26. Juni 2024 06:00

Kulturkampf Freunde der Freiheit!

Wie der Besuch Mileis in Hamburg die Freiheitlichen einigen könnte

von Oliver Gorus

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Bildquelle: lev radin / Shutterstock Javier Milei zeigt uns: Es ist zu schaffen!

Letztes Jahr im November lagerte ich mit Freunden der Freiheit nach Mitternacht in einer Sitzgruppe einer Hotelbar, wir starrten in unsere Handys und lasen uns die neuesten Nachrichten aus Argentinien vor. Es war Wahlnacht und wir fieberten mit Javier Milei mit.

Warum? Weil wir uns allesamt einig sind, dass der Staat sich so weit wie möglich aus dem Leben der Bürger herauszuhalten hat. Je weniger Staat, desto besser, je mehr Selbstverantwortung für die Bürger, desto besser, je mehr individuelle Freiheit, desto besser. Und genau das ist das Versprechen von Javier Milei.

Sehr spät, wir waren schon auf unseren Zimmern, kam die Nachricht: Er hatte tatsächlich gewonnen! Seit vielen Jahrzehnten des Vormarschs der Sozialisten gab es weltweit endlich den ersten libertären Regierungschef! Unsere Frage morgens beim Frühstück war damals: Wird er liefern, was er versprochen hatte, nämlich radikale wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen, um den Staat zurückzustutzen, den Bürgern und den Unternehmen wieder Luft zum Atmen zu verschaffen und nach Jahrzehnten des Niedergangs wieder Wohlstandszuwachs zu ermöglichen?

Wie versprochen

Letztes Wochenende beantwortete er selbst diese Frage. Unter dem zylinderförmigen Glasdach des Hotels Hafen Hamburg fand der zweitägige Kongress der Hayek-Gesellschaft statt – und ich war dabei. Die Hayek-Gesellschaft ist eine klassisch liberale Vereinigung, deren Mitglieder alle möglichen Strömungen des Liberalismus bis hin zum Libertarismus abbilden, die sich aber in einer Sache einig sind: Der Staat soll sich möglichst weit aus dem Leben der Bürger heraushalten! Der Höhepunkt war in diesem Jahr die Verleihung der Hayek-Medaille – an Javier Milei.

Den beiden freiheitlichen Fackelträgern Carlos A. Gebauer und Philipp Bagus war es gelungen, Milei davon zu überzeugen, an seinen Besuch in Madrid noch einen Ausflug nach Deutschland dranzuhängen. In Madrid feierten ihn Zehntausende, in Deutschland wehte ihm der modrige Atem des Sozialismus mit einem kühlen Empfang entgegen – außer bei der Hayek-Gesellschaft, die ihn jubelnd und „Libertad! Libertad!“ rufend empfing. Selbst betagte Professoren strahlten von einem Ohr zum anderen. Milei ist kein Populist, kein Opportunist, kein Schwätzer, wie so viele Politiker, nein, Milei ist ein wahrer Hoffnungsträger.

Nach über einem halben Jahr im Amt ist klar: Anders, als viele gedacht hatten, kann dieser Rockstar der Weltpolitik nicht nur Wahlkampf, sondern er liefert wie versprochen. Er sagte: „Die Sozialisten hassen uns, weil es funktioniert!“

Und es funktioniert: Zum ersten Mal seit mehr als drei Jahrzehnten sind die Preise in Argentinien im Wochenvergleich nicht mehr gestiegen. Inflation ist glatter Diebstahl an allen Arbeitenden. Vom Cantillon-Effekt profitiert nur eine kleine, extrem reiche Elite. Milei hatte es dem Volk in den letzten Jahren im Fernsehen und im Internet wieder und wieder erklärt. Er wollte darum die fiese Umverteilung von Arm zu Reich durch Inflation stoppen, indem er die Staatsausgaben drastisch reduziert. Und er hat geliefert. Deswegen toben die Sozialisten. Weil er hält, was er seinen Wählern versprochen hat.

Es funktioniert!

Das Stoppen der galoppierenden Inflation ist ein Meilenstein, ein großartiger Erfolg. Die drastischen Kürzungen der Staatsausgaben und der Verschuldung, die Erhöhung der Kreditwürdigkeit und die Verbesserung des Investitionsstandorts Argentinien bilden die Grundlage dafür, wieder mehr privates Kapital ins Land zu bringen – die Voraussetzung für Wertschöpfung und Wohlstandssteigerung. Milei weiß genau, was er tut. Und er hatte alles vorher angekündigt – auch die Entlassungen von Staatspersonal, das Streichen von Gesetzen und die Reduktion der Sozialausgaben.

Die Bevölkerung steht laut den letzten Umfragen weiterhin mit deutlicher Mehrheit hinter ihm. Dass der erfolglose, im Volk extrem unbeliebte Kanzler Scholz nun den erfolgreichen und vor allem bei den Armen und den Jungen extrem beliebten Milei mahnte, die Sozialverträglichkeit der Reformen zu beachten, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten.

Milei ist auch deshalb so ein Star in der spanischsprachigen Welt, weil er kein Politikertyp ist. Ich konnte ihn in Hamburg jetzt live und in 3D erleben. Milei ist schlicht sehr sympathisch. Seine Rede war erstaunlich. Kein typischer Politiker würde so eine Rede halten.

Er erzählte den versammelten hochgebildeten und mit allen liberalen Wassern gewaschenen Hayek-, Mises- und Rothbard-Lesern einfach ganz schlicht, wie er angesichts der Subprime-Krise 2008, die mit den keynesianischen und neoklassischen Theorien, die er gelernt und gelehrt hatte, nicht nachvollziehbar war, nach Erklärungen gesucht hatte, über einen langen Artikel von Rothbard gestolpert war und dann realisierte, dass er 15 Jahre lang nur Unsinn gelehrt hatte. Dann las er sich tiefer in den Kaninchenbau, las Mises’ „Human Action“ und verschlang 50 weitere libertäre Werke. Nach dem Selbststudium stellte er fest, dass er Anarchokapitalist geworden war.

Dann schilderte er seine öffentlichen Auftritte, seinen Wahlkampf, seinen Sieg und ermunterte die Anwesenden, die Idee der Freiheit mit Leidenschaft öffentlich zu vertreten. Einfach, weil sie funktioniert.

Ganz einfach

Ich finde, die versprengten Freiheitlichen im deutschsprachigen Raum könnten von Milei eine Menge lernen. Einfach das Symbol der Kettensäge zu kopieren, ist zwar lustig, aber zu einfach. Dennoch bin ich der Meinung, dass sich vom Erfolg Mileis einige Dinge adaptieren und auf die deutschsprachigen Länder übertragen lassen.

Hier sind vier Aspekte, die ich aus Hamburg mitgenommen habe:

Erstens: Nach draußen kommunizieren!

Anstatt uns innerhalb des Kreises der Freiheitlichen über Nuancen, Begriffe und theoretisches Hickhack zu zerstreiten, sollten wir uns nach außen wenden und der Bevölkerung erklären, was wir wissen. Und zwar so, dass sie es verstehen. Warum würde in allen derzeit gärenden und brennenden Politikfeldern mehr Freiheit die Lösung bringen, während mehr Etatismus und mehr Sozialismus immer nur noch mehr Probleme bringen? Erklären Sie es Außenstehenden im Rahmen Ihres Wirkungskreises mit einfachen Worten! Sie wissen doch, dass Sie recht haben. Aber haben Sie auch gute Argumente? Zeigen Sie es anschaulich, anstatt es nur zu behaupten. Strengen Sie sich an! Wieder und wieder. So wie Milei das jahrelang gemacht hat. So gewinnen wir Glaubwürdigkeit und Reichweite. Insbesondere bei den Jüngeren!

Zweitens: Never back down!

Milei erzählte, wie er im Fernsehen in den Talkshows von einer Überzahl von Sozialisten stets angegriffen und niedergebrüllt wurde. Das passiert uns auch, sobald wir den Kopf aus der Masse strecken. Na und? Keilen Sie zurück! Nicht der Lauteste hat recht. Aber derjenige, der sich niedermachen lässt, erweckt auch nicht den Eindruck, recht zu haben.

Wir Freiheitlichen sollten aufhören, uns anzubiedern und Konzessionen zu machen, nur um des lieben Friedens willen und nur um nicht als der Böse, der Demokratiefeind, der Rechte und der Nazi zu gelten. Lassen Sie sich das nicht gefallen und keilen Sie zurück!

Uns Freiheitlichen geht es um das Wohl der kleinen Leute, um das Wohl aller Völker, um Gerechtigkeit, Wohlstand und Frieden. Wir sind keine schlechten Menschen und wir dürfen diejenigen, die uns unverschämterweise in die Ecken verschiedenartigster Menschenfeindlichkeit stecken wollen, vehement und überdeutlich in die Schranken weisen.

Drittens: Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen!

Für den Wohlfühlfaktor innerhalb von Zirkeln und Clubs mag es angenehm sein, nur unter Verfechtern der exakt gleichen Ausrichtung von Liberalismus zu sein und jeden Abweichler der reinen Lehre aus dem Club zu drücken. Es mag sich für manchen Akademiker gut anfühlen, den Streit zu führen, ob nun Hayek nur die spontane Marktentstehung propagiert hat oder ob seine Theorie auch mit der die Notwendigkeit eines ordoliberalen Staats kompatibel war. Es mag einem Antipolitiker gefallen, hämisch über Libertäre zu lästern, die sich abmühen, bei Parteigründungen erfolgreich zu sein. Aber das interessiert keinen Bürger, der sich am Monatsende oder am Ende eines Arbeitslebens nichts mehr leisten kann, weil sein Geld nichts mehr wert ist und die Politiker ihn verraten und verkauft haben!

Ob wir Freiheitlichen nun liberal oder libertär sind, ob nun ordoliberal oder klassisch liberal, ob nun Minimalstaatler oder Anarchokapitalisten, ob nun Akademiker oder Politiker, ob nun Antipolitiker oder Parteimitglieder – es ist völlig egal! Solange die Feinde der Freiheit an der Macht sind – und das sind sie! –, solange die Sozialisten und die Etatisten die Waffen und die Gefängnisse haben – und das haben sie! –, solange sind die unterschiedlichen Sekten unter den Freiheitlichen bedeutungslos.

Wir können den Kampf um die Freiheit nur gewinnen, wenn wir uns im Gefolge einzelner Persönlichkeiten zusammentun. Dann aber können wir es!

Ob einer nun Parteien und Demokratie ablehnt oder Parteimitglied von AfD, Werteunion oder sogar FDP ist, ob er nun Ökonomie-Professor, Unternehmer oder Internet-Meme-Bauer ist, ob er nun in einer liberalen Vereinigung organisiert ist oder nicht, ob er nun Fan von Eucken, Röpke, Mises, Hayek, Rothbard oder Hoppe oder keinem davon ist – jeder, der mehr Freiheit will, als heute Realität ist, der ist ein Freund der Freiheit. Und jeder Freund der Freiheit ist in unserem Kreis herzlich willkommen und kann etwas dazu beitragen, noch mehr Leute davon zu überzeugen, dass jeder Zentimeter Freiheit mehr eine Verbesserung des Lebens aller Menschen ist. Aller Menschen, außer denen freilich, die das Leben auf Kosten anderer kultiviert haben.

Viertens: Wer es nicht versucht, hat schon verloren!

Der Weg, das System zu verändern und etwas im Land zu verbessern, ohne dabei Gewalt anzuwenden, was sich jedem Freiheitlichen verbietet, ist der Weg über das bestehende System. Es gibt keinen anderen. Natürlich sind die bestehenden Wahlen eine Farce, natürlich ist die Parteienherrschaft keine richtige Demokratie, natürlich sind diejenigen, die Konkurrenten um die Macht absprechen, Demokraten zu sein, selbst keine Demokraten. Natürlich ist Politik ein schmutziges Geschäft. Aber einzelne libertäre Persönlichkeiten über den politischen Betrieb in die Position zu bringen, den politischen Betrieb zu ändern, ist die einzige Chance, überhaupt etwas zu verändern.

Wer es als politischer Unternehmer schafft, einzelne glaubwürdige Persönlichkeiten aussichtsreich in Wahlen um Spitzenämter zu bekommen, kann auch temporär eingefleischte Nichtwähler und Apolitische mobilisieren, jedenfalls dann, wenn das Programm darin besteht, den Staat kleinzukriegen, die Politiker zu entmachten, die Parteienherrschaft zu beenden, die Steuern und Abgaben und die Staatsausgaben drastisch zu kürzen. Der Kampf des Volks gegen das Establishment ist ein Kampf, der gewinnbar ist.

Ist das naiv? Ja, natürlich! Dass anschließend ein neues Establishment entsteht oder gar das alte die Macht zurückerobert, dass nach der Opposition schon bald wieder vor der Opposition ist, das ist völlig klar.

Aber wer nicht versucht, wenigstens für ein, zwei Generationen mehr Freiheit für alle zu gewinnen, der hat die Freiheit bereits verkauft und sich in seiner Besserwisserecke bequem als Verlierer eingerichtet.

Milei zeigt, dass wir Freunde der Freiheit auch gewinnen können!


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