Das Kriegsgeschrei wird lauter: Was für den Dritten Weltkrieg spricht und was nicht
Und wer hat wirklich ein Interesse daran, jetzt wen noch militärisch anzugreifen?
von André F. Lichtschlag (Pausiert)
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Das Kriegsgeschrei wird lauter. Die da wüten und noch mehr elendig verreckte Menschenleben in der Ukraine für ihre globalen Machtspielchen einfordern, sind dieselben Hasardeure, die uns vor einigen Monaten noch mit „Corona-Maßnahmen“ das Leben im Land zur Hölle machten (Kinder den ganzen Tag unter Atemschutzmasken zwangen, die nach Herstellerangaben keinesfalls länger als 75 Minuten aufgesetzt werden durften, alte Menschen einsam und von der Verwandtschaft isoliert sterben ließen und vieles Grausame mehr). Schon damals waren ihnen keine Privatsphäre und niemandes Unversehrtheit oder gar persönliches Glück heilig, jetzt trachten sie, die aalglatten Anheizer für „the current thing“, die in ihren Social-Media-Profilen längst von Spritzenarsenalen auf Ukraine-Flaggen umgesattelt haben, auf dem Schlachtfeld offen nach immer mehr Menschenopfern. Sozialismus tötet.
Wenn „wir“ nicht nochmal Hundertausende Ukrainer für „unsere“ Ziele an der Front – bis zum Endsieg, wie immer – verheizen (schönen Dank, sagen zynisch die deutschen Schreibtischtäter den gefallenen ukrainischen „Helden“ und ihren weinenden Familien), dann „kommt der Russe zu uns“, dann überfällt Putin als Nächstes die Nato, warnen sie. Wer glaubt solchen Blödsinn?
Welches Interesse soll der russische Staat haben, auch noch den Westen selbst anzugreifen, wenn schon die von der Nato aufgepäppelte Stellvertreterarmee des kleinen Nachbarn seinen Streitkräften mehr als zwei Jahre arge Probleme bereitet hat? Nicht nur die Ukraine, auch Russland ist bereits stark ausgeblutet in dieser Endstufe hochpolitisierten Wahnsinns, der Krieg heißt. Nein, es sind die Anheizer im Westen selbst, die – noch – weit weg vom Kampfgeschehen dieser Tage immer aggressiver werden in ihrer Rhetorik. Wer hinhört, erkennt, von wem die Gefahr eines neuen Weltkriegs ausgeht, wer wirklich die Gunst der Stunde eines geschwächten Gegners jetzt ausnutzen möchte oder die Chancen zumindest verdammt gerne mal ein wenig intensiver austesten würde.
Die Macrons, Tusks, Pavels, Baerbocks, Hofreiters und Strack-Zimmermanns schnauben und scharren täglich wilder mit den Hufen. Nur der große amerikanische Bruder mag nicht so recht, weil er die alles andere als kriegslüsterne Heimatfront im Wahljahr fürchtet. Bislang jedenfalls, Gott sei Dank. Doch bis November und den Wahlen in Amerika ist es noch viele Monate hin. Was, wenn die US-Falken ähnlich wie Macron in Frankreich bemerken, als „Lame duck“ doch eigentlich eh nichts mehr zu verlieren zu haben?
Genau wie in der wahnwitzigen Corona-Zeit widersprechen sich die Protagonisten der totalen Politisierung täglich selbst, doch es schert sie auch diesmal nicht. In Nahost soll bitte unbedingt verhandelt werden, sagen sie, dem Frieden zuliebe. In der Ukraine nicht. Warum eigentlich nicht?
Inzwischen ist der Entwurf des Friedensvertrags zwischen Russland und der Ukraine aus dem April 2022 geleakt worden, dessen Abschluss von London und Washington verhindert wurde. So günstig wird die Ukraine nie wieder Frieden schließen können, aber das bekümmert jene nicht, denen es um die Schwächung Russlands auf Kosten eines Clowns und dessen Landes und Menschenmaterials geht.
Ich vermute, dass sich im Februar 2022 beide Seiten verkalkuliert haben. Die russische Staatsführung glaubte wohl, in wenigen Tagen oder Wochen die Ukraine militärisch zur Aufgabe zwingen zu können (doch die hatte der Westen bereits stärker aufgerüstet, als die satten, korrupten Militärs im Kreml das mitbekommen hatten). Und die Superstrategen im Westen glaubten, dass ihre nachweislich lange zuvor ausgearbeiteten, nie zuvor gegen irgendwen je so zahlreich verhängten Sanktionen Russland ökonomisch in wenigen Wochen oder Monaten in die Knie zwingen würden (doch da war die russische Wirtschaft auch dank chinesischer Hilfe besser vorbereitet, als die Planökonomen im Westen sich das ausgemalt hatten). Dumm gelaufen, nachhaltig geschwächt wurde am Ende vor allem die eigene Wirtschaft, allen voran in Deutschland. Tja, Politiker und Bürokraten machen Fehler, verkalkulieren sich, wer hätte das gedacht.
Die Welt hat sich nach dem 22. Februar 2022 tiefer geteilt. Im Nahen Osten verlaufen die Fronten ähnlich wie in der Ukraine. Dort die zuletzt stark erweiterten Brics-Staaten mehr oder weniger offen aufseiten Russlands und der Palästinenser, hier der Wertewesten stramm an der Seite Israels und der Ukraine. Fehlt nur noch eine Eskalation im Taiwan-Konflikt, um in einen dritten Weltkrieg zu „schlafwandeln“.
Bemerkenswert ist, dass sich außer Russland kein Brics-Staat bislang provozieren ließ, nicht einmal im brodelnden Nahen Osten. Tatsächlich sind es meist nicht die Aufsteiger im Weltgefüge, die Interesse an einer militärischen Eskalation haben. Für sie spielt ohnehin die Zeit. Vielmehr sind es in der Menschheitsgeschichte regelmäßig eher die bisherigen Hegemonen, die im Zweifel ihre Stellung als alleinige Weltmacht nicht kampflos preiszugeben bereit sind.
Beide Bündnisse im neuen Ost-West-Konflikt sind weniger gefestigt, als sich das die Hardliner wünschen. Argentinien ist doch nicht den Brics beigetreten. Und auch Indien wird immer heftiger vom Westen umworben, aus Brics auszuscheren. Umgekehrt sind Ungarn und vor allem die Türkei zunehmend unsichere Partner auf der Seite des Wertewestens, wird gerade die Türkei von den Brics-Staaten immer offensiver für einen Seitenwechsel umflirtet. Solange solche Unsicherheiten bestehen, dürfen wir hoffen, dass die ganz große Konfrontation vielleicht doch nicht droht. Oder noch nicht.
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