12. März 2024 17:00

Die Werte der EU Die regelbasierte Ordnung…

…anstatt einer auf Recht gegründeten Ordnung

von Christian Paulwitz

von Christian Paulwitz drucken

Artikelbild
Bildquelle: Shutterstock „Regelbasierte Ordnung“ als Wieselwörter für Willkür: Willkommen bei der EU

Kennen Sie dieses Gefühl? Sie hören mit halbem Ohr im Hintergrund das Geschwafel eines Polit-Apparatschiks – sagen wir EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, kann aber auch jeder andere einschlägig Verdächtige sein – und dann fällt wieder diese Phrase von der „regelbasierten Ordnung“, der sich die Europäische Union oder der Westen überhaupt verschrieben haben. Da schwingen „die Werte“ mit, die nie konkret benannt werden außer im Negativum, wenn im Sinne der Herrschaftsansicht ein Verstoß gegen diese vorliege. Dann wird einem schon angedeutet, dass man sich im Widerspruch zu den „europäischen Werten“ befindet, denen sich alle verbunden fühlen, weil sie so großartig sind. Es läuft mir jedes Mal eiskalt den Rücken runter, wenn ich wieder höre, wie die „regelbasierte Ordnung“ beschworen wird. Ein gruseliges Unwort wird in der Kombination mit dem Adjektiv geschaffen, das von dem ablenkt, was ausgehebelt werden soll. Das Substantiv verkommt zur Hülse ohne Inhalt – Ordnung signalisiert etwas Positives, jedes zielgerichtete Handeln setzt eine Ordnung voraus, etwas Verlässliches, unter dessen Bedingungen man sich bewegen kann. Der Begriff der Ordnung flößt Vertrauen ein, doch die Kombination mit „regelbasiert“ fühlt sich instinktiv falsch an. Doch warum?

Tatsächlich zur Ordnung gehört das Recht. „Recht und Ordnung“ gehören begrifflich zusammen, nicht „Regel und Ordnung“. Jede Ordnung involviert Regeln, sonst wäre sie keine Ordnung – dabei ist noch nichts über die Qualität einer Ordnung und deren Regeln gesagt. Das Recht ist die Grundlage einer guten Ordnung, die die praktische Ausgestaltung von Kooperationsbedingungen spiegelt. Die „regelbasierte Ordnung“ ist dagegen inhaltlich völlig unbestimmt, denn es gibt keinen Anhaltspunkt, auf welcher Grundlage die Regeln formuliert werden, und was unbestimmt ist, unterliegt der Deutung desjenigen, der die Macht dazu ausüben kann. Folgen die Regeln dem Recht oder widersprechen sie ihm? Die Basis ist nicht das Recht, sondern die Regeln. Dabei ist Recht im eigentlichen Sinne nicht verhandelbar, Regeln sind dagegen Vereinbarungen, nicht unbedingt im Einvernehmen. Nicht dass Regeln im Allgemeinen etwas Schlechtes wären – durchaus nicht. Jeder kennt die Regeln der Straßenverkehrsordnung wie die Vorfahrtsregelungen und die zur Nutzung der Fahrbahnseite – sie stellen im Allgemeinen niemanden grundsätzlich über oder unter einen anderen, außer in einer vorübergehenden Situation, so dass alle ohne großen Verhandlungsaufwand ihr jeweiliges Ziel erreichen können, und ohne Konsequenzen für künftige Situationen. Solcherart Regeln sparen Zeit beim Aushandeln der Bedingungen freiwilliger Kooperation, ohne Herrscher und Beherrschte zu kennen. Sie beschneiden keine Rechte.

Ganz anders verhält es sich bei den Regeln zur „regalbasierten Ordnung“, die auf die Beziehungen von Staaten untereinander abzielt, die ja bekanntlich selbst Organisationen sind, die auf die Beschneidung von Rechten gegründet sind. Erstaunlich offen schreibt selbst Wikipedia, dass es sich um eine inhaltsleere Phrase handelt: „‚Regelbasierte Ordnung‘ (RBO, …), auch ausgeschrieben ‚regelbasierte internationale Ordnung‘ (…) oder ‚regelbasierte Weltordnung‘, steht seit 2008 vor allem in Staaten der westlichen Welt als Soft Law mehr als politischer Begriff für Konzepte teils entgegengesetzter Auffassungen ohne klare Definition. Das Verständnis des Begriffs hängt davon ab, wer ihn verwendet; die zugrundeliegenden Regeln und ihre Entstehung sind unklar. So weichen die Bedeutungen der RBO aus Sicht der USA, Australien, Deutschland und Indien deutlich voneinander ab und decken sich nicht mit der der Vereinten Nationen. Andere Staaten lehnen diesen Begriff ganz ab und stützen sich in Abgrenzung dazu auf das internationale Recht (Völkerrecht) als juristischem Begriff für die überstaatliche, aus Prinzipien und Regeln bestehende etablierte Rechtsordnung.“

Bemerkenswert auch: man kann die Entstehung des Begriffs zeitlich auf das Jahr 2008 sicher benennen, weiß aber offenbar nicht so genau, woher er eigentlich kommt und was er bedeuten soll.

Nun herrscht bereits über das, was man unter dem über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende gewachsenen sogenannten Völkerrecht versteht, nicht wirklich Einigkeit auf dem Globus, wenn es um die Anwendung auf konkrete, konfliktbehaftete Beziehungen zwischen Staaten geht. Nicht erst der zweite Weltkrieg hat deutlich gemacht, dass es an unabhängiger Schiedsgerichtsbarkeit wie auch Durchsetzungsfähigkeit völkerrechtlicher Prinzipien mangelt, und diese immer eine Frage der Macht und der Fähigkeit zur Durchsetzung einer Deutung bleiben. Das bleibt auch für heutige Konflikte bestehen, beispielsweise bei der Feststellung, was ein Angriffskrieg ist und was nicht. Der ehemalige General Gerd Schultze-Rhonhof zitiert in einem Buchvorwort einen früheren israelischen Botschafter in Bonn mit der Antwort auf die Frage, wer 1967 den Sechs-Tage-Krieg begonnen und die ersten Schüsse abgegeben habe, dass dies gänzlich belanglos sei; entscheidend sei, was den ersten Schüssen vorausgegangen ist. Tatsächlich ist die Schuldfrage zum einen in einem konkreten Fall durchaus schwierig zu beantworten und zum anderen völkerrechtlich erst seit der Kriegsschuldfrage zum I. Weltkrieg von Belang. Bis dahin war die Machtfrage zwischen den Staaten keine Frage der Massenpsychologie. Man wusste im Allgemeinen, dass die Beziehungen von Staaten untereinander durch Fragen von Interessen und Macht gekennzeichnet waren, wenn auch nie gänzlich ohne Spielregeln, aber nicht durch Rechtskategorien beschreibbar, wie es sie für die Beziehungen von Individuen untereinander mit einem hohen Grad an Konsens gibt – und die von Staaten regelmäßig einseitig eingeschränkt und damit negiert werden. Stichwort: Eigentumsrechte.

Doch selbst der bereits sehr eingeschränkte Konsens des Völkerrechts steht mittlerweile zur Disposition. Wer eine neue „regelbasierte Ordnung“ durchsetzen will, der will eben nicht eine Ordnung, die sich auf das gewachsene Völkerrecht stützt, und vielleicht an dessen Mängeln arbeiten, um international einen breiteren, verbesserten Konsens zu erzielen und unabhängige Instanzen, frei von Machteinflüssen zu schaffen, die über dessen Einhaltung wachten. Vielmehr ist „Soft Law“ das Stichwort, das mit der „regelbasierten Ordnung“ zu verknüpfen ist. Dabei handelt es sich um internationale Absichtserklärungen, die formal mit völkerrechtlich nicht bindender Wirkung verabschiedet werden, aber über den Begriff der „regelbasierten Ordnung“ mit einbezogen werden. Ein Beispiel dazu wäre der UNO-Migrationspakt – oder die internationalen Standards der OECD zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung – oder aber der WHO-Pandemievertrag, der gerade vorbereitet wird. Am Ende wirken die „Soft Laws“ nicht so unähnlich wie das Völkerrecht: Entscheidend ist, was gegen wen gefordert und am Ende auch machtpolitisch durchgesetzt werden kann. Nur sind die „Soft Laws“ in ihrem Anspruch erheblich verlogener als das konventionelle Völkerrecht und ohne Umschweife direkt gegen objektives Recht gerichtet.

Apropos verlogen: Was waren noch einmal die Regeln als Basis der Ordnung der EU?

Das Subsidiaritätsprinzip, das verlangt, dass Entscheidungen auf der untersten möglichen Ebene getroffen werden, deren Kompetenzen Brüssel in immer größerem Umfang an sich gezogen hat.

Der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen innerhalb der EU, der von der zumindest tolerierten, doch eher sogar geförderten Lockdownpolitik während der sogenannten Pandemie untergraben wurde.

Ach ja, und bei der Gemeinschaftswährung sollte kein Land für die Schulden eines anderen Landes haften. Die Krönung aller Regeln der „regelbasierten europäischen Ordnung“. Wer eine „regelbasierte Ordnung“ beschwört, will Regeln setzen, denen sich andere unterwerfen müssen, und sie ignorieren, wenn sie ihm lästig sind. Politpsychopathen, Menschen mit Herrschaftsanspruch über andere Menschen, wollen über die Regeln wachen – Grund genug, dass es einem eiskalt den Rücken runterläuft.


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.