04. September 2024 18:00

Deutsche Parteienlandschaft Libertäre Politik braucht auch eine libertären Prinzipien folgende Parteistruktur – Teil 2

Zur Frage der Rolle der Mitglieder

von Philipp Lengsfeld

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Bildquelle: Felix Geringswald / Shutterstock Die letzten Wahlen beweisen: Sahra Wagenknechts Partei hat, verglichen mit dem Bündnis Deutschland, wohl einiges richtig gemacht

Die deutsche Parteienlandschaft ist im Umbruch. Aber trotz der Etablierung der AfD und neuerdings des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) klafft im rechts-liberalen Teil des politischen Spektrums eine gewaltige Lücke.

Trotz einiger richtiger Ansätze wirken alle bisherigen Vorstöße in diese Richtung erstaunlich gehemmt: Die explizit liberal-konservativen, freiheitlich-demokratischen Neugründungen Bündnis Deutschland und Werteunion sind krachend gescheitert: Nach drei Wahlen (Europa, Thüringen, Sachsen) ist es eindeutig: So geht es nicht!

Aus meiner Sicht ist die zentrale Frage jene nach der Struktur und Rolle von Mitgliedschaft. Hier muss es endlich eine liberal-freiheitliche, professionelle Analyse geben, die tiefer bohrt, als nur zu sagen, dass wir einfach eine weitere Partei nach altem Bonner Republik-Rezept versuchen.

Und das nicht trotz, sondern vielleicht auch weil der Staat Bundesrepublik so extensive Parteiregularien geschaffen hat.

Was ist die Aufgabe einer „Partei“ oder, sagen wir offener, einer politischen Kraft?

Es ist die Funktion als Durchlauferhitzer für politische Prinzipien, Inhalte, Konzepte und Lösungen und für Personen, die temporär in Verantwortung gehen wollen oder sollen.

Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr: Eine natürliche Rolle für einfache Mitglieder gibt es da nicht. Sowohl die programmatische Arbeit als auch die Personenvorauswahl kann (und sollte!!) in einer modernen Struktur in enger Interaktion mit dem Zielkunden, also dem Wahlvolk erfolgen. Nicht umsonst ist in Amerika in klar politisch verorteten Bundestaaten oder auch nur Wahlbezirken die Vorwahl, die „Primary“, der politisch entscheidende Kampf!

Natürlich gibt es auch für engagierte Mitstreiter einen Platz rund um eine neue freiheitlich-libertäre Struktur – als Vollmitglied im Unterstützungsverein, wenn man der deutschen Vereinskultur zugeneigt ist, oder als inhaltlicher Unterstützer vor, während und nach den Kampagnen oder als echter Wahlkämpfer, „Campaigner“, während einer inhaltlichen oder einer Wahlkampagne. Auch das kann man alles in Amerika lernen.

Um mal einen ostkommunistischen Lehrspruch abzuwandeln („Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen“), würde ich postulieren: „Von Amerika lernen heißt moderne Demokratie lernen“.

Bei einer libertären Weltsicht muss eine Partei, eine politische Kraft nicht nur wie eine Firma aufgestellt sein, sondern auch den gleichen Prinzipien folgen: Es gibt keinen Trostpreis. Politik ist weder Familien- noch Freundschafts- noch Heimatersatz.

Politik hat in der freien Gesellschaft eine Aufgabe zu erfüllen wie jeder andere Bereich der Gesellschaft auch. Weniger Staat heißt übersetzt in Parteipolitik: wenige Mitglieder, weniger Gremien, weniger Palaver, weniger Selbstbeweihräucherung, striktes Leistungsprinzip, auch für alle Führungspersonen und vor allem Checks and Balances.

Die AfD und das liberal-konservative Lager beklagen zu Recht das Alt-Parteienkartell – statt Wettbewerb zu schärfen und zu öffnen, hat die Bundesrepublik eine Reihe von rechtlichen Regelungen geschaffen, die das Gegenteil davon bewirken: Die „innerparteiliche Demokratie“, allen voran die geheime Wahl innerhalb der Struktur, ist nichts anderes als die Brutstätte für ständiges Intrigantentum und Denunziation. Mitgliedercliquen sichern sich die gesetzlich verbrieften Nominierungsprivilegien.

Das Wahlvolk verzweifelt ob der „adversen Selektion“ (Markus Krall). Es bildet sich mit traumwandlerischer Sicherheit eine Kakistokratie und es bleiben die übrig, die in der hochmalignen Parteivereinsatmosphäre am längsten durchhalten – es ist schon ein bisschen eine Ironie der Geschichte, dass die Akteure von Bündnis Deutschland und Werteunion diesen Effekt an sich selber aber übersehen zu haben scheinen: Die beiden Neugründungen haben drei Wahlen in den Sand gesetzt, die vor allem eine Gemeinsamkeit hatten: Die aufgestellten Listen waren bei Weitem nicht so gut, wie sie hätten sein müssen, und es wurde konsequent gespalten und „Partei vor Land“ betrieben: In Thüringen und Sachsen ja noch mit dem absolut absurden Twist, dass beide Parteien gegeneinander angetreten sind (in Europa wurde das noch vermieden, was aber am Endergebnis nichts geändert hat). Das Urteil der Kunden, also des Wahlvolks, war vernichtend.

Eine moderne Partei muss wie eine moderne Firma laufen: Es werden ambitionierte, aber erreichbare Ziele festgesetzt, und wenn diese Ziele nicht erreicht werden, dann erfolgt eine Bilanz mit personellen und strategischen Konsequenzen. Der Alt-Partei-Mitglieder-Funktionärs-Mechanismus ist dagegen dergestalt, dass Probleme weg- und kleingeredet und Durchhalteparolen ausgegeben werden und der jeweiligen Führung so lange gegen alle Realität die Treue gehalten wird, bis es dann plötzlich zu völlig unkommunizierbaren Sturzwechseln kommt – die Geschichte von Hans-Georg Maaßen und der Werteunion ist da ein weiterer moderner Klassiker.

Letztlich ist es gar nicht so schwer, und das BSW hat es auch ein Stück weit vorgemacht.

Der im Staatsgeist der 50er und 60er Jahre in der BRD etablierte Parteivereinsmechanismus muss auch strukturell überwunden werden.

Keine Angst vor Professionalität, keine Angst vor Vergänglichkeit (Politik ist immer Geschäft auf Zeit) und auch keine Angst vor Charisma – die Demokratie ist stark genug: Wenn das BSW die Ein-Frau-Struktur übertreibt, werden die Wählerinnen und Wähler schon die entsprechende Antwort geben.

Eine freiheitlich-demokratische neue politische Kraft kann und muss sich nur nach einem Maßstab richten: Exakt so viel „Partei“ (und natürlich Staat) wie gerade notwendig!

Und das eigentliche Urteil spricht immer der Kunde, also das Volk, niemals die Funktionäre oder Bürokraten.


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