31. August 2025 06:00

Globale Ordnung im Umbruch Währungspolitik ist Machtpolitik

Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute

von Antony P. Mueller drucken

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Bildquelle: German Federal Archive / Wikimedia Marshallplan: Kein selbstloser Akt, sondern wohlkalkulierte politische Strategie

Seit jeher ringen Staaten um Dominanz. Vor dem Nuklearzeitalter war die Anwendung kriegerischer Gewalt das bevorzugte Instrument in diesem Machtkampf. Seit der Existenz von Atomwaffen, bei deren Anwendung es keinen Sieger mehr gäbe, verlagert sich der Kampf zunehmend auf Finanzen und Handel. Das im Kern friedliche Mittel des Tausches von Gütern wird instrumentalisiert. Währung und Zölle werden als Waffen benutzt. Mit den Sanktionen gegen Russland und dem Einfrieren seiner Auslandsanlagen hat diese Art des Krieges eine neue Stufe erreicht, die nun mit der Zollpolitik der US-Regierung eskaliert.

Wir befinden uns inmitten eines gewaltigen Umbruchs der globalen Ordnung. Die Vormachtstellung des Dollars geht zu Ende. Um China herum bildet sich ein neuer Block heraus: die Gruppe der sogenannten Brics. Keiner weiß, wie das Spiel letztlich ausgehen wird. Die USA wehren sich mit aller Kraft dagegen, als die dominierende Weltmacht abgelöst zu werden. Gäbe es Nuklearwaffen nicht, wäre es längst schon zu einem neuen Weltkrieg gekommen. Stattdessen tobt der Kampf in der Währungs- und Handelspolitik. Dieser Wandel zeichnete sich schon gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ab.

Der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg hatte nicht nur das Ziel, Deutschland und Japan als Rivalen auszuschalten. Es galt auch, das Vereinigte Königreich als koloniale Weltmacht in die Schranken zu weisen. Als der Krieg zu Ende ging, waren diese Mächte als Konkurrenten eliminiert und es kam die Sowjetunion an die Reihe. Nun steht China an erster Stelle, das ernsthaft die Rolle der USA als Hegemon infrage stellt.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges übernahmen die USA die weltwirtschaftliche Führungsrolle und der Dollar stieg zur globalen Währung auf. Die finanzielle Machtübernahme der USA erfolgte 1944 bei der Bretton-Woods-Konferenz. Bei dieser Zusammenkunft ging es darum, die währungspolitischen Grundlagen der Nachkriegsordnung festzulegen.

An der internationalen Währungskonferenz nahmen die Delegationen von 44 alliierten Ländern teil. Die Sowjetunion fehlte und die USA hatten ein leichtes Spiel, die anderen Teilnehmer auf ihr Konzept als Gegenmodell zum britischen Vorschlag einzuschwören. Von Anfang an ließen die Vertreter der USA keinen Zweifel daran aufkommen, wo das neue Machtzentrum liegt, und ließen die Delegation des Vereinigten Königreiches abblitzen und auflaufen, wie es nur ging. Die Amerikaner nutzten es schonungslos aus, dass Großbritannien zur Kriegsführung von amerikanischen Krediten abhing.

Im Unterschied zu den Hilfslieferungen an die Sowjetunion während des Zweiten Weltkrieges, für die die USA praktisch keine Kompensation nach dem Kriegsende erlangten, wurde den Engländern die Zahlung der amerikanischen Lieferungen aufgebürdet. Dies führte das Land dann in den Fünfziger- und Sechzigerjahren an den Rand des Ruins und zum Verlust des Kolonialreiches, was der Absicht der USA entsprach. Finanziell wurde das Vereinigte Königreich 1976 vollständig ausgebootet, als es als Bittsteller beim Internationalen Währungsfonds antreten musste. Die letzten Ratenzahlungen Großbritanniens für die Hilfsleistungen der USA während des Zweiten Weltkriegs endeten erst am 31. Dezember 2006.

Großbritannien wurde auf der Bretton-Woods-Konferenz finanziell entmachtet und versank konsequenterweise danach sowohl ökonomisch wie politisch in die zweite Reihe. Sobald mit diesen möglichen Konkurrenten und der Ausschaltung von Deutschland und Japan die Sachlage aus amerikanischer Sicht nun geklärt war, musste sich der weltpolitische Konflikt geradezu zwangsläufig gegen die Sowjetunion richten.

Dazu war die Hilfe Westdeutschlands erforderlich. Es wurde der Marshallplan lanciert. Mit dem Anlaufen der Hilfszahlungen endete die US-amerikanische Militärorder JCS 1067, die auf dem Morgenthau-Plan beruhte und die „industrielle Entwaffnung“ Deutschlands vorsah. Anstatt Deutschland zu einem Agrarland zu machen, hieß nun die neue Direktive, Westdeutschland zu einem industriellen Bollwerk aufzubauen. In Vorbereitung der Hilfslieferungen des Marshall-Plans wurde 1947 für die amerikanischen Besatzungsstreitkräfte die Direktive JCS 1779 erlassen, die „ein stabiles und produktives“ Deutschland forderte.

Der zweite Punkt des Plans war die Anweisung, dass der Erhalt der Marshallplan-Hilfe mit marktwirtschaftlichen Reformen in den Empfängerländern einhergehen müsse. Das gab dem damaligen Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Bizone) und späteren Wirtschaftsminister Ludwig Erhard grünes Licht, um eine Preisreform durchzuführen, also einen großen Teil der herrschenden Preiskontrollen abzuschaffen und Marktwirtschaft einzuführen.

Ein anderer wichtiger Punkt der Marshallplan-Hilfe für Deutschland war, dass die Güterlieferungen für die Empfänger keine Geschenke waren. Der Ablauf des Plans war so organisiert, dass der Fonds zwar die Bezahlung an die amerikanischen Lieferanten übernahm, die deutschen Warenempfänger aber die Lieferungen bezahlen mussten, wozu sie bei der 1948 gegründeten Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Kredite aufnehmen konnten.

Die Schatten der Vergangenheit wurden von Westdeutschland schließlich, zumindest in finanzieller Hinsicht, fast vollständig mit zwei weiteren Maßnahmen genommen:

Durch die Währungsreform vom 20. Juni 1948 kam es mit der Einführung der Deutschen Mark zu einer Entschuldung, die den deutschen Staat von seiner Inlandsverschuldung entlastete.

Mit dem Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953 geschah desgleichen eine weitgehende Entlastung von den Altlasten an deutschen Auslandsschulden, einschließlich der Reparationsforderungen aus dem Versailler Vertrag.

Vor Anlaufen der Marshallplan-Hilfe setzten die USA bereits fest, dass im Zuge ihrer Auszahlung Deutschlands andere Gläubiger von finanziellen Ansprüchen gegenüber Westdeutschland absehen müssten.

Als offiziell die Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 entstand, wurde – obzwar juristisch als Rechtsnachfolger des alten Reiches – in wirtschaftlicher Hinsicht ein neuer Staat geboren. Die Bundesrepublik Deutschland entstand mit einer neuen Währung, einer neuen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung und war, weitgehend schuldenfrei, im Genuss einer klaren Vorgabe seitens der amerikanischen Besatzungsmacht, die Prosperität Westdeutschlands mit aller Kraft zu fördern. 

Der Zweite Weltkrieg ging direkt in den Kalten Krieg über. Dieser blieb deshalb kalt, weil den beiden neuen Supermächten inzwischen ein Arsenal an nuklearen Waffen zur Verfügung stand, sodass keiner der beiden Rivalen sich eine Siegeschance ausrechnen konnte, falls es zu einem Schlagabtausch kommen sollte.

Die Sowjetunion hörte 1991 auf zu existieren. Die USA können sich seither als unbeschränkte Weltmacht behaupten, wobei jedoch ein neuer Gegner in Gestalt der Volksrepublik China heranwuchs.

Obwohl die relative Position der Vereinigten Staaten in der Weltwirtschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges deutlich abgenommen hat, wird der große Teil der globalen internationalen Reserven noch in US-Dollar gehalten. Den USA ist es gelungen, nach dem Zerfall des vom Dollar dominierten Währungssystems zu Anfang der 70er Jahre die Rolle des Dollars als Weltreservewährung zu bewahren, weil es die Vereinigten Staaten durchsetzen konnten, dass der internationale Handel mit Rohöl und anderen Rohstoffen weltweit weiterhin auf Dollarbasis abgewickelt wird.

Die Vereinigten Staaten profitieren von der Rolle des US-Dollars als wichtigste internationale Währung, sodass sie, solange diese Rolle dem Dollar zukommt, weder um ihre Auslandsverschuldung noch um ihr Leistungsbilanzdefizit besorgt sein müssen. Dauerhaft können sich die Vereinigten Staaten ein Leistungsbilanzdefizit leisten, solange der US-Dollar weltweit nachgefragt wird und somit die US-Regierung unbegrenzt über Geldreserven verfügt. 

Die Amerikaner gleichen ihr Leistungsbilanzdefizit durch Kapitalimporte aus, die aus der Sicht des Auslands dazu dienen, Währungsreserven anzuhäufen. Im Unterschied zu anderen Ländern können so die USA beruhigt auf ihre Auslandsverschuldung blicken, die zwar die größte der Welt ist, aber keine unmittelbare Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit darstellt, weil sie in eigener amerikanischer Währung, das heißt auf US-Dollar, lautet.

Die amerikanische Regierung besitzt über den Dollar Währungshoheit und kann diesen in unbeschränkter Höhe produzieren. Die Stellung der USA als Produzent der internationalen Reservewährung stellt ein wesentliches Korrelat zur globalen politischen Herrschaft der Vereinigten Staaten dar.

Die militärische Macht der USA hängt von ihrer finanziellen Macht ab, wenn man bedenkt, dass die jährlichen Kapitalimporte Amerikas in etwa den Militärausgaben entsprechen. Die amerikanische Militärmacht wird so gleichsam vom Ausland finanziert. Die hauptsächlichen Gläubiger der USA sind China, Japan, andere asiatische Länder sowie die Opec-Mitgliedsländer. Je mehr diese Länder dazu übergehen, ihren Außenhandel nicht mehr hauptsächlich in US-Dollar abzuwickeln, desto mehr schwindet die finanzielle Vormachtstellung der USA, und die Finanzierung des doppelten Defizits von Leistungsbilanz und Staatshaushalt wird für die Vereinigten Staaten zu einem Problem. Je mehr die chinesische Währung international an Bedeutung gewinnt, desto mehr verringert sich relativ die Position des US-Dollars.

Im Rahmen der Brics strebt China nun gezielt danach, den Renminbi als neue Leitwährung zu etablieren und ein neues internationales Zahlungssystem außerhalb des Swift zu schaffen. Amerika versucht mit aller Macht, dagegen vorzugehen, da es damit eine der schärfsten finanziellen Waffen verlieren würde. Die Auswirkungen dieses Kampfes betreffen die ganze Welt. Wer meint, es gehe „nur“ um Währung, wird bald eines Besseren belehrt werden. Auch wenn der Kampf auf Finanzen und Welthandel beschränkt bleiben sollte, können die Folgen ein Ausmaß an Zerstörung erreichen, das einem echten Krieg nahezu gleichkommt.

Bretton-Woods-Konferenz

Morgenthau-Plan


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