25. November 2025 16:00

Krieg Die ökomischen Kosten von Krieg

Eine Untersuchung der Kosten von mehr als 150 Kriegen seit 1870

von Klaus Peter Krause drucken

Kriegskosten: Wirtschaftliche Zerstörung durch Krieg
Bildquelle: e-Redaktion Kriegskosten: Wirtschaftliche Zerstörung durch Krieg

Ein horrendes Verlustgeschäft – Aber Rüstungskonzerne wie Rheinmetall freuen sich – Gibt es Waffen, gibt es auch Kriege – Finanzierungs- und Opportunitätskosten – Eine Untersuchung der Kosten von mehr als 150 Kriegen seit 1870 – Die unmittelbaren Kosten in Kriegsländern und die mittelbaren in anderen Ländern – Ein Kriegskostenrechner als digitales Tool zu jedermanns Gebrauch – Kriege drohen immer. Sie vermeiden ist billiger als sie führen

Kriege haben Verlierer und Gewinner, nicht nur Besiegte und Sieger. Verlierer und Gewinner von Kriegen können auch solche sein, die an einem Krieg direkt überhaupt nicht teilnehmen, sondern nur unter ihm leiden oder von ihm profitieren, seien es Länder, Unternehmen und Menschen. Die Profiteure sind vor allem die Produzenten von Waffen und anderen Gütern, die man zum Kriegführen braucht. Diese Kriegsgüter sind immer gefragt, werden immer benötigt, auch wenn es einen Krieg gar nicht gibt, aber geben könnte. Dann rüsten Länder auf, um sich gegen kriegerische Angriffe zu schützen. Und das tun sie stets. Wer Rüstungsgüter herstellt, ist also stets auch ganz gut beschäftigt. Herrscht dann wirklich Krieg, müssen sie nur schneller und mehr nachliefern. Dann boomt es für sie. Und für jene, die an diesen Firmen beteiligt sind, mit Ausschüttungen und Kursgewinnen ebenfalls. Kriegsgewinnler sind die Profiteure immer, ob Krieg herrscht oder nicht.

Aber direkten Gewinn werfen Kriege durchweg nur für eine Minderheit ab, indirekten für die Mehrheit vielleicht dann, wenn sie ein Sieg ihres Landes durch Krieg vor den Folgen bewahrt, die einträten, würde der Krieg verloren worden sein, und wenn ihr siegreiches Land sie an der Kriegsbeute teilhaben lässt. Sonst aber ist Verlierer von Kriegen, direkt wie indirekt, stets die übergroße Mehrheit. Das sind die Menschen, das ist das Volk. Denn wirtschaftlich sind Kriege mit allem Drum und Dran ein horrendes Verlustgeschäft. Am höchsten sind die Kosten für das Land, das Kriegsschauplatz ist. Dort werden Gebäude, Maschinen und Infrastruktur zerstört, und das Wirtschaftswachstum bricht für viele Jahre ein. Aber einen großen Teil der Kriegskosten zahlen auch die Nachbarländer mit: durch höhere Inflation und niedrigeres Wachstum.

Rüstungskonzerne wie Rheinmetall freuen sich

Jüngst war die Nachricht zu lesen, die Rheinmetall AG in Düsseldorf sei dabei, ihren Umsatz binnen sechs Jahren gegenüber 2024 zu verfünffachen (FAZ vom 19. November 2024, Seite 21). 2030 wolle sie mit ihren Verkäufen einen Umsatz von 50 Milliarden Euro erreicht haben. 2024 hatte der Umsatz von Deutschlands größtem Rüstungskonzern „nur“ erst 9,8 Milliarden betragen. Seit die USA samt ihren Nato-Vasallen (Großbritannien, Europäische Union) mit und in der Ukraine Krieg gegen Russland führen, läuft das Geschäft für Rheinmetall auf Rekordkurs besonders üppig. Vor der russischen „Spezialoperation“ 2021 – einem nach Kenntnis der Vorgeschichte Präventivschlag und Verteidigungsangriff – hatte der Konzern rund 5,7 Milliarden Umsatz erzielt. Bei anderen Kriegsgüterproduzenten wird es nicht viel anders sein. „Das Schöne ist, dass die Bundesregierung wirklich investieren will – und auch ganz Europa“, freute sich Rheinmetall-Vorstandsvorsitzender Armin Papperger am 18. November bei einem Investorentag im Rheinmetall-Werk Unterlüß. Diesen Aufschwung sieht er auch dann nicht gehemmt, wenn es in der Ukraine zum Frieden käme oder der Krieg dort eingefroren würde. Den Bedarf an Rüstungsgut sieht er noch lange als groß an, vor allem den in Deutschland. Soweit das aktuelle Beispiel. Doch worüber sich Rheinmetall freut, ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass die Rheinmetall-Kunden die Freude zu bezahlen haben, ist also das, was Rüstung und Kriege kosten.

Gibt es Waffen, gibt es auch Kriege

Wenn sich Staaten mit Kriegsmaterial eindecken, tun sie das, um andere Staaten von Angriffen abzuschrecken, weil auch diese anderen kriegstaugliche Waffen haben. Jedenfalls ist das ihr übliches und durchaus nachvollziehbares Motiv. An sich also wollen sich alle mit Waffen durch Abschreckung nur schützen. Jedenfalls die meisten, bekundet jedoch von allen. Aber jeder kennt die Realität und die Erfahrung mit ihr: Sind Waffen vorhanden, werden mit ihnen auch Kriege geführt. Im Umkehrschluss hieße das: Hat keiner Waffen, gäbe es keine Kriege, jedenfalls die heutigen nicht; man müsste Kriege wie vor Urzeiten mit bloßen Fäusten austragen. Demnach: Sämtliche Staaten sollten totale Abrüstung vereinbaren. Kriegerische Auseinandersetzung wäre dann nur noch durch Rückkehr zum Faustkampf möglich – ohne die Folgen der schrecklichen Waffentechnik von heute. Aber dass so ein Szenarium absolut wirklichkeitsfremd ist, bedarf wohl keiner näheren Ausführung. Folglich wird es Waffen und immer schrecklichere weiterhin geben. Und Kriege ebenfalls. Denn wo Menschen sind, ist dauerhafter Frieden nicht möglich.

Finanzierungskosten, Opportunitätskosten, ökonomische Kosten

Kriege sind furchtbar. Sie waren es stets, mit welchen Waffen auch immer. Außerdem verursachen sie immense Kosten. Allein die Ausgaben für die Waffen erreichen gewaltige Höhen. Kriegführende Staaten pflegen sich dafür zusätzlich hoch zu verschulden. Die Zinsen für diese Kredite belasten die Staatshaushalte über Jahre oder Jahrzehnte hinweg auch noch nach dem Krieg. Dazu kommen die ökonomischen Kosten von Krieg. Zu ihnen gehören auch die sogenannten Opportunitätskosten: Statt für Krieg würde sich das Geld für friedliche Zwecke verwenden lassen – für Investitionen in öffentliche Infrastruktur, in die private Wirtschaft, für weiteren Wohlstand und für dessen Nachhaltigkeit. Die Opportunitätskosten sind fiktive Kosten für Vorteile, die entgehen, wenn man sich zu einer Geldverwendung entschließt, die eine andere Verwendungsmöglichkeit ausschließt. Oder kürzer formuliert: Sie repräsentieren den entgangenen Nutzen oder Gewinn einer nicht gewählten Alternative. In der üblichen politischen Kriegskostenbilanz tauchen sie nicht auf.

Eine Untersuchung der Kosten von mehr als 150 Kriegen seit 1870

Mit den ökonomischen Kosten beschäftigt haben sich Forscher des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und der Universität Tübingen. Sie haben die Kosten von mehr als 150 Kriegen seit 1870 untersucht. Die Kosten sind interne und externe Kosten. Interne Kosten sind die, die dort entstehen, wo der Krieg stattfindet, externe diejenigen, die in Staaten entstehen, die am Krieg nicht direkt beteiligt sind. Der Inhalt der gesamten Studie findet sich im Kiel Policy Brief (Nr. 171 vom Februar 2024). Zusammenfassend heißt es dort:

Die unmittelbaren Kosten in Kriegsländern und die mittelbaren in anderen Ländern

„Kriege verursachen erheblichen wirtschaftlichen Schaden. Der Großteil dieses Schadens entfällt auf die unmittelbaren Kriegsschauplätze: Hier sinkt das reale BIP fünf Jahre nach Kriegsbeginn durchschnittlich um 30 Prozent, während die Inflation um bis zu 15 Prozentpunkte steigt. Weitere Kriegskosten kommen auf Nachbarländer und weiter entfernte Länder hinzu, die mit zunehmender Distanz sinken. Die Zerstörung des Kapitalstocks und der Rückgang der Produktivität wirken als negativer Angebotsschock, der sich auch auf andere Länder erstreckt. Besonders betroffen sind die direkten Nachbarländer: Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Kriegsnachbarn fällt nach fünf Jahren durchschnittlich um 10 Prozent, während die Inflation um 5 Prozentpunkte steigt. Die Auswirkungen auf andere Länder nehmen mit der Distanz zum Kriegsschauplatz ab. Für sehr weit entfernte Länder können Kriege sogar expansiv wirken. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob ein Land direkt am Krieg teilnimmt; entscheidend ist die geografische Nähe zum Kriegsschauplatz.“

Ein Kriegskostenrechner als digitales Tool zu jedermanns Gebrauch

Eingerichtet haben die Forscher auch einen „Price of War Calculator“ und diesen Kostenrechner als Tool zur freien Verfügung gestellt. Mit ihm kann jeder die wirtschaftlichen Auswirkungen hypothetischer Kriege selbst abschätzen. Dort liest man: „Nenne alle Länder, die in deinem Szenario Kriegsstätten sind. Du solltest nicht bloße Kriegsparteien nennen. Geben Sie stattdessen nur jene Länder an, die auf ihrem eigenen Boden materielle Zerstörung erleben. Auf diese Weise liefert der Rechner eine Schätzung der wirtschaftlichen Folgen der Gewalt an den Kriegsstandorten. Wenn man zum Beispiel die Folgen des Irakkriegs 2003 berechnen will, sollte man nicht die Vereinigten Staaten, sondern nur den Irak als Kriegsort angeben. Bitte geben Sie das Startjahr des Krieges an. Das ist wichtig, da die wirtschaftlichen Folgen von Kriegen auf Grundlage der wirtschaftlichen Eigenschaften der Länder im Vorkriegsjahr berechnet werden.“

Den wirtschaftlichen Schaden, der durch den Krieg in der Ukraine zu erwarten ist, haben die Forscher schon selbst berechnet. Ob aber dessen Zahlen auch heute noch stimmen, bald drei Jahre, nachdem die Studie veröffentlicht worden ist (Februar 2024), mag man bezweifeln.

Kriege drohen immer. Sie vermeiden ist billiger als sie führen

Kriege führen kostet Geld. Kriege vermeiden aber auch. Sie vermeiden ist billiger, sie führen teurer. Aber Kriege drohen immer. Denn nochmals: Wo Menschen sind, ist dauerhafter Frieden nicht möglich. Daher müssen die politischen Führungen ihn durch Abschrecken vom Krieg zu erreichen oder zu bewahren versuchen: mit Abschrecken durch Waffenbesitz, also zur Kriegsabwehr gerüstet sein – das tun sie und vermutlich sogar mehr als genug. Sie müssen aber auch sich selbst abschrecken, nämlich mit den horrenden ökonomischen Kosten von Kriegen – das geschieht zu wenig oder auch gar nicht. Beispiel Ukraine: Statt sich als Friedensstifter hervorzutun, gebärden sich Nato und EU mit Deutschland voran als Kriegstreiber. Die ökonomischen Kosten schrecken sie offensichtlich nicht, auch wenn sie jetzt versuchen, auf Donald Trumps 28-Punkte-Plan für einen Ukraine-Frieden einzugehen, weil sie dabei nicht ganz ohne Einfluss bleiben wollen. Aber nach ihrem bisherigen Kriegsgetöse sind Zweifel an ihrer Ehrlichkeit nicht gerade abwegig.

Weiteres:

Nicht zu vergessen: In eroberten und besetzten Gebieten beanspruchen Besatzungstruppen Nahrung und Unterkunft von der Zivilbevölkerung. Auch Übergriffe, Plünderungen und andere Rechtsverletzungen sind möglich. Zu den Kriegskosten gehören sie ebenfalls. In früheren Jahrhunderten waren solche Belastungen der Zivilbevölkerung gang und gäbe und die Truppen darauf angewiesen, wenn und weil nicht Staatskassen den Krieg finanzierten. Die Soldaten nahmen sich bei Bauern und Bürgern, was sie an Essen, Geld, Pferden und Unterbringung brauchten, besonders ausgeprägt im Dreißigjährigen Krieg. Aus dieser Zeit stammt auch das Wort „Der Krieg ernährt den Krieg“, bekannt geworden durch den Feldherrn Wallenstein, aufgegriffen auch in „Die Piccolomini“ von Friedrich Schiller.

Ihre Analyse ist 2004 in dem Kiel Policy Brief „The Price of War“ zusammengefasst und im gleichnamigen Kiel Working Paper (Federle et al.) methodisch fundiert. Die fünf Forscher sind (in alphabetischer Reihenfolge) Jonathan Federle, André Meier, Gernot J. Müller, Willi Mutschler und Moritz Schularick, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

Quellen:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/rheinmetall-verkauft-waffen-im-ukraine-krieg-19012345.html

https://www.kielinstitute.de/policy-briefs/price-of-war-calculator

https://www.kielinstitute.de/policy-briefs/kiel-policy-brief-171

Price of War Calculator

Die Kosten des Krieges – Kiel Institut

The Price of War – Kiel Institut

Kiel Policy Brief: The Price of War (PDF)


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.