01. Mai 2024 06:00

Herrscherwillkür Wider das irregeführte Volk!

Die Ähnlichkeit des Königs Max Joseph von Bayern mit den Parteipolitikern von heute

von Oliver Gorus

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Bildquelle: own work, Wolfgang Sauber, 2010-12-29 / Wikimedia König Max Joseph (1756–1825): Vorbild für unsere heutigen Politiker?

Heute vor 216 Jahren wurde die erste ständeunabhängige Volksvertretung in einem deutschen Staat eingeführt: König Max Joseph aus dem Hause Wittelsbach erließ am 1. Mai 1808 die Bayerische Constitution, die erste Verfassung Bayerns.

Dies waren erste deutsche Wurzeln des repräsentativen Verfassungsstaats; die Bayerische Verfassung von 1818 und die Reichsverfassung von 1871 bauten auf dieser Tradition dann weiter auf.

Repräsentiert wurde das Volk durch ihre im wirtschaftlichen Sinne produktivsten Bürger. Die 200 Landeigentümer, Kaufleute oder Fabrikanten in jedem Kreis, die dort die meisten Grundsteuern bezahlten, durften aus ihrem Kreis per Wahl die Reichsversammlung bilden. Dieses Quasi-Parlament sollte Ausschüsse für Finanzen, Recht, Verwaltung und Staatsschulden bilden, die mit den Apparaten der vom König ernannten Minister Gesetze beratschlagen und vorbereiten, ja sogar über die so entstehenden Gesetze abstimmen durften, die allerdings nur dann tatsächlich in Kraft traten, wenn der König die Gesetze erließ. Denn natürlich er, nicht etwa das Volk, war der Souverän.

Das Recht, sie zu knechten

Diese Verfassung modernisierte das Königreich Bayern in vielerlei Hinsicht und überwand hiermit die Ständegesellschaft. Vor allem wurden die vielen zuvor in Kriegen gewonnenen Provinzen konsolidiert und damit zentral regierbar gemacht, die Verwaltung und die Gerichtsbarkeit vereinheitlicht.

Aber auch die Bürger hatten zumindest vordergründig etwas davon: Der König führte die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz ein, außerdem die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Garantie des Eigentums, die Gewissens- und Religionsfreiheit, ja sogar eine bedingte Pressefreiheit. Auch die erwähnte Repräsentation durch die Reichsversammlung war völlig neu. Sie beruhte auf einem strikten Zensuswahlrecht, nach dem Motto: Wer die Party bezahlt, bestimmt die Musik – jedenfalls unterhalb des Königs.

Viele Politiker von heute würden die Bayerische Verfassung von 1808 als einen der Grundsteine der heutigen repräsentativen Verfassungsdemokratie, der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Grundgesetz feiern, von der sie annehmen, dass es „das beste Deutschland aller Zeiten“ ist, das „Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“, wie es die CDU im Bundestagswahlkampf 2017 ausdrückte.

Und natürlich gefällt heutigen Parteipolitikern eine solche Verfassung von oben. Denn so wie Max Joseph damals der Herrscher war, sind die Parteispitzen heute die Herrscher. Und so wie damals eine Verfassung den Herrscher nicht davon abhielt, sich den Staat zur Beute zu machen, so vermag auch heute das Grundgesetz nicht, dies zu verhindern.

Rechte der Bürger waren gnädig vom Herrscher verliehene Rechte. Was auf dem Papier stand, wurde jederzeit einkassiert, wenn der König es wollte, in etwa wie heute das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Versammlungsfreiheit oder die Meinungsäußerungsfreiheit jederzeit kassiert werden können, wenn Parteipolitiker das im Regierungsamt beschließen und Parteipolitiker im höchsten Richteramt das abnicken, Verfassung hin oder her. Wir haben ja in den letzten vier Jahren eine Menge über die wahren Machtverhältnisse dazugelernt.

Auch die von des bayrischen Königs engstem Vertrauten Maximilian von Montgelas erdachte und ausgearbeitete Verfassung von 1808 war natürlich kein Dokument der individuellen Freiheit der Bürger, sondern ein Instrument der Machtbewahrung und -ausweitung für den König. Mit der Verfassung wollte er Napoleon zuvorkommen, um weitergehende freiheitliche Ideen im Keim zu ersticken. Montgelas setzte die radikale Säkularisierung des Königreichs durch. Alle Reformen der Verwaltung, des Rechts-, Finanz- und Steuerwesens hatten alleine den Zweck der besseren Regierbarkeit, denn Max Joseph und sein Chefberater Montgelas waren radikale Zentralisten.

Wer das Machtmonopol hatte, darüber bestand kein Zweifel. Jeder Staatsbürger musste laut Verfassung im Alter von 21 Jahren vor der Verwaltung seines Kreises einen Eid ablegen, dass er der Konstitution und den Gesetzen gehorchen und dem König als Untertan treu sein wolle.

Die Verfassung war ein Baustein, um es dem „Souverän“ zu ermöglichen, das Volk zu knechten und sich in anderen Ländern wie eine Wildsau aufzuführen. Insofern sind der König und seine Verfassung als frühes Vorbild für heutige Parteipolitiker durchaus interessant und relevant. Max Joseph zeigte, was passiert, wenn in einem Land Politiker zu viel Macht haben.

Volle Kontrolle

Noch bevor er 1806 König wurde, hatte Max Joseph als Kurfürst gezeigt, aus welchem Holz er geschnitzt war: Kaum im Amt, setzte er sich über geltendes Recht hinweg und wies sämtliche Ausgaben des Hofs dem Finanzdepartement zu, das er selbst befehligte. Seine persönlichen Ausgaben wurden somit jeder Kontrolle der Landschaften, also der Steuerzahler, entzogen. Die enormen persönlichen Schulden, die Max Joseph mit ins Amt gebracht hatte, ließ er sich vom Staat tilgen. Anders als das britische Königshaus von heute, das für den Staatshaushalt mehr erwirtschaftet, als es kostet, lebte der Kurfürst wie heutige Berufspolitiker also vollständig parasitär auf Kosten des steuerzahlenden Volks.

Dann steigerte er die Staatsausgaben drastisch und führte zu deren Finanzierung neue direkte Steuern ein, was ja auch das Lieblingsspiel heutiger Politiker ist. Diese waren: Grundsteuer, Haussteuer, Dominikalsteuer, Gewerbesteuer, Familiensteuer, Zugviehsteuer, Schuldentilgungssteuer, Zinsdezimation, Kapitaliensteuer …

Obwohl in der Verfassung die Sicherheit des Eigentums garantiert war, beschloss er Zwangsanleihen auch auf die kleinsten Besitztümer. Jeder Hausvater musste für sich, seine Frau, die Kinder, die Dienstboten und Gesellen das Vermögen angeben. Wurde etwas verheimlicht, zog der Staat den zehnfachen Betrag des verschwiegenen Vermögens ein – ein feuchter Traum für heutige Politiker. Auf das Vermögen wurde eine allgemeine Kriegssteuer erhoben, die im Laufe der Jahre immer weiter verschärft wurde. Der Machthaber quetschte sein Volk aus, um auf dem Schachbrett Europas mitspielen zu können.

Besonders auch die Kirchen mussten blechen. Silber, Edelsteine und Perlen wurden eingezogen, also glatt gestohlen. Die Güter der Geistlichen und der Kirchen wurden verstaatlicht, die Kirche musste sich dem Staat unterordnen.

Dann ging es weiter: Arbeitstage wurden vermehrt, Feiertage wurden abgeschafft. Kirchweihen, Wallfahrten und Prozessionen wurden verboten, die Untertanen sollten stattdessen arbeiten, jegliche Form von Arbeitsniederlegungen wurden strengstens verboten. Dem Herrscher gefiel es also, bis weit in das Privatleben hineinzuregieren und Sitten und Gebräuche zu missachten.

Auf Zuwiderhandlungen standen drakonische Strafen. Ein Pfarrer beispielsweise, der in seiner Predigt erwähnte, dass er es aus theologischen Gründen nicht gut finde, dass bestimmte Feiertage abgeschafft worden seien, verlor sein Priesteramt, wurde in eine andere Gegend verschleppt und dort eingesperrt. Wurden Kalender gefunden, auf denen die abgeschafften Feiertage noch eingetragen waren, wurden die Drucker und Verleger als Kriminelle bestraft.

Unterdrückung nach innen und außen

Kein Wunder, dass es zu Rebellionen und Tumulten kam. Vor allem Handwerker widersetzten sich dem Obrigkeitsstaat, wurden jedoch mit roher Gewalt und körperlicher Züchtigung schnell zur Räson gebracht und in die „Schranken der Ordnung und Unterwürfigkeit“ verwiesen.

Auch wenn in der Verfassung eine bedingte Pressefreiheit garantiert wurde, kümmerte das den Kurfürsten und späteren König wenig. Unmittelbar nachdem er im Amt war, verschärfte er die Zensur und führte sogar so etwas wie die „Faktenfinder“ und „Correctiv“ ein: Schimpfen und harte Ausdrücke gegen den Hof waren verboten, und er ordnete an, dass Staatsdiener, Kirchen und Schulen das „irregeführte Volk“ durch zweckmäßige Schriften zu belehren hätten. Auch das kommt uns heute merkwürdig vertraut vor.

Je reicher und fetter der Staat wurde, desto mehr schrumpfte der Wohlstand der Bevölkerung. Die Armut nahm zu, während der Staatshaushalt stieg. Eine weitere Parallele zum übergriffigen Staat von heute.

Und weiter: Im Außen beteiligte sich der bayrische Staat unter Max Joseph äußerst gerne an Kriegen, um seinen Einfluss zu erhalten oder zu mehren. 1805 verbündete er sich im Geheimen mit dem zuvor verfeindeten Napoleon gegen Russland und Österreich. Das brachte ihm ein Jahr später nicht nur die Vergrößerung seines Reiches, sondern auch die Königskrone ein. Viele Tausend Menschen ließ er in den Koalitionskriegen für seine Ambitionen sterben.

In Südtirol drangsalierte er die Bevölkerung mit Übergriffen ins Privatleben und mit Eingriffen in Sitten und Gebräuche dermaßen, dass diese keine andere Wahl sah, als sich 1809 im Tiroler Volksaufstand zur Wehr zu setzen, um die eigene Kultur und Lebensweise, die eigene Identität zu bewahren. Unter Andreas Hofer vertrieben die Südtiroler Bauernheere die bayrische Besatzungsmacht, befreiten sich für ein knappes Jahr, schlugen sogar mehrfach die bayrisch-napoleonischen Truppen, wurden dann jedoch von der Schutzmacht Österreich im Stich gelassen und von der Übermacht Frankreichs in die Knie gezwungen. Andreas Hofer wurde verraten und hingerichtet.

Wie für jeden Politiker heute war auch für den König Max Josef von Bayern die größte Angst die vor Machtverlust. Darum ließ er in die Verfassung von 1808 schreiben: „Wer den König oder seine Familie verdrängen will, wer die Thronfolge abändern will, ist ein Hochverräter! Ein solcher Missetäter soll enthauptet und vor der Hinrichtung mit einer Tafel auf Brust und Rücken, welche die Aufschrift ‚Hochverräter‘ führt, in einem roten Hemde eine Stunde lang von dem Scharfrichter-Knechte an den Pranger gestellt werden. Auf seinem Grabe wird eine Schandsäule errichtet. Seine Familie soll ihren Namen verändern.“

Der Demokratie schaden, um sie zu schützen?

Und wie ist das heute? Das Spitzenpersonal der Parteien, die Bundestagsabgeordneten und Regierungsmitglieder kommen mir derzeit vor wie Schiffsbesatzungen, die auf hoher See mit Äxten Feuerholz aus dem Schiffsrumpf schlagen, um sich eine warme Mahlzeit zu kochen: Ihr eigenes unmittelbares Wohl ziehen sie jederzeit dem nachhaltigen Wohl derjenigen vor, die sie theoretisch repräsentieren sollen: der Bürger.

Die ganze Energie der Parteien ist darauf ausgerichtet, ihre Machtbasis zu erhalten und zu erweitern. Ich vermute, dass die Selbsterhaltung um jeden Preis das natürliche systemische Verhalten solcher Organisationen ist: Jedes existierende komplexe System will notwendigerweise weiterexistieren, denn alle Systeme, auf die das nicht zutrifft, sind längst vergangen. Übrig bleiben nur diejenigen, die einen funktionierenden Selbsterhaltungsmechanismus ausgebildet haben – das gilt für gesellschaftliche Systeme genauso wie für Organismen in der belebten Natur.

Allerdings sind die herrschenden Parteien von ihrer Grundkonstruktion her parasitäre Systeme, deren Wirt die produktiven Bürger snd. Daran hat sich auch in den letzten 200 Jahren in der Zeit der Verfassungsstaaten nichts geändert. Und beim Überleben und Wachsen auf Kosten der Bürger neigen sie dazu, ihren Wirt so auszubeuten und zu schädigen, dass der sich irgendwann wehren muss.

Die Tatsache, dass die Parteien die Spitzenämter von Verfassungsschutz und Verfassungsgericht, die Kontrollorgane der öffentlich-rechtlichen Medien und die Weisungsgeber der Staatsanwaltschaften mit Parteipolitikern besetzen konnten, um ihre Macht abzusichern, ja, zu totalisieren, markiert unwiderlegbar, dass wir nicht in einer Volksherrschaft (Demokratie) leben, sondern in einer Parteienherrschaft.

Politiker, die in dieser Grundsituation davon schwätzen, „die Demokratie“ oder „das Klima“ oder „die Gesundheit und das Gesundheitssystem schützen“ zu wollen, wollen in Wahrheit immer und ausschließlich Ihre und meine Grund- und Freiheitsrechte weiter einschränken, um die Totalisierung ihrer Macht voranzutreiben.

Jüngstes Beispiel: Der thüringische Ministerpräsidentenkandidat der CDU, Voigt, schützt nicht nur Gehacktes vor Mett, sondern sagte, er wolle „die Demokratie schützen“, indem Pseudonyme in den Social Media verboten werden, „verwirkbare“ Social-Media-Lizenzen eingeführt werden, analog eines bei Fehlverhalten entziehbaren Führerscheins, und dass bestimmte Meinungen via staatlich kontrollierter Algorithmen unterdrückt werden, um „Blasen platzen“ zu lassen. Er will im Klartext nichts anderes als die immer enger würgende staatliche Zensur der gemäß Grundgesetz und Menschenrechte eigentlich freien Meinungen der Bürger. Meinungsfreiheit und Pluralismus sind aber die Grundbedingungen, sozusagen der Schiffsrumpf einer Demokratie. Also: Er will die Demokratie beschädigen, um vorgeblich die Demokratie zu schützen.

Warum will er das? Natürlich um die Macht seiner Partei vor kritischen Bürgern zu schützen und damit sein Biotop für seine Karriere, seine Pöstchen und seine Pensiönchen zu erhalten. Alle Politiker, die in Parteien nach oben gekommen sind, Listenplätze und Parteiämter ergattert haben, opfern erfahrungsgemäß früher oder später das Wohl des Bürgers für ihre eigenen Ambitionen. In jedem von ihnen schlummert ein kleiner Max Joseph.


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