16. Mai 2025 06:00

Krieg und Frieden – Teil 13 Nur die Verlierer stehen fest: Die Menschen

Was mich die Irakkriege lehrten

von Stefan Blankertz

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Bildquelle: Libin Jose / Shutterstock Irak, Iran, Kuwait: Schauplatz dreier Kriege

1979/1980 wurde der mit den USA verbündete Schah von Persien gestürzt und nach einer nur kurzen Übergangszeit entstand die Islamische Republik Iran. Sie wandte sich natürlicherweise von den USA ab, aber nicht dem sozialistischen Ostblock zu. Die Perser orientierten sich hin zur arabisch-islamischen Welt und trachteten danach, eine Führungsrolle unter den arabischen Staaten zu erlangen, insbesondere was die Feindschaft gegen Israel betrifft.

Der Beginn der Serie von Kriegen, in denen Irans Nachbarstaat Irak verwickelt war, macht ein Muster deutlich, das uns so bekannt vorkommt, weil es in gewisser Weise dem ähnelt, das auch den Ukraine-Krieg kennzeichnet (siehe Teil 15 der Serie): Der sozialistische irakische Diktator Saddam Hussein beschuldigte die Perser im Iran, die arabischstämmige Bevölkerung der grenznahen Regionen zu unterdrücken. Nein, damit dass sich dort reichhaltige Rohstoffreserven befinden, hatte sein Anspruch auf Teile des Iran natürlich (so Saddam Hussein) gar nichts zu tun. Edel sei der Mensch und Krieger, hilfreich und gut.

Im September 1980 griff der Irak Iran an, denn Saddam Hussein schätzte den Iran als schwach und verteidigungsunfähig ein. Er hatte sein Vorgehen mit einigen anderen Führern der arabischen Welt abgesprochen, die ebenfalls ein Erstarken des Iran fürchteten. Welche Haltung die USA zunächst einnahmen, ist bis heute umstritten, und in der Tat waren die amerikanischen Interessen gespalten. Einerseits hatte die iranische Führung ihren Verbündeten gestürzt und die USA durch die Geiselnahme von amerikanischen Botschaftsangehörigen Ende 1979 schwer gedemütigt. Andererseits unterhielten die USA keine diplomatische Beziehungen zum Irak und lehnten dessen sozialistisches, mit der UdSSR verbündetes Regime ab. Israel unterstützte zu diesem Zeitpunkt Iran, eine Konstellation, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Aber auch sie ist ein Beispiel für die Logik der Verbündung im Krieg, die besagt, dass der Feind meines Feindes mein Freund sei, wenigstens vorübergehend.

Der Iran erwies sich als militärisch nicht so zerrüttet, wie die irakischen Angreifer es sich gedacht hatten. Das Kriegsglück wendete sich, der Iran konnte zum Gegenschlag ausholen und bedrohte nun seinerseits die Existenz des Irak. In dieser Situation entschieden die USA sich für eine klare Parteinahme, um den Irak zu erhalten. Beide Seiten setzten Kindersoldaten ein und der Irak wandte auch Giftgas an. Was für ein feiner Verbündeter! Im August 1988 wurde ein Waffenstillstand auf Vorkriegsniveau geschlossen, nach unvorstellbaren Gräueltaten.

Der gedemütigte Saddam Hussein suchte nach einem Ausgleich für die durch den Krieg erschöpfte Wirtschaft und fand sie in dem Plan, das Emirat Kuwait in den Irak zu integrieren; dies hatte der Irak seit seinem Bestehen stets gefordert (ohne die geringste historische Legitimierung), war aber nie durchsetzbar. Es gibt das Gerücht, dass niedere diplomatische Kreise der USA Saddam Hussein dafür grünes Licht gegeben hätten. Wie dem auch sei, Saddam Hussein muss kalkuliert haben, dass die USA ebenso wie seine arabischen Konkurrenten diese Annexion hinnehmen werden; denn dass er nach dem militärischen Fiasko im Krieg mit dem Iran davon ausgegangen sein kann, in einem erneuten Waffengang zu obsiegen, zumal in einem gegen die Supermacht USA, wird man ihm kaum unterstellen wollen. Die Reaktion der USA war, gestützt auf eine UN-Resolution und mit Truppen unter anderem aus Saudi-Arabien, Ägypten, Syrien und Marokko, schnell, hart und erfolgreich. Die militärische Operation begann Mitte Januar 1991. Im März 1991 zogen die irakischen Truppen sich aus Kuwait zurück.

2003 kam es zum Dritten Golfkrieg, der nun ein Angriffskrieg der Westalliierten gegen den Irak darstellte, weil dem Irak die Unterstützung von Terrororganisationen und vor allem der Besitz von Massenvernichtungswaffen vorgeworfen wurde. Die damals vorgelegten Beweise für den Besitz dieser Waffen sind inzwischen als fingiert entlarvt worden. Dennoch muss man auch in Rechnung stellen, dass der Irak im Krieg gegen den Iran Chemiewaffen tatsächlich eingesetzt hatte, ebenso wie im Kampf gegen kurdische Separatisten. Andererseits verfügen natürlich auch die Angreifer mit ihrem Arsenal von Kernwaffen über ein unübersehbares Meer an Massenvernichtungswaffen. Moralisch gesehen sollten sie sich schämen, auf andere mit dem Finger zu zeigen.

Die Koalition der Angreifer brauchte wiederum kaum mehr als einen Monat, um den Irak niederzuwerfen. Diesmal wurde Saddam Hussein gestürzt und Irak bis 2011 besetzt. In dieser Zeit starben Hunderttausende Menschen.

Der Wirrwarr von Koalitionen und Kriegen in der Golfregion rund um den Irak zwischen 1980 bis 2003 beziehungsweise 2011 erinnert einerseits an mittelalterliche und frühneuzeitliche Auseinandersetzungen zwischen Fürstentümern. Andererseits lässt das Ausmaß der Opfer und der Zerstörungen eher an den Ersten Weltkrieg denken. Vom moralischen Standpunkt aus gesehen, stellen uns die drei Golf- oder Irakkriege vor das nun sattsam bekannte Problem, dass die Begründung des gerechten Kriegs umschlägt in die Logik des Kriegs, die auf Moral dann keine Rücksicht mehr nimmt.

Dennoch will ich es dem Pazifismus, dem ich das Wort rede, nicht zu leicht machen. Denn wir müssen uns drei Fragen stellen:

Hätte der Iran sich 1980 vom Irak einen Landesteil wehrlos wegnehmen lassen sollen?

Hätte man 1990/91 akzeptieren sollen, dass der Irak Kuwait okkupiert?

Hätte 2003 gewartet werden sollen, bis Saddam Hussein tatsächlich wieder angreift?

Oder andersherum gefragt: Welche Möglichkeiten eines Widerstands gegen kriegerische Überwältigung und Okkupation gibt es neben der Option eines Kriegs? Der Gewalt keinen Widerstand entgegenzusetzen, ist sicherlich nicht die empfehlenswerte Lösung. Ein Pazifismus, der Gewaltlosigkeit mit Widerstandslosigkeit verwechselt oder gleichsetzt, ist eine unwürdige und feige Haltung.

Wenn man all die Bemühungen, Gelder, die in den Drill und die Technologieentwicklung sowie in die militärischen Maschinerien fließen, in die Ausbildung von gewaltlos Widerstand Leistenden und die Entwicklung möglicher Technologien des gewaltlosen Widerstands stecken würde, würde der gewaltlose Widerstand keine unwirkliche Utopie, kein aussichtsloses Gedankenspiel mehr sein. Der gewaltlose Widerstand könnte nicht davon ausgehen, dass gewaltbereite Herrscher, seien es nun Saddam Hussein oder George W. Bush, beim Anblick der gewaltlosen Kämpfer einfach aufgeben. Sicherlich ist die Gefahr einzukalkulieren, dass sie Gewaltlosigkeit mit Gewalt beantworten und sogar zum Töten von gewaltlosen Kämpfern bereit sind. Aber auch als Soldat ist man der Gefahr ausgesetzt, seinerseits getötet zu werden. Wir haben es also hier nicht mit einer Entscheidung zu tun, auf der einen Seite militärische Sicherheit erlangen zu können und auf der anderen Seite der Unsicherheit eines gewaltlosen Widerstands ausgesetzt zu sein. Gewaltlosigkeit ist wie militärischer Widerstand mit dem Risiko verbunden, getötet zu werden.

Die Entscheidung lautet schlicht, ob man seine moralische Rechtfertigung zum Widerstand aufs Spiel setzt, um eventuell militärisch einen Sieg davonzutragen. Am Ende steht man meist doppelt besiegt da: Der Widerstand war vergeblich, aber die moralische Unschuld ist auch dahin. Das ist keine komfortable Situation.


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