Zusatzargument für Einfuhrzölle als Schutz vor Billigprodukten führte an, dass die einheimische Industrie noch nicht reif genug sei, um mit der Importware zu konkurrieren. Der Schutz durch den Zoll würde ihr Zeit verschaffen, um sich zu entwickeln, und die Einfuhrzölle könnten dann aufgehoben werden, wenn aus- und inländische Industrie einander gleichrangig seien. Das ist natürlich blanker ökonomischer Unsinn. Nur durch Konkurrenz reift oder entwickelt sich die Industrie. Eine abgeschirmte Industrie verharrt und ruht sich auf ihren Privilegien aus. Da die Länder, aus denen die Einfuhren kommen, meist nachziehen und ebenfalls Schutz- oder Strafzölle erheben, sieht die Bilanz stets zum allseitigen Nachteil aus. Ein schlimmes historisches Beispiel sind die USA im dritten Quartal des 19. Jahrhunderts als Vorgeschichte des Bürgerkriegs. Die Nordstaaten versuchten, ihre aufstrebende Industrie vor europäischer Konkurrenz durch Zölle zu schützen. Die europäischen Länder drohten daraufhin, die aus den Südstaaten importierte Baumwolle mit Zoll zu belegen. Da die Südstaaten ohnehin den größten Teil der Staatseinnahmen der USA aufbrachten, während der größte Teil der Staatsausgaben in die Nordstaaten floss, war eine Sezession unausweichlich. Die Nordstaaten wollten die Sezession verständlicherweise nicht dulden – sie hätten auf ihren Goldesel verzichten müssen –, und somit konnte der (Bürger-) Krieg nicht abgewendet werden.

Eine neue, durch den ökonomischen Analphabeten Donald Trump aufgewärmte Version der Schutz- oder Strafzoll-Legende besagt, die importierten Waren seien nur darum billig, weil die europäischen und asiatischen Länder sie subventionierten. Die subventionierten ausländischen Güter überschwemmten den einheimischen Markt und zerstörten die einheimische Industrie, die unter diesen Bedingungen nicht konkurrenzfähig sei: Einheimische Arbeitsplätze gingen verloren, Verarmung folge. Genau betrachtet, liegt die Sache genau andersherum: Indem die exportierenden Länder ihre Güter subventionieren, machen sie den Konsumenten der Importgüter ein Geschenk auf Kosten ihrer Steuerzahler. Die einheimische Industrie könnte nun, wenn sie auf Zack wäre, Produkte entwickeln und anbieten, die nicht durch den Import abgedeckt sind. Die Kaufkraft dafür wäre vorhanden, denn die Konsumenten müssen für die Importware weniger aufwenden als ohne die Subvention. Der Schutzzoll stellt sich wiederum als Benachteiligung der Konsumenten und Privilegierung unfähiger Industriemanager dar. Der Verlust der Arbeitsplätze folgt nicht aus der ausländischen Subventionierung, sondern aus der inländischen Unfähigkeit – oder aber aus der inländischen Behinderung der industriellen Entwicklung durch die Staatsgewalt.

Eine von Schutz- und Strafzöllen zu unterscheidende Form der Handelsbeschränkung ist die wirtschaftliche Sanktion eines Staats durch politisch angeordneten Abbruch des Handels. Die Sanktion steht damit in der Tat dem Krieg nahe. Sie ist der Versuch, den gegnerischen Staat wirtschaftlich in die Knie zu zwingen und zum Einlenken zu bewegen. Meist haben Sanktionen dieser Art wenig Wirkung. Sie treffen die Staaten, die die Sanktionen verhängen, genauso wie die sanktionierten Staaten, oft sogar stärker: Die sanktionierten Staaten finden meist einen Aus- oder Umweg. Weil sich bei dem Versuch, wirksame wirtschaftliche Sanktionen zu konstruieren, meist herausstellt, in welch enger gegenseitiger Abhängigkeit man wirtschaftlich gesehen steht, bleiben die Sanktionen dann selektiv und symbolisch.

Neben dem Handelskrieg gibt es noch eine Reihe von weiteren metaphorischen Zusammensetzungen, in denen das Wort Krieg eine intensive und unerbittliche Auseinandersetzung andeutet. Der Bandenkrieg steht dem Krieg insofern nahe, als es eine bewaffnete Auseinandersetzung ist, die sich um Gebietshoheiten in der organisierten Kriminalität dreht. Diese Banden sind dann das, was ich Protostaaten nenne. Der Krieg gegen die Drogen oder andere von der Staatsgewalt verbotene Güter wird von der Zentrale gegen Teile der eigenen Bevölkerung geführt und kostet bei hinlänglicher Schärfe auch Menschenleben. Dagegen bleibt der Rosenkrieg zwischen einem Paar, das sich getrennt hat, selbst dann recht beschaulich, wenn er, wie man so sagt, bis aufs Messer geführt wird.

Gegenüber dem flächendeckenden Horror eines modernen Massenkriegs stellen all diese Metaphern allerdings eine Beschwichtigung und Verharmlosung dar.


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