Schützenhilfe durch: Fake Fight?: Paul versus Tyson
Wie ein Riesenspektakel der nächste Grund fürs generelle Misstrauen wird
von David Andres
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120 Millionen Zuschauer.
Vergegenwärtigen Sie sich diese Zahl.
Hundertzwanzigmillionen.
Der Ansturm des Publikums auf den Live-Stream des Kampfes Jake Paul gegen Mike Tyson war so groß, dass viele das Ereignis erst im Nachhinein sehen konnten. Bei zahllosen Zuschauern drehten sich die Laderinge, die Server waren heillos überlastet. Die Arena vor Ort war voll, zwei Plätze direkt am Ring sollen einen Millionenpreis gekostet haben.
Über Monate hatte man die Öffentlichkeit auf diese Begegnung geeicht und heiß gemacht. Unglaublich schnell und dynamisch sah man die Boxlegende Mike Tyson in Videos seiner Vorbereitung. Würde er diese Schläge im Ring wieder aufrufen können, so hofften viele, dann machte er sein Versprechen wahr, diesen respektlosen und hochnäsigen Internet-Affen Jake Paul nicht nur zu besiegen, sondern „zu zerstören“.
Das Gegenteil geschah am vergangenen Wochenende im „AT&T Stadium“ zu Arlington, Texas. Acht müde, ereignislose Runden lang hielt Paul den alten Herrn auf Trab und gewann nach Punkten. In der letzten Runde verbeugte er sich sogar noch pathetisch-respektvoll, nachdem er sich im Face-Off vor dem Match noch aufgrund seines respektlosen Verhaltens von Tyson eine Ohrfeige eingefangen hatte. Tyson erklärt die Niederlage im Nachhinein damit, im vergangenen Juni „fast gestorben“ zu sein, was er erst jetzt offenbarte. „Ich hatte acht Bluttransfusionen“, schreibt er auf X, „ich verlor die Hälfte meines Blutes und 25 Pfund (ca. 11 Kilogramm) im Krankenhaus. Ich musste kämpfen, um für den Kampf gesund zu werden, also habe ich gewonnen.“
Das Netz füllt sich derweil mit Ausschnitten des Kampfes, die beweisen sollen, dass Tyson einige Elfmeter für einen richtig guten Treffer verstreichen ließ. Jedes Mal, wenn er in den eigenen Handschuh gebissen habe, so die Nutzer bei Instagram und Co., habe er sich dazu gezwungen, „das Skript“ zu befolgen. Auf X tauchte sogar das vermeintliche Drehbuch des Kampfes auf, welches natürlich von „Faktencheckern“ zügig „debunked“ wurde. Ein anderer Clip ging viral, in dem ein Mann, wutentbrannt über diese Farce von Kampf, seinen Fernseher zerstört.
Jake Paul hat seine Laufbahn zwar als Internet-Scherzkeks gestartet, ist aber seit geraumer Zeit als Boxer aktiv, allerdings auch hier eher showartig gegen „Youtuber“, Ex-Basketballer und durchaus auch Ex-MMA-Kämpfer. Im Show-Wrestling der WWE hat er einige athletisch beachtliche Stunts hingelegt. Inwiefern der Verlauf des Kampfes doch authentisch gewesen sein könnte, mögen Leser, die sich damit besser auskennen, bitte in die Kommentare schreiben. Für mich gehört er deswegen in diese Kolumne, weil das gesamte Ereignis in die Kategorie der unfreiwilligen Schützenhilfe fällt. Es befeuert das generelle Misstrauen gegenüber dem Geschehen, dass „sie“ inszenieren und „uns“ vorsetzen, es gibt Wasser auf die Mühlen des Gedankens, dass die ganze Welt bloß eine Show ist, in der wir Truman sind, und somit keinem einzigen der „Schaukämpfe“ – auch und gerade in der Politik – mehr zu trauen.
Quellen:
„Wäre im Sommer fast gestorben“, offenbart Tyson nach seiner Blamage im Ring (Welt)
Jake Paul-Mike Tyson script, explained: Debunking viral post claiming to spoil outcome of blockbuster fight (The Sporting News)
Kommentare
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