24. September 2025 11:00

Christus Tiberius Kirk – Nachtrag An den Kernproblemen (bewusst?) mit Warp vorbei?

Statt Sachlichkeit scheint es nur noch massenhysterischen Verstandesverlust zu geben

von Axel B.C. Krauss drucken

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Bildquelle: Ben Von Klemperer / Shutterstock Tucker Carlson: Vergleicht Kirks Tod mit der Kreuzigung Jesus’

Die jüngsten Gedenkveranstaltungen nach dem Attentat auf den politischen Influencer Charlie Kirk erweckten einen schlicht grenzwertigen und besorgniserregenden Eindruck: Geht es eigentlich noch – wenigstens ansatzweise – um eine sachliche Auseinandersetzung mit den Problemen Amerikas? Um die seit Jahren vor sich hin schwelenden Konflikte zwischen „Links“ und „Rechts“, um die „Kulturkriege“ zwischen den Linken und den Konservativen, um Fragen nach der künftigen Ausrichtung und inhaltlichen Substanz politischer Debatten, um die wirtschaftlichen, außen- und geopolitischen Krisen, mit denen sich natürlich auch die USA konfrontiert sehen (und deren Urheber sie zumindest teilweise waren) oder wird man jetzt ganz einfach verstandesverlustig und fällt in religiös verbrämte Helden- und Messiaskulte zurück?

Bei der jüngsten Veranstaltung der Propaganda-Organisation „Turning Point USA“ ließ Ulknudel Tucker Carlson, der immerhin ein Millionenpublikum anspricht, sich jedenfalls zu schlicht durchgeknallten Vergleichen hinreißen: Das sind schon keine Jesus-Vergleiche mehr, sondern jetzt wird Kirks Leben tatsächlich mit der christlichen Passionsgeschichte gleichgesetzt. Solcher quasimystische Schwurbel, der das Publikum ganz eindeutig emotional zum Kochen bringen und fast schon in eine Art idolatrische Trance versetzen soll, ist nicht nur wegen des damit einhergehenden politischen Radikalisierungspotenzials gefährlich, sondern auch deshalb, weil dieser Nebel aus Synthetik-Weihrauch die Kernprobleme der sogenannten „Maga“-Bewegung verhüllt, die dadurch nicht gelöst werden.

In Deutschland wird darob oft der Kopf geschüttelt. Auch ich hörte den Reden eines Carlsons und anderer „prominenter“ Masseneinpeitscher sprachlos zu und konnte einfach nicht fassen, in welcher völlig unsachlichen, übersteigerten Form Stimmung gemacht werden soll. Dass man dabei die Vorgeschichte nicht vergessen sollte, ist klar: Attentate, ob politisch motiviert oder nicht, haben in den USA zu ganz anderen Stimmungen geführt als beispielsweise während der Zeit der RAF-Anschläge in Deutschland. Die amerikanische Geschichtsprofessorin Jill Lepore berichtet in ihrem Buch „If Then – How the Simulmatics Corporation invented the Future“ über solche Episoden: Nach der Ermordung John F. Kennedys, später seines Bruders Bobby Kennedy und dann auch noch Martin Luther Kings Junior in relativ kurzer Zeit hintereinander kam es tatsächlich vor, dass Menschen auf offener Straße auf die Knie fielen und hemmungslos weinten, weil sie einfach nicht fassen konnten, dass so was in ihrem Land überhaupt möglich war. Der Glaube an das „System USA“ wurde schwerstens erschüttert. Insofern reiht sich die Ermordung Charlie Kirks zwar in diese Reihe, und es ist auch nichts Neues, dass solche Taten sehr gerne politisch ausgeschlachtet werden, aber das „Niveau“, auf dem nach Kirks Tod agiert wurde, markiert einen vorläufigen Tiefpunkt. Wie ich in meinem letztwöchigen Beitrag bereits dazu schrieb, wurde keine Sekunde gezögert, um sich sofort auf den Leichnam zu stürzen und ihn politisch auszuweiden, bis nur noch das Skelett übrigblieb.

Jüngstes Beispiel für die wachsende Radikalisierung und Intoleranz gegenüber „falschen“ Meinungen ist der Disput um den bekannten US-Fernsehmoderator Jimmy Kimmel, dem vorgeworfen wurde, den Bogen überspannt und sich unbotmäßig geäußert zu haben. Kimmel sagte in seiner Show am Montag, den 15. September: „Am Wochenende haben wir neue Tiefpunkte erreicht, als die Maga-Gang verzweifelt versuchte, diesen Jungen, der Charlie Kirk ermordet hat, als alles andere als einen der ihren darzustellen, und alles in ihrer Macht Stehende tat, um daraus politischen Kapital zu schlagen.“

Warum das ein Grund sein soll, jemanden mit einer medialen Bannbulle zu belegen, entzieht sich meinem Verständnis. Das Einzige, was ich als etwas anstößig empfand, war Kimmels in der Tat grobschnittiger Versuch, Kirks Tod der Bewegung dadurch anzulasten, den Täter als „einen der ihren“ darzustellen – als wäre das eine ausgemachte Tatsache. Die Behauptung aber, die Bewegung habe „alles in ihrer Macht Stehende“ getan, um daraus „politisches Kapital zu schlagen“, ist völlig richtig – und wird durch den daraufhin inszenierten schrillen Märtyrerkult vollauf bestätigt.

Doch das eigentliche Problem liegt viel tiefer. Nämlich darin, dass der Maga-Kult – und es ist nun mal ein Kult, genauer: Es ist einer der üblichen kollektivistischen Massenformierungs- und Gefolgschaftskulte – nach außen hin vorgibt, Amerika „retten“ und „wieder groß“ machen zu wollen, während es in Wahrheit um eine Agenda geht, die – um es auf den Punkt zu bringen – nach mehr Macht und Kontrolle trachtet. Die „akzelerationistisch“-technokratischen Grundideen wurden mittlerweile oft genug und sehr ausführlich beschrieben, auch von mir – daher kann auf eine Wiederholung hier verzichtet werden.

Der Maga-Kult – vor allem die „Tech“-Oligarchen, die dahinterstehen, die ihn großzügig finanziert und befeuert haben – geben gerne vor, libertär zu sein, haben ihr beträchtliches Vermögen und ihren Einfluss aber vor allem einer engen Zusammenarbeit mit der Regierung zu verdanken. Gerade ein Musk und Thiel – Letzterer gehört zu den spendierfreudigsten Mäzenen der Bewegung – sind, sieht man von ihren Anfangstagen als „Paten“ der sogenannten „PayPal-Mafia“ ab – in hohem Maße Staatsprofiteure. Genau diese Verflechtungen und ihre alles anderen als unerheblichen Implikationen für die Zukunft der Vereinigten Staaten drohen im „Massenbesäufnis“, am synthetischem Gefühlsfusel, der momentan aus Kirks Ermordung gekocht wird, völlig unterzugehen. Es wird bereits davon gesprochen, dieses Attentat mache „die Bewegung größer als je zuvor“.

Allerdings hagelt es auch heftige Kritik aus den Reihen der Republikanischen Partei. In einem Artikel des „Focus“ vom 21. September hieß es dazu: „Eigentlich spielt das Kirk-Attentat Trump politisch in die Karten. Doch auf der einen Seite radikalisieren sich seine Anhänger schneller, als der US-Präsident liefern kann. Und auf der anderen Seite fremdeln viele Republikaner mit dem Kurs.“

Bleibt zu hoffen, dass die vernünftigeren Stimmen hier einen „Kühlungseffekt“ haben werden, denn der derzeitige Irrationalismus mit Turbo ist ungesund.

Bis nächste Woche.


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