US-Präsidentschaftswahlkampf: Neuauflage mit offenem Ausgang
Warum ich auf einen Biden-Sieg hoffe
Donald Trump hat nach New Hampshire im Palmetto-Staat seine zweite Vorwahl gewonnen und Nikki Haleys Präsidentschaftsambitionen mit einer Demütigung beerdigt. Auch wenn Haley sich das momentan noch nicht eingestehen möchte: Der Druck auf sie, auszusteigen, wird nun nur noch weiter zunehmen. Deutlicher als mit einem Sieg in dem Staat, den Haley sechs Jahre als Gouverneurin regiert hatte, konnte Trump die Machtverhältnisse in der Republikanischen Partei nicht zurechtrücken. Trumps Kandidatur können zu diesem Zeitpunkt nur noch Gerichte verhindern.
Dass jemand, der glaubt, vor vier Jahren systematisch um einen Wahlsieg betrogen worden zu sein, sich heute in demselben System, zu denselben Spielregeln, sogar gegen denselben Gegenkandidaten noch mal zur Wahl stellt, sagt wohl viel darüber aus, wie ernst Trump diese Vorwürfe selbst nimmt. Keine Frage: Es hat Manipulationen gegeben. Doch von einem erfolgreichen Amtsinhaber hätte man schon erwarten können, dass er den schon damals senilen Joe Biden so distanziert, dass keine Wahlmanipulation dieser Welt den Unterschied gemacht hätte. Wenn die einst soliden republikanischen Staaten Georgia und Arizona so umkämpft sind, dass ein paar gefälschte Stimmen den Unterschied machen, liegt das Problem vielleicht auch beim Kandidaten. Der republikanische Gouverneur von Georgia, Brian Kemp, sicherte sich seine Wiederwahl mit über sieben Prozentpunkten Vorsprung. Warum kommt Trump nicht an diese Werte ran?
Hätten die US-Präsidentschaftswahlen nicht im November 2020, sondern im Herbst 2019 stattgefunden, wäre Trump, da bin ich sicher, ohne größere Schwierigkeiten wiedergewählt worden. Aber er hat im letzten Jahr seiner Amtszeit zwei katastrophale Fehler begangen. Beide hatten mit Covid zu tun. Dass er entgegen seiner besseren Intuition Anthony Fauci die Kontrolle über Pandemieregime und Restriktionen in die Hand gab und auf dessen Anraten sogar Gouverneuren Verantwortungslosigkeit unterstellte, die entgegen Faucis Empfehlungen ihre Staaten öffneten, bleibt ein großer Schandfleck über seiner Präsidentschaft. Das darauffolgende wirtschaftliche Desaster hat Trump deswegen auch maßgeblich mitzuverantworten. Der zweite große Fehler war, dass er gegen das Bestreben der Demokraten, pandemiebedingt Briefwahl und vorzeitige Stimmabgabe auszuweiten, nicht stärkeren Widerstand leistete, auch über seine Sympathisanten in den einzelnen Bundesstaaten. Und gelernt hat er daraus offenbar auch nichts. Bei der CPA-Konferenz 2023 mahnte er seine Partei zum Umdenken an und forderte Konservative dazu auf, sich für die Stimmabgabe per Post oder auch Wochen vor dem eigentlichen Wahltermin zu öffnen.
Ein Rematch Biden-Trump macht weitere Drittparteienkandidaturen wahrscheinlicher. Zahlreiche Umfragen bescheinigen bereits Robert F. Kennedy Junior zweistellige Werte. Auch Joe Manchin hätte die Gunst der Stunde nutzen und seinen Hut in den Ring werfen können. Doch mit Verweis auf die gut geölten Maschinerien der beiden großen Parteien, gegen die man nicht ankäme, nahm er letzten Endes von einer Bewerbung Abstand. Und den wackeren Robert Kennedy werden sie ohnehin nie Präsident werden lassen, egal, wie viel Unterstützung er gewinnen kann. Dafür ist nicht nur Big Pharma im politischen Washington zu gut vernetzt.
Selbst wenn sie keinen einzigen Wahlmann gewinnen, bringen starke Drittparteienkandidaten das Feld durcheinander und machen Vorhersagen noch schwieriger. Bis heute etwa debattieren die Demoskopen, ob Ross Perot 1992 am Ende eher Clinton oder Bush Stimmen abgenommen hat. Perot hatte genügend Geld für einen landesweiten Wahlkampf, woran es bei Manchin scheiterte und bei Kennedy scheitern dürfte. Dabei könnte in einem knappen Rennen schon ein einziger Bundesstaat den Unterschied machen. Zuletzt versuchte das Evan McMullin 2016 in Utah gegen Trump, scheiterte aber mit 21 Prozent dann doch deutlich und landete im Mormonenstaat sogar noch hinter Hillary Clinton auf dem dritten Platz.
Erst einmal in der Geschichte des Landes wurde ein abgewählter Präsident vier Jahre später erneut ins Weiße Haus gewählt. Grover Cleveland war der 22. Präsident der USA zwischen 1885 und 1889 und der 24. Präsident zwischen 1893 und 1897. Dabei gewann Cleveland bei seiner Abwahl 1888, anders als Trump 2020, allerdings auch das Popular Vote. Und anders als im nun beginnenden Wahlkampf, wo es abseits von markigen Sprüchen oft wieder schwerfallen dürfte, grundsätzliche Unterschiede zwischen den beiden großen Parteien zu identifizieren, ging es bei der Wahl von 1892 um grundlegend unterschiedliche Vorstellungen in der Wirtschafts-, Finanz- und Handelspolitik. Seine Positionierung für den Freihandel und gegen die immer weitere Aufblähung des Haushalts unter der Präsidentschaft des Republikaners Benjamin Harrison bringt Cleveland übrigens bis heute den Ruf des libertärsten demokratischen Präsidenten in der US-Geschichte ein. Er war gleichzeitig der einzige Demokrat, der in der Zeit zwischen 1860 und 1912 zum Präsidenten gewählt wurde. Eine Partei, die damals in vielen Punkten das Gegenteil von dem verkörperte, wofür sie heute steht.
Eine Prognose, wer am 20. Januar 2025 als Präsident vereidigt wird, traue ich mir nicht zu. Dafür ist alleine schon die mentale Fitness des Amtsinhabers eine zu große Unbekannte. Ich muss allerdings auch zugeben, dass sich mein Interesse an dem ganzen Spektakel dieses Mal in engen Grenzen hält. Erstmals wird mein Fernseher am Wahltag diesmal ausbleiben. Team rot gegen Team blau hat komplett seinen Reiz für mich verloren. Insgeheim hoffe ich aber auf eine Wiederwahl Bidens. Aus zwei Gründen. Als jemand, der die amerikanische Zentralregierung zutiefst verachtet, ganz egal, ob gerade der Elefant oder der Esel regiert, gibt es für mich keinen besseren Government Posterboy im Westflügel des Weißen Hauses als einen betagten Demenzpatienten, der Emmanuel Macron mit François Mitterand verwechselt und bei Wahlkampfauftritten schon mal seine Schwester nicht mehr von seiner Ehefrau unterscheiden kann. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen und es gibt berechtigten Grund zur Annahme, dass Bidens kognitive Fähigkeiten während einer zweiten Amtszeit weiter nach Süden wandern.
Dazu kommt: Ich mag den Widerstandsgeist konservativer Amerikaner mehr, wenn sie in der Opposition sind. Stellen die Republikaner nämlich selbst den Präsidenten und eine Mehrheit im Kongress, finden dieselben, die jetzt Biden vorwerfen, die Verfassung mit Füßen zu treten, ihrerseits die windigsten Entschuldigungen, warum ein republikanischer Präsident nun mal nicht anders kann, als noch mehr Geld auszugeben oder das Zweite Amendment zu kastrieren. In Erinnerung ist mir etwa geblieben, wie viele Konservative Trumps mittlerweile von einem Bundesgericht für verfassungswidrig erklärtes Schnellfeuerkolbenverbot verteidigten. Eine Unterstützungserklärung der National Rifle Association (NRA) war alles, was der republikanische Amtsinhaber brauchte, um mehr oder weniger geräuschlos den schlimmsten Angriff auf den Zweiten Verfassungszusatz der vergangenen 30 Jahre zu exekutieren. Hätte ein demokratischer Präsident das getan, hätte er sich dafür von der NRA beschimpfen lassen müssen und Konservative hätten landesweit zu Protesten aufgerufen. Ähnliche doppelte Standards legten Konservative an, als sie Trumps zwei Billionen schweres Covid-Ausgabenpaket 2020 unterstützten. Ein Hilfspaket für die US-Wirtschaft, das es nie gebraucht hätte, wenn Trump im Frühling 2020 einfach mal die Nerven behalten hätte.
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