Der Elektroautokanzler: Die Herrschaft einer Sekte…
…steht und fällt mit der Gefolgschaft der Gläubigen
von Christian Paulwitz drucken
Eigentlich ist ja Volkswagen der Lieblingsautokonzern der Politik in Deutschland. Mit 20 Prozent bei den Stimmrechten – bei nur 12 Prozent Kapitalanteil – übt das Land Niedersachsen Einfluss auf den Konzern aus, um hier nur den oberflächlichsten Aspekt einer komplexen Beziehungsstruktur herauszugreifen. Für einen Ministerpräsidenten hat ein derart starker industrieller Arbeitgeber im Land seine angenehmen Seiten und bietet manche Gelegenheit, sich medienwirksam in seinem Glanze zu sonnen – oder sich auch einmal bei Schwierigkeiten als Retter zu inszenieren. Auf seinem Weg ins Kanzleramt hat sich Gerhard Schröder als letzter sozialdemokratischer Vorgänger von Olaf Scholz unter anderem den Ruf als „Autokanzler“ erworben.
Nun hat nicht jedes deutsche Bundesland einen Volkswagen mit Stammsitz im Land inklusive direkter politischer Abhängigkeit, aber so manch anderes Land macht seinem Ministerpräsidenten mit einem anderen Autokonzern von Weltrang Freude: Baden-Württemberg mit der Mercedes-Benz AG, Bayern mit BMW und Audi, das zum VW-Konzern gehört, und nicht zu vergessen die kleineren Automobilableger nicht-deutscher Konzerne mit Produktion in Deutschland, die dann aber aufgrund der geringeren Leidensfähigkeit ihrer Stammhäuser an der deutschen Politik bereits in der Vergangenheit nicht nur den jeweiligen Ministerpräsidenten die eine oder andere Sorgenfalte beschert haben. So beispielsweise Ford in Nordrhein-Westfalen – oder eben Opel in Hessen, das diese Tage 125-jähriges Firmenjubiläum feierte, was dem aktuellen Kanzler eine Gelegenheit bot, sich im Wohlstand verheißenden industriellen Rampenlicht zu inszenieren. Ausgerechnet er.
Ist obige Aufzählung zur Automobilindustrie in Deutschland bereits beeindruckend, so enthält sie noch nicht einmal die vielen kleineren bis großen Unternehmen aus der Zulieferindustrie, einige davon mit Weltrang. Sie schaffen Werte, produzieren etwas, was richtige Kunden, die mit ihrem eigenen Geld zahlen, nachfragen und kaufen. Und diese Wertschöpfung speist weitere unzählige kleinere und größere Unternehmen, die die unzähligen Bedürfnisse der produzierenden Beschäftigten der Automobilindustrie mit freiwillig nachgefragten anderen Produkten und Dienstleistungen gegen Bezahlung zu befriedigen suchen. Nicht zuletzt speist diese Wertschöpfung aber auch die parasitären Strukturen von Politik und Bürokratie, deren geschwürartiges Wachstum wie ein Mühlstein an jedem Produktionsbetrieb hängt, die aber ohne diese selbst nicht existieren können. Ist der Wirt tot, hat auch der Parasit, der sich in ihm bequem eingenistet hat, seine Lebensgrundlage verloren. Theoretisch sollten Politik und Bürokratie also ein eigenes Interesse haben, die Kuh zwar zu melken, aber nicht zu schlachten.
Tatsächlich ist kaum ein Markt derart von Regulierung abhängig wie der Automobilsektor, und das schon seit vielen Jahrzehnten. Wer Fahrzeuge herstellen und auf den Markt bringen will, muss sich mit der Regulierung arrangieren, oder er verkauft sie nicht und verschwindet vom Markt. Dabei ist es nicht Aufgabe eines Unternehmens, die reine marktwirtschaftliche Lehre authentisch vorzuleben, sondern mit seinen Produkten Gewinne zu erzielen. Das Leben mit dem Regulierungsmoloch und – wenn möglich – sogar seine Nutzung, um Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Marktteilnehmern zu erreichen, ist nachvollziehbar und Konsequenz der Unternehmensaufgabe. In einem hoch-interventionistischen Markt mit starker Regulierungsgewalt nähern sich Unternehmen zwangsläufig der Politik und ihren Narrativen an, sei es um Gehör zu finden und immer wieder „das Schlimmste“ zu verhindern – oder wenigstens auf einen etwas späteren Zeitpunkt zu schieben –, oder zumindest frühzeitig besser einschätzen zu können, was kommt und wie man sich damit arrangieren kann.
Der narzisstische Politikbetrieb, der zudem seine eigene Abhängigkeit vom produktiven Sektor chronisch unterschätzt, gerät in die Selbstbestätigungsfalle, da er zunehmend den Eindruck erhält, jede Intervention durchsetzen zu können, ohne dass es negative Konsequenzen für ihn selbst haben könnte. Das ist nicht neu und lief beispielsweise um die Jahrtausendwende genauso, und zwar bereits in eine verheerende Richtung. Die damals sich entfaltenden neuen Märkte, die neuen Möglichkeiten internationaler Produktionsvernetzung sowie ein technologischer Automatisierungssprung ermöglichte den etablierten Platzhirschen des hochregulierten Automobilsektors seinerzeit, nicht nur sich im weiter zunehmend regulierten Markt zu behaupten, sondern sogar zu wachsen.
Mit dem erzwungenen Technologiebruch zur Elektromobilität ist das diesmal anders – einer wird nachgeben müssen: Der Regulierer oder der Produzent; letzterer, indem er aufhört zu produzieren und verschwindet. Wäre es ein marktdynamischer Umbruch, könnte aus dem breiten, etablierten Produktgeschäft der Übergang in den Technologiewechsel entsprechend der Marktentwicklung finanziert und gestaltet werden. Doch im von politischer Willkür bestimmten Umfeld, gibt es keine klaren Marktsignale, nach denen man sich unternehmerisch ausrichten kann, während über dem vorhandenen Produktionskapital, von dem man lebt, die Enteignungsdrohung künftiger Produktionsverbote schwebt.
Der „menschengemachte Klimawandel“ ist die große Erzählung, mit der das industrielle Rückgrat Deutschlands zerstört wird. Die Auswirkungen sind bereits in der Breite spürbar, obwohl das Zerstörungswerk erst begonnen hat. Die heraufbeschworene Gefahr der „Klimakatastrophe“ ist die Begründung, mit der zum großen regulativen Schlag gegen die Automobilindustrie ausgeholt wird, die sich nicht in der Lage sieht, sich gegen die Politik zur Wehr zu setzen, weil sie es nie gelernt hat. Sie hat das Narrativ angenommen und will nun ihren Platz im kriegswirtschaftlichen Rahmen finden, wie sie es gelernt und immer getan hat. Da ist es bemerkenswert, dass die Botschaft, die durchgängig über den Medienapparat von Kanzler Scholz nach seinem Besuch in Rüsselsheim verkündet wird, nicht auf die Transformationsbegründung referenziert. Scholz lässt sich vielmehr zitieren mit den Worten: Wer die Entwicklung hin zu Elektroautos zurückdrehen wolle, gefährde alles bisher Erreichte und den Wohlstand in Deutschland.
Eine Steilvorlage für das industrielle Management, das – anders als die politische Klasse – auch in einem regulierten Umfeld weiß: Wenn man Fehler macht, muss man sie korrigieren, sonst wird man scheitern. Das „bisher Erreichte“ steht deutlich vor Augen: Deutschland hat sich im wirtschaftlichen Wachstum abgekoppelt und ist Schlusslicht in Europa und in der Welt. Nicht nur der Mittelstand, auch die Industriekonzerne stecken da mittendrin. Ein gutes Stück Wohlstand ist bereits flöten gegangen, und die Ursache liegt offenkundig nicht in einer „Entwicklung“, nämlich der von Märkten, sondern an den politischen Eingriffen. Wird der eigentliche Kern der Kanzlerbotschaft in der Industrie begriffen oder folgt man weiter der CO2-Sekte und erkennt damit jeden zerstörerischen Eingriff der Klimakriegswirtschaft sowohl als legitim als auch als unausweichlich an?
Der Weg wurde im Sektenwahn eingeschlagen, und jetzt, nach einem beträchtlichen Stück des Weges, wird von einem wichtigen Führer nicht mehr beschworen, dass der Weg fortgesetzt werden müsse, weil es der richtige sei, sondern gedroht, man dürfe ihn nicht mehr verlassen, da dies schlimmer sei, als ihn weiterzugehen. Aus rationaler Sicht ist das wenig überzeugend. Doch eine Sekte kann ihre Glaubensgrundsätze nicht in Frage stellen, ohne sich selbst in Frage zu stellen, daher ist der Weg in die Selbstzerstörung eine logische Option aus dem Selbstverständnis einer Sekte heraus. Die Frage ist nun, wie stark der Glauben der bisherigen Gefolgschaft ist. Ich meine, es steht eine große Abfallbewegung vor uns, denn der Großteil der Anhängerschaft ist im Grunde von reinem Opportunismus motiviert und so schwach im Glauben, dass sie eine Korrektur des Weges mit wachsender Erkenntnis des dynamisch sinkenden Wohlstands dem Weg in den eigenen Untergang vorziehen dürfte. Der Bruch mit der Sekte ist eine Frage der Zeit und könnte ziemlich heftig ausfallen.
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