23. Dezember 2025 16:00

Was sind schon 90 Milliarden unter Freunden: Von allen guten Geistern gemieden

Die zerrinnenden Werte der Europäischen Union in ihrer Endphase

von Christian Paulwitz drucken

Da fliegt sie dahin, die regelbasierte Ordnung
Bildquelle: e-Redaktion Da fliegt sie dahin, die regelbasierte Ordnung

Fragen Sie sich auch immer, was mit dieser „regelbasierten Ordnung“ gemeint ist, mit der sich diverse EU-Politgrößen regelmäßig zitieren lassen, wenn sie versuchen, darüber hinwegzutäuschen, dass sie international von niemandem ernst genommen werden? Vermutlich ist es jeden Tag eine andere, die jedenfalls nichts mit grundsätzlichen Prinzipien zu tun hat.

Die dümmsten Spiele, bei denen jedes Ergebnis eine Katastrophe ist, werden nur auf dem politischen Parkett gespielt. Zwar hat sich Blackrock-Merz in seinem Amoklauf gegen verlässliche Grundsätze nicht direkt mit der Schnapsidee durchsetzen können, die in Brüssel eingefrorenen russischen Vermögen direkt zu konfiszieren und mit diesen der Ukraine das nächste Hilfspaket zu schnüren. Mit einer Billion deutscher Sonderschulden im Rücken konnten die europäischen Partner eine scheinbar weniger riskante Lösung finden. Im deutschen Erklärfunk gab es dazu die lustige Formulierung, das frische Geld für das Darlehen an die Ukraine müsse auf dem „Kaptialmarkt“ aufgenommen werden. Als ob sich auf einem echten, unmanipulierten Markt irgendjemand finden ließe, der den EU-Pleitestaaten oder ihrem übergeordneten Bürokratenverein auch nur einen Hosenknopf freiwillig zu leihen bereit wäre.

Etwas mitleidig, aber brav und geflissentlich wird eingeräumt, dass der deutsche Bundeskanzler sich nicht habe durchsetzen können, aber eine pragmatische Lösung mitgetragen habe. Als ob es nur um eine technische Frage gegangen wäre, wie noch mehr Geld in der Ukraine versenkt werden könne, werden gerne ein paar folgenschwere Implikationen unter den Tisch fallen gelassen, von denen ich hier ein paar herausgreifen will:

Europäische Gemeinschaftsschulden: Die werden von deutschen Bundeskanzlern ja traditionell genauso abgelehnt, wie an der Schuldenbremse im Grundgesetz festgehalten wird. Außer natürlich durch den impliziten Mechanismus der Euro-Geldschöpfung. Ansonsten verbieten ja die Verträge der EU eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme. Die regelbasierte Ordnung, Sie wissen schon. Die ist natürlich voller Ausnahmefälle – für Merkel war das die Corona-Kriegswirtschaft. Und für Merz nun die Ukrainefinanzierung. Was einmal geht, geht auch zweimal, und was zweimal geht, ist bereits Regel. Und daher in Ordnung.

Investitionsstandort Europa: Das eigentliche Signal liegt nun schon länger zurück. Es werden ja bereits die Zinserträge der eingefrorenen russischen Vermögen für die Ukraine abgezweigt, was natürlich ebenso ein Zugriff ist wie die direkte Beschlagnahmung des Kapitalstocks. Die EU-Staaten verstehen sich nicht als Kriegsparteien, sondern als Durchsetzer von Sanktionen gegen Völkerrechtsbrüche eines kriegführenden Staates. Zwar handelt es sich in der Summe überwiegend um staatliche Vermögen, um die es geht, aber eben auch nicht ausschließlich; ca. 2.500 Oligarchen, Politiker und Unternehmen sollen betroffen sein. Eine unabhängige Bewertung zur Rechtmäßigkeit der Beschlagnahmung von Zinserträgen erfolgt nicht, ja nicht einmal formal, um den Schein zu wahren. Es überrascht doch die Skrupellosigkeit, mit der man auf externes Kapital zugreift – einfach, weil man es kann und glaubt, damit durchzukommen. Das Signal vor allem an die BRICS-Staaten war bereits verheerend. Doch nun kommen auf einmal Skrupel auf; in Belgien fürchtet man, die Schwelle zu überschreiten, die Gegenmaßnahmen provoziert und die Konfiszierung von Kapital, auf das die russische Regierung zugreifen könnte. Doch vor allem bröckelt die eurokratische Einheitsfront.

Die Veränderung der Interessen im Ukraine-Krieg: Dass der Deal genau so zustande gekommen ist, wie er gemacht wurde, scheint mir kein Verhandlungszufall zu sein. Er befriedigt tatsächlich sehr viele Interessen. Der Automatismus der Verknüpfung der neuen Schulden mit den eingefrorenen russischen Vermögen wurde vermieden, so dass sich aus russischer Sicht noch kein Druck ergibt, zur Gesichtswahrung mit Gegenmaßnahmen zu antworten. Eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme ist im generellen Interesse vieler EU-Staaten, insbesondere Frankreich und Italien. Österreich und die Niederlande beteiligen sich dagegen ebenso wie Polen und Ungarn nicht an der Haftung für die neuen Schulden, die die Ukraine aus eigener Kraft natürlich niemals zurückzahlen können wird. Das erhöht den Druck auf die deutsche Regierung, schließlich doch noch auf russisches Vermögen zugreifen zu müssen. Eine Annäherung zwischen Russland und Deutschland selbst nach einem Regierungswechsel in Russland ist auf lange Zeit kaum denkbar, was wiederum geopolitischen Interessen in den USA entspricht, die ihrerseits ihre finanziellen Risiken im Ukraine-Krieg weitgehend auf die EU-Staaten verlagert haben. Die Fortsetzung des Ukraine-Krieges kommt einer deutschen Regierung politisch billiger als ein Friedensplan – zu dem sie ohnehin nicht gefragt werden wird. Bei Kriegsende können die EU-Staaten das Darlehen abschreiben. Die Hoffnung für die Ukraine besteht darin, dass bei Friedensverhandlungen Berlin nicht mitreden wird. Die Verhandlungen finden zwischen Moskau und Washington statt. Bezahlen wird die EU, also Deutschland; die Ukraine zahlt bereits einen fürchterlichen Preis. Die Behauptung der Bundesregierung, das Darlehen würde einen Frieden für die Ukraine näherbringen, ist natürlich eine Lüge.

Das Eskalationspotenzial: Wir wissen aus handlungslogischen Überlegungen, dass keine Regierung für das Wohl der Bevölkerung ihrer Staaten handelt. Will man überhaupt die Existenz eines solchen kollektiven Wohls anerkennen, so könnte es nur darin bestehen, dass die Bevölkerung von ihren Regierungen in Ruhe gelassen und nicht deren Zwängen und Drohungen unterworfen wird. Jedoch verfolgen Regierungspolitiker in ihren Handlungen selbstverständlich eigene, nicht unbedingt transparente Interessen, wenn auch nicht notwendigerweise aus böser Absicht. Ob die deutsche Regierung (einschließlich ihrer Vorgänger) nun ihren Staat – und nicht nur mit dem neuen Ukraine-Darlehen – wissentlich oder aus Dummheit in die nun bestehende Zwangslage manövriert hat, ist unerheblich. Das Ergebnis bleibt das gleiche. Frankreich und Italien stehen vor dem Staatsbankrott. Deutschland spätestens mit den Sonderschulden, für die der Weg Anfang des Jahres freigemacht wurde, ebenfalls. Sie werden zum Bailout auch nur eines der großen EU-Länder nicht ausreichen, ohne Deutschland selbst in den Staatsbankrott zu zwingen. Andererseits hat die Vergangenheit gezeigt, dass der Wille zur Deeskalation der Staatsschuldenkrise unter den staatlichen Akteuren praktisch nicht vorhanden ist. Bisher war jedes Mittel recht, um sich über die Ursachen der katastrophalen Situation noch weiter hinwegtäuschen zu dürfen. Dass aus den USA im gegenwärtigen Ukraine-Konflikt eher mäßigend Einfluss genommen wird, muss nicht beruhigen: Auch in den beiden vorangegangenen Weltkriegen waren die USA nicht von Beginn an dabei, haben es aber verstanden, in ihrem Verlauf ihre Assets abzusichern. Politik war nie etwas anderes als eine Folge von Deals. Auf anderer Leute Kosten, versteht sich.

Doch es gibt auch Chancen: Denn ganz ehrlich – es sieht mir nicht nach dem großen Krieg mit Russland aus, nach dem Bild, das NATO-Generalsekretär Mark Rutte jüngst gezeichnet hat. Das soll nur in unsere Köpfe rein. Und eine ordentliche Portion Angst dazu. Deutschland ist nicht kriegstüchtig, weit davon entfernt, aber auch die anderen europäischen NATO-Staaten sind es nicht, nicht einmal Polen. Würden unsere politischen Eliten das ernsthaft ins Auge fassen, ginge es gerade nicht darum, ob man nicht ein paar junge Leute mehr freiwillig für den Dienst in der Bundeswehr gewinnen könnte oder vielleicht doch irgendwann etwas nachdrücklicher werden müsse. Das Geld für die Bundeswehr wird rausgehauen, damit wenigstens die Rüstungsbranche zwischendurch ein paar gute Zahlen melden darf; das Kriterium sind die damit verbundenen Summen, nicht was damit erreicht wird.

Natürlich wird die Kriegswirtschaft als solche weiter vorangetrieben; auch die Drangsalierung Oppositioneller, die Zensur, die finanzielle Repression, CBDC usw. Es ist ungewiss, wie weit das gehen wird – das hängt ja auch entscheidend davon ab, was die Leute mit sich machen lassen. Am Ende wird jedoch die Europäische Union Geschichte sein, und natürlich die Europäische Zentralbank. Aber auch der deutsche Nationalstaat wird in viele kleine Einheiten zerfallen – nur so wird die finanzielle Haftung, die suprastaatliche Kontrolle beendet und ein Neuanfang möglich. Was für Chancen für die Freiheit sich da eröffnen werden …!

In diesem Sinne – Frohe Weihnachten!


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