09. Juli 2024 11:00

Top Spin: Schiedsrichterentscheidungen bei der EM Das große Unterwerfungstraining

Eine Verschwörungstheorie zur „Euro 2024“

von David Andres

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Bildquelle: Internet-Meme Cucurella mit klarem Handspiel: Stehen Fehlentscheidungen sinnbildlich für mehr?

Das berühmteste Handspiel der Welt bleibt natürlich „die Hand Gottes“ von Diego Maradona im Viertelfinale der Weltmeisterschaft 1986. Doch der Torschuss von Jamal Musiala im vergangenen Halbfinalspiel Deutschland gegen Spanien der laufenden Europameisterschaft, geht ebenfalls in die Geschichte ein. Da ballert das größte Talent des deutschen Fußballs die Kugel mit Wucht und Präzision aufs Tor und der spanische Spieler Marc Cucurella stoppt ihn mit klar vom Körper abgespreizten Arm. Eine Situation, in welcher der Schiedsrichter wenigstens den Videobeweis hätte zu Rate ziehen können. Doch qua seiner Autorität auf dem Platz, festigte er augenblicklich das eigene Urteil: Kein Elfmeter!

Fans, aber auch viele Experten, waren außer sich über diese Szene. Johannes B. Kerner und Michael Ballack steigerten sich bei Magenta TV bis kurz vor den Schlaganfall in Rage. Eine aktuelle Petition zur Wiederholung des Spiels kam schnell auf 350.000 Unterschriften. Sogar der stets sehr behutsam abwägende Marcel Reif zeigte sich in seinem Podcast für seine Verhältnisse in rasendem Zorn auf die aktuellen Zustände in Regelwerk und Auslegung des Fußballs.

Wie sieht dieses Regelwerk derzeit aus? Derzeit gilt Handspiel nur dann, wenn sich die Hand „zum Zeitpunkt des Treffers“ in „einer unnatürlichen Position“ befindet. Und hier kommt die erste Parallele zur Gesellschaft und Politik abseits des Sports ins Spiel – absichtlich schwammig gesetzte Begriffe, die reine Machtwillkür erlauben. Früher gab es klarere Definitionen – ist die Körperfläche durch Arm und Hand erweitert, gilt es als Hand. Punkt. Egal, ob Absicht oder nicht, ob „natürlich“ oder „unnatürlich“, was als Synonyme für „unabsichtlich“ und „absichtlich“ gelesen werden kann. Heute haben sich die Spieler, die Fans und somit ganze Nationen der Deutung des Begriffes zu unterwerfen, welche die ins Amt gesetzten Autoritäten fällen. Ähnlich wie bei der strafrechtlich relevanten „Deligitimierung des Staates“ oder den Grenzen der „Hetze“ und des „Hasses“, den interessierte Instanzen nach ihrem Gusto jenseits der bislang klaren Standards der Gesetzbücher auslegen.

Hinzu kommt – auch dies ist in der unten verlinkten Folge von „Reif ist live“ gut nachzuhören, dass in den Abläufen auf dem Platz ein bürokratisches Protokoll der UEFA einzuhalten ist. Dies besagt: Hat der Schiedsrichter auf dem Platz die Entscheidung gefällt, darf er nicht einmal mehr doch noch auf Einwände seines Video-Assistenten eingehen, die dieser ihm über den Knopf im Ohr einflüstert. Also selbst, wenn er Zweifel an seinem Handeln bekäme, müssen die Maßnahmen dennoch weiterhin gnadenlos durchgezogen werden.

Kennen wir auch das irgendwoher?

Die „Euro 2024“ erlebte noch weitere seltsame Entscheidungen, die nicht einmal mehr durch abstruse Regeln zu erklären sind, sondern durch reine Willkür. Die achtminütige Verlängerung etwa, die Italien im Spiel gegen Kroatien bekam und für die der vorherige Spielverlauf keine Rechtfertigung gab. Ungleichbehandlungen aller Art, was Fouls angeht oder das Anhalten einer Partie bei verletzten Spielern. Meckern dürfen in diesem Fall – auch das ist eine neue Regel – nicht mehr alle Spieler, sondern nur noch der Kapitän. Übertragen auf die Gesellschaft signalisiert dies – das Volk hat gar nicht mehr zu protestieren, sondern allenfalls noch ein Repräsentant. Demonstrieren kann man auch im Stillen, nicht auf dem Platz oder auf der Straße. In Auslegung dieser Regel hagelt es derzeit auch gelbe Karten gegen Trainer und Ersatzspieler auf der Bank. Zugleich schafft es die Security nicht, Flitzer aufzuhalten oder Menschen, die einen Cristiano Ronaldo vor dem Eingang zum Spielertunnel anspringen. Die Botschaft hier: Die Grenzen (des Platzes) sind nicht zu schützen, die Einheimischen (auf dem Platz) aber durch Repressionen bestens in Schach zu halten.

Der moderne Fußball wird so zu einer suggestiven Übung in Unterwerfung. „Das höchste Gut“, wie Marcel Reif sagt, „die Rechtssicherheit“, die für alle gleich zu gelten hat, wird mit Füßen getreten durch Willkürentscheidungen und Gesetze, die kafkaesk auslegbar sind. Vor allem aber auch, wie bei allen derzeitigen politischen Themen, haben die Menschen die Augen vor der Wahrheit zu verschließen und das Unrecht als Recht anzuerkennen. Denn es war natürlich Hand, in diesem konkreten Fall. Man sah es am erstaunten Gesicht des Täters, der auf dem Platz sein Glück kaum fassen konnte, dass es ohne Elfmeter weiter geht. Man hört es an seiner Wortwahl in der Pressekonferenz. Wie die Akteure in Wirtschaft, Politik, Recht, Massenmedien  und sogar Verfassungsschutz, gibt man sich sogar im Sport nicht mal mehr die Mühe, für jeden erkennbares Unrecht groß zu verstecken und testet aus, wie weit man mit den Menschen gehen kann. Schritt für Schritt, Pfiff für Pfiff und Schuss für Schuss.  

Quellen:

Ballack auf 180! Im TV-Studio fliegen die Fetzen (MagentaTV)

Weit über 300.000 Unterschriften! Petition für Wiederholung von Deutschland gegen Spanien geht durch die Decke (Goal)

Brachte eine versteckte UEFA-Regel Deutschland um einen Elfmeter? (Merkur)

Deutschland gegen Spanien: Wirbel um nicht gegebenen Elfer (Reif ist Live)

Cucurella packt über Handelfmeter aus: „Kann verstehen, dass...“ (SPOX)


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