Wirtschaftspolitik: Droht eine neue Finanzkrise?
Der unvermeidbare Zusammenbruch

Die Krise von 2008 und danach war sowohl eine Finanz- als auch eine Wirtschaftskrise und vor allem handelte es sich um eine Schuldenkrise. Die Überschuldung betraf private Haushalte und Regierungen und umfasste die Außenbilanzen: die anhaltenden Leistungsbilanzdefizite der Vereinigten Staaten, die als Gegenstück die Anhäufung von Überschüssen in China, einigen anderen asiatischen und europäischen Ländern implizieren.
Seitdem hat sich nicht viel verändert, außer dass es schlimmer geworden ist.
In der Wirtschaftspolitik gibt es oft eine beträchtliche Zeitverzögerung zwischen der Phase, in der man die Saat pflanzt, und der Phase, in der es zur Ernte kommt – zwischen Ursache und Wirkung. Im Falle der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 reicht die Zeit der Pflanzung bis in die 1960er und 1970er Jahre zurück, als der Wohlfahrtsstaat zum neuen Glaubensbekenntnis in der westlichen Welt wurde, als die Wirtschaftspolitik den Keynesianismus übernahm und die letzten Reste des Goldstandards beseitigt wurden.
Der neue Konsens umfasste nun einen ungehinderten Ausbau des Wohlfahrtsstaates, eine aktivistische, diskretionäre Geldpolitik ohne Anker oder feste Regeln und die Wirtschaftspolitik des vulgären Keynesianismus mit seinem falschen Versprechen, dass die Regierung über die Instrumente verfüge, um ein Land durch Staatsausgaben und leichtes Geld zu Wohlstand und Vollbeschäftigung zu führen.
Es dauerte nicht lange, bis diese Art von Politik ihre erste Katastrophe hervorrief: die Stagflation in den 1970er Jahren. Angesichts des Anstiegs der Arbeitslosigkeit, der wirtschaftlichen Stagnation und der Inflation entstand die Forderung nach einem neuen wirtschaftspolitischen Paradigma, das im „Monetarismus“ gefunden wurde. Der Monetarismus als wirtschaftspolitisches Konzept war jedoch in mancher Hinsicht eine noch vereinfachtere Version des Keynesianismus. Trotz der Befürwortung freier Märkte gibt es im monetaristischen Modell wenig theoretische Tiefe. Als die Monetaristen erklärten, „Wir sind jetzt alle Keynesianer“, bedeutete das mehr als nur eine ironische Wendung.
Als Anfang der 1980er Jahre die Reaganomics – die Wirtschaftspolitik von Präsident Ronald Reagan als Kombination von Steuersenkungen und steigenden Rüstungsausgaben – praktiziert wurde, begann der Wendepunkt zu steigenden Haushaltsdefiziten. Der Startschuss dazu fiel bereits Ende der 1970er Jahre, als die amerikanische Zentralbank die Inflationsrate durch eine drastische Reduktion der Geldmenge senkte, was den Zinssatz der amerikanischen Staatsanleihen auf über 15 Prozent hochtrieb. Es kam zur rasanten Ausdehnung der Staatsverschuldung. Damals entstand der Slogan „Defizite spielen keine Rolle“. Mit rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hatte die Schuldenquote (Staatsverschuldung in Prozent des Bruttoinlandsproduktes) 1980 ihren Tiefststand seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erreicht. Seitdem ist sie – mit einer kurzen Pause in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre – unaufhaltsam weiter angestiegen und hat im August 2025 ein Niveau von über 120 Prozent erreicht.
In dieser Hinsicht war die neue wirtschaftspolitische These der „angebotsseitigen Ökonomie“ noch keynesianischer geworden. Nun wurde die ursprüngliche Idee einer antizyklischen Staatsfinanzierung ad acta gelegt. Die Regierungen gaben das Prinzip auf, dass Kürzungen der öffentlichen Ausgaben und Haushaltsüberschüsse in wirtschaftlich guten Zeiten erforderlich seien, um über die Mittel zu verfügen, die ausgegeben werden können, wenn die Wirtschaft in eine Rezession abgleitet. Der neue wirtschaftspolitische Konsens besagte, dass Defizite keine Rolle spielen würden und dass man daher die Schuldenstände ignorieren und auch den Wechselkurs des Dollars vernachlässigen könne, weil die Zentralbanken in der Lage seien, durch ihre Zinspolitik die Wirtschaft zu steuern.
Tatsächlich fand etwas anderes statt. Die Zentralbank wandelte sich zu einer Bailout-Institution. Sobald die Aktien- und Anleihemärkte ins Strudeln gerieten, griff die Notenbank ein und überschwemmte das Finanzsystem mit Liquidität. Dies hatte fatale Konsequenzen. Mit jedem „Rettungspaket“ stieg das sogenannte „Moral Hazard“. Was zunächst als eine notwendige Finanzhilfe erschien, wurde im Laufe der Zeit zu einer manifesten Erwartung, und die Finanzmärkte betrachteten Rettungsaktionen zunehmend als den berechtigten Anspruch auf Geldliquidität.
Bailouts erzeugen ein moralisches Risiko, und auf diese Weise sinkt die Risikowahrnehmung. Ohne die Begrenzung finanzieller Verluste kommt es zu einer Überdehnung der kommerziellen Aktivitäten. Staatliche Rettungsaktionen institutionalisieren perverses Risikoverhalten, und es dauerte nicht lange, bis die neue aggressive Haltung auf breiter Front von der Wirtschaft und von den Finanzmarktakteuren beherrscht wurde. Bailouts produzieren einen negativen Selektionsmechanismus, bei dem Vorsicht bestraft wird. Da die Risikowahrnehmung aus dem Geschäftsleben herausgenommen wird, bedeutet die wirtschaftliche Expansion, dass ein wachsender Teil des daraus resultierenden Wirtschaftswachstums in nicht nachhaltigen Investitionen steckt. Dies wiederum impliziert, dass der größte Teil der wirtschaftlichen Aktivität, die sich aus der sinkenden Risikowahrnehmung ergibt, auf eine Verschwendung von Kapital hinausläuft. Es kommt zu einer Scheinblüte. Die Wirtschaft, die sich auf dem Weg der Prosperität zu befinden scheint, wird tatsächlich ärmer. Wenn die Blase platzt, ist das Wohlstandsniveau niedriger als vor dem falschen Boom.
Die Struktur des modernen Geldsystems in Kombination mit der modernen populistischen Demokratie erzeugt jene Dynamik, die zu Hyperinflation oder Bankrott führt. Die Gefahr einer Deflation ist die Hauptsorge der Währungsbehörden, denn ein fallendes Preisniveau bedeutet den sicheren Staatsbankrott. Wegen der Angst vor einer Deflation arbeiten die Zentralbanker so hart wie möglich daran, eine Schuldeninflation zu erzeugen, um das Preisniveau anzuheben. Anstatt das System die Abkürzung zur Deflation und von dort zum Bankrott gehen zu lassen, fördern die Währungsbehörden einen Umweg von Schuldeninflation und falschem Boom zum Bankrott und von der Staatspleite zur Deflation. Vor allem aber führen die modernen interventionistischen politischen Maßnahmen, die darauf abzielen, eine Rezession zu vermeiden und damit eine Neuausrichtung der Wirtschaft zur Korrektur der Fehler der Vergangenheit zu verhindern, zu zunehmenden Verzerrungen der Kapitalstruktur. Was vor einigen Jahrzehnten noch durch eine kurze Rezession hätte gelöst werden können, erforderte später einen viel kostspieligeren Anpassungsprozess.
Die Bilanz des modernen Zentralbankwesens ist düster. Selbst wenn man solche wirtschaftlichen und damit sozialen Katastrophen, wie sie durch die Weimarer Inflation hervorgerufen wurden, beiseitelässt und wenn man nur die glückselige Geschichte der USA als Beweis nimmt, kann man sehen, dass das Land mit seiner gut aufgestellten Zentralbank selbst in Amerika mehr als zehn Jahre Depression, verschiedene Inflationsschübe und mehr als ein Jahrzehnt Stagflation erlebt hat. Der US-Dollar hat seit Beginn der Tätigkeit des Federal Reserve Systems rund 95 Prozent seiner Kaufkraft verloren.
Wirtschaftspolitische Eingriffe in Form von Rettungsaktionen schaffen ein systemisches Moral Hazard, das eine Zeit lang dazu beiträgt, einen wirtschaftlichen Abschwung zu vermeiden. Doch danach wird es einen Zusammenbruch geben, der viel härter ist als alles, was früher passiert wäre, wenn die politischen Entscheidungsträger die Wirtschaft sich selbst überlassen hätten, um sich anzupassen.
Nun erhebt das Inflationsmonster erneut sein Haupt. Um das steigende Preisniveau zu bekämpfen, müsste die US-Notenbank ihren Zinssatz anheben. Aufgrund der hohen Staatsverschuldung der USA ist dies jedoch nur begrenzt möglich. Die nächsten Monate werden zeigen, ob es zu einer steigenden Preisinflation oder zu einer Rezession kommen wird. Das wahrscheinliche Ergebnis scheint jedoch eine neue Phase der Stagflation zu sein: die Kombination aus schwachem Wirtschaftswachstum in Verbindung mit steigenden Preisen. In diesem Fall sind die Instrumente der Konjunkturpolitik stumpf geworden. Weder Fiskal- noch Geldpolitik werden noch funktionieren. Das würde bedeuten, dass wir die 1970er Jahre noch einmal erleben werden, wenn auch auf eine drastischere Weise. In der BRD stieg damals der sogenannte „Misery Index“ (die Summe aus Arbeitslosenquote und Inflationsrate) auf 16 Prozent, in den USA auf über 20 Prozent.
Mises Institut Deutschland: „Konjunkturtheorie auf Grundlagen der Österreichischen Schule“ (2019)
Antony P. Mueller: „A Primer on Austrian Macroeconomics“ (Palgrave Studies of Austrian Economics, 2025)
Antony P. Mueller: „Advanced Austrian Macroeconomics. Tools for Research and Teaching“ (Amazon KDP 2025)
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