Recht und Gesellschaft: Linke Mythen: Alle Menschen sind gleich
Eine kritische Analyse linker Gleichheitsvorstellungen
Wenn Linke sagen, alle Menschen seien gleich, meinen sie nicht, sie seien identisch, sondern sie seien alle gleich viel wert. Es handelt sich also um eine moralische Aussage, sie beschreibt ein Sollen. Und das ist sehr verführerisch, denn welcher freiheitlich gesinnte Mensch möchte dafür plädieren, dass sich einige über andere erheben dürften?
Da es sich um eine moralische Aussage handelt, beinhaltet sie sehr viel mehr als Gleichheit vor dem Gesetz. Denn was nützt es einem Armen, wenn ein Reicher für Diebstahl genauso bestraft würde wie er, wenn dieser anders als er es aber gar nicht nötig hat zu stehlen oder legal stehlen kann?
Was so plausibel daherkommt, führt aber sofort in ein Dilemma. Wenn die Menschen zwar nicht identisch, aber von gleichem Wert sind, seien wir moralisch verpflichtet, die Differenz zwischen Sein und Sollen auszugleichen. Es reiche nicht, wenn Menschen bloß gleiche Rechte hätten, sie müssen darüber hinaus in ihrem Leben auch alle das gleiche erreichen können, denn sonst entspräche das Ergebnis ihres Lebens nicht ihrem tatsächlichen Wert. F. A. von Hayek hat immer wieder darauf hingewiesen, dass wir die gleichwertigen Menschen ungleich behandeln müssten, damit sie gleich sein können. Das bedeutet aber, Gleichheit vor dem Gesetz und materielle Gleichheit sind niemals gleichzeitig erreichbar, weil sie einander ausschließen.
Tatsächlich leugnen die Linken ja im Grunde nicht, dass die Menschen ungleich sind. Das ist auch nicht zu leugnen. Eine inzwischen sehr große Anzahl von Zwillings- und Adoptionsstudien kommt zu sehr ähnlichen Zahlen bezüglich der Heritabilität (Vererbbarkeit) von Persönlichkeitsmerkmalen wie Extraversion, Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit sowie Intelligenz. Der Psychologe Steven Pinker (1) gibt als grobe Schätzung 50 Prozent Heritabilität an. Erfahrungsgemäß kann man aber mit vielen Linken über dieses Faktum nicht diskutieren, weil sie meist dem Dogma anhängen, der Mensch käme als unbeschriebenes Blatt auf die Welt, auf das sich die Umwelt dann einschriebe. Solche Linke sind Empiristen, weil sie an Sozialtechnik glauben. Nun, das Gewicht der Umwelt ist empirisch belegt nur ca. 50 Prozent, aber vielleicht reicht das, um die genetische Prägung zu überschreiben?
Nein, denn die gleichen Studien zeigen, dass die nicht-geteilte Umwelt (im Wesentlichen die eigene Familie) nur einen sehr geringen Einfluss hat (zwischen 0 und 10 Prozent) und die Umwelteinflüsse im Wesentlichen auf die geteilte Umwelt (zum Beispiel Freunde, Lehrer, physische Umwelt) zurückgehen. Wenn aber die Erziehung in der Familie, der Prototyp der „intentionalen Erziehung“ (2), die Grundlage der Pädagogik, kaum Einfluss auf Persönlichkeit und Intelligenz hat, wie sollte man dann annehmen können, dass „intentionale Erziehung“ Einfluss in der geteilten Umwelt hat? Alles deutet darauf hin, dass fast alle Umwelteinflüsse „funktionale Erziehung“, also nichtintentionale Einflüsse sind. Anders ausgedrückt: Die Tatsache der Unterschiedlichkeit der Menschen kann nicht durch politische Maßnahmen beseitigt werden. Ganz generell ist zu konstatieren, dass die gewünschten Wirkungen politischer Maßnahmen nie deren tatsächlichen funktionalen Wirkungen entsprechen. Man erreicht immer etwas anderes als seine Ziele.
Falls es einen Linken gäbe, der bis hierher mitginge, könne er nun sagen: Okay, aber trotzdem haben doch diese verschiedenen Menschen alle den gleichen Wert! Dahinter verbirgt sich ein weiteres linkes Dogma, nämlich dass „Wert“ eine objektivierbare Größe sei. Mit dieser Annahme hat sich schon Karl Marx als Ökonom blamiert („Arbeitswerttheorie“). Tatsächlich ist „Wert“ immer eine subjektive Zuschreibung eines Individuums (was auch eine gut begründete Grundannahme der österreichischen Schule ist). Es gibt keinen objektiven Wert eines Menschen, sondern nur die subjektive Wahrnehmung von Menschen, für wie wertvoll sie ihn erachten. Für jeden Menschen ist das eine narzisstische Kränkung, wollen wir uns doch alle als bedingungslos wertvoll empfinden. Das ist der Grund, warum spätestens hier alle Linken aussteigen und nur noch erwachsene Menschen mitgehen. Ein erwachsener Mensch ist ein Mensch, der sein Selbstwertgefühl nicht von dem Urteil anderer Menschen abhängig macht.
Das Werturteil anderer Menschen drückt sich in einer Marktgesellschaft, also unter Fremden, darin aus, wie viel sie für den Beitrag eines Individuums zu ihrem eigenen Wohl bereit sind zu zahlen. Da die Menschen aufgrund ihrer natürlichen Ungleichheit nicht in gleichem Umfang in der Lage sind, hoch bewertete Beiträge zu leisten, nehmen sie unterschiedliche Geldbeträge ein. Die meisten durch linke Ideen motivierten Markteingriffe wollen erreichen, diese ungleiche Bezahlung zu vermindern (wenn sie nicht auf Chancengleichheit abzielen), natürlich mit dem Argument „Alle Menschen sind gleich“. Es wird also angenommen, der Wert eines Menschen drücke sich in seinem Einkommen aus (mit Ausnahme des „Kapitalisten“, der ja andere bestehle). Was sich dahinter tatsächlich verbirgt, ist Neid, den man in allen menschlichen Gesellschaften findet, was belegt, dass er angeboren ist.
Tatsächlich ist ein prekäres Selbstwertgefühl die Ursache für dieses linke Denken. Das erklärt nebenbei auch, warum jüngere Menschen eher zu linkem Denken neigen als ältere („Wer mit 20 nicht links ist, hat kein Herz; wer mit 40 noch links ist, hat keinen Verstand.“). Unsere heutigen Institutionen, insbesondere Schule und Hochschule, untergraben die Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben. Die Tatsache, dass sich junge Menschen in unserer Gesellschaft sehr lange nicht für einen Lebensentwurf entscheiden und somit auch keine Verantwortung für die Folgen übernehmen müssen, nennt der Psychoanalytiker Erikson „psychosoziales Moratorium“, Entwicklungsstillstand. In indigenen Kulturen überall auf der Welt waren Initiationsriten für den Übergang ins Erwachsenenleben üblich, die eine Konfrontation mit Angst und Schmerz vorsahen, oft wochen- oder monatelanges Aussetzen in der Wildnis (zum Beispiel der „Walkabout“ der Aborigines). In unserer Kultur wird das als unsinnige Quälerei angesehen. An einer Konfirmation oder Firmung, wenn sie überhaupt noch stattfindet, interessieren heutzutage so manchem vor allem die Geldgeschenke, die zu erwarten sind.
Das führt zu einer Selbststabilisierung linken Denkens. Aus linkem Denken folgt die Notwendigkeit eines gut ausgebauten Sozialstaates, der Gleichheit herstellen soll. Ganz besonders ungleich sind junge Menschen, weil sie noch kein eigenes Einkommen haben. Der Sozialstaat muss gerade ihnen deshalb Leistungen zuteilen: Kindergeld, Kinderzuschlag, Kinderfreibetrag, Bildungs- und Teilhabepaket, BAföG für Schüler und Studenten, Aufstiegs-BAföG und Berufsausbildungsbeihilfe, Stipendien und Förderprogramme, Wohnzuschuss für Studierende oder Azubis, Übergangshilfen des Jobcenters (Bürgergeld für U25). Das ist das genaue Gegenteil eines Initiationsritus, um jungen Menschen den Übergang ins Erwachsenenleben zu weisen. Also denken sie links. Sie lernen nicht, mit harten Realitäten umzugehen, und glauben auch nicht, dass es solche überhaupt gibt. Wenn sie mal mit einer konfrontiert sind, halten sie sie für „gemacht“. Es lässt sich immer jemand finden, der diese Härte vermeintlich nicht erleiden muss, also sei der Grundsatz „Alle Menschen sind gleich“ verletzt.
Wer mit der Welt nicht klarkommt, braucht Schutz, und den bietet der Staat gerne an, weil er von der Abhängigkeit des Staatsvolks lebt. Der Wunsch nach Gleichheit ist also eng mit Abhängigkeit verbunden: „Die Leidenschaft nach Gleichheit führt die Menschen bisweilen dahin, Knechtschaft zu wählen, nur um gleich zu sein.“ (Alexis de Tocqueville, De la démocratie en Amérique, 1835/1840)
Quellen:
(1) Steven Pinker, The Blank Slate: The Modern Denial of Human Nature, Penguin 2003
(2) Intentionale Erziehung. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.

