Deutschlands politischer Markt: Was es für eine freiheitlich-liberale Kraft braucht
Ursachen und Lehren aus dem Scheitern der Werteunion
Das Projekt von Hans-Georg Maaßen, die Werteunion als eigenständige politische Kraft für den echten Wechsel bei der kommenden Bundestagswahl zu positionieren, ist krachend gescheitert. In Brandenburg erreichte die Werteunion auch ohne Konkurrenz von die Basis oder Bündnis Deutschland nur 0,26 Prozent der Stimmen.
Das ist die vierte nicht genutzte Wahl: Damit ist das Projekt in der bestehenden Form tot – fast schon bezeichnenderweise schaffte es der Bundesvorstand eines deutschen Parteivereins nicht, das Offenkundige einzugestehen, und gibt stattdessen Durchhalteparolen aus und verschiebt die Schuld an die Medien.
Dabei liegen die Ursachen klar zutage und allen Beteiligten wurde dies von wohlmeinender Seite auch immer und immer wieder übermittelt: Der politische Markt in Deutschland ist reif für Reformen und braucht dringend ein Umsteuern, aber die heruntergewirtschaftete Parteienlandschaft hat garantiert keinen Platz für eine weitere Auflage einer Art CDU-CSU-FDP-AfD, nur mit anderem Namen.
Der Geburtsfehler, der letztlich zu der Totgeburt Werteunion führte, lag nur mittelbar an den beteiligten Personen und ihrer offenbar grottenschlechten Planungskultur: Der fundamentale Denkfehler lag in der Annahme, dass in Deutschland eine Partei eben nach dem Kochbuch der Maschinerie zu gründen sei. Denn diese Annahme ist auch die absolute Garantie für das Scheitern.
Eine moderne Partei, die versucht, in eine bestehende politische Lücke zu stoßen, braucht keine Mitglieder, kein Funktionärsfürstentümer, sondern einen professionell durchorganisierten kleinen Apparat, der genauso wächst, wie es die eingeworbenen Mittel und die erzielten Wahlerfolge erlauben – das ist die Blaupause BSW.
Und das ist das Leistungs- und Kundenprinzip, was in jedem Land selbstverständlich ist, aber in Westdeutschland in einer Vereinsbürokratisierungstradition tief vergraben wurde.
Das westdeutsche Grundgesetz war im Prinzip tief geprägt von der Angst vor der Verführbarkeit des Volkes durch charismatische Führungspersönlichkeiten – als Gegenmittel wurde die „Volkspartei“ gesehen. Das zugrunde liegende Bürokratisierungs- und Dämpfungssystem wurde dann als „innerparteiliche Demokratie“ gebrandet, dient aber letztlich vor allem dem Zweck, politische Durchmärsche zu verhindern, und hat mittlerweile den unsäglichen Effekt, dass der gesamte deutsche politische Apparat praktisch gelähmt wird.
Statt diesen Mechanismus zu durchbrechen, wie es das BSW getan hat, feierten in der Werteunion-Parteigründung die Mechanismen fröhliche Urständ, die von den etablierten Parteien, momentan leider auch inklusive der AfD, so sattsam bekannt sind: Im Hinterzimmer werden irgendwelche sachfremden Dinge ausgekocht, die Struktur ist nicht einladend und animierend, sondern geschlossen und abweisend, es wird über „Mitglieder“ und „Partei“ philosophiert, wo es eigentlich um Inhalte und Kampagnen gehen müsste. Die Zeit aller Beteiligten wird in endlosen und völlig ineffizienten Gremiensitzungen zermahlen, aus denen aufgrund fehlender offener Diskussions-, Risiko-, Fehler- und Leistungs- und Verantwortungskultur praktisch nur Mist kommt:
Wenn man für Hans-Georg Maaßen ein Drehbuch geschrieben hätte, wie er das Parteiprojekt garantiert gegen die Wand fährt, es hätte fast nicht besser laufen können.
Die Europawahl wurde übersprungen, stattdessen wurden geeignete Kandidaten für eine gute Europaliste, man denke nur an den Alt-Admiral Schönbach oder die Dresdner Verfassungsrechtlerin Sylvia Kaufhold, in den Vorstand der neuen Partei verheizt. Statt das schon praktisch fertige Bündnis für Thüringen zu verstärken und als Kooperationsblaupause für Sachsen und Brandenburg zu nehmen, hat man es lieber gesprengt und sich über dem ganzen Parteigeschiebe auch noch die kurz vorher gegründete potenzielle Partnerkraft Bündnis Deutschland zum Todfeind gemacht. Statt profilierte Einzelpersönlichkeiten, wie Joana Cotar, MdB, einzubinden, wurde jedes Porzellan zerschlagen, was irgendwo zu finden war.
Und als hätte dies noch immer nicht ausgereicht, hat man durch kommunikative Eigentore („eliminatorischer Rassismus gegen Weiße“ und vor allem das instantan verhasste „Premiumpartner CDU“) wirklich noch mal starke Nägel in den schon fast fertigen Sarg getrieben.
Bei all diesen Vorgängen und Einzelentscheidungen sehe ich die systemisch bedingte fehlende professionelle Diskussions- und Fehlerkultur als das Hauptproblem: Der nicht mehr funktionierende Parteiverein Bonner Prägung, Klassiker ist hier die CDU, schleppte sich über die Jahrzehnte seit der Wiedervereinigung über eine komische interne Macht- und Abhängigkeitsbalance des Apparats, einer immer kruderen Mischung aus Nepotismus, persönlicher Loyalität, sicher auch immer wieder initialem politischem Enthusiasmus für „die Partei“ und deren „Sache“, Verfilzung und Nicht-mehr-Ausbrechen-Können – dieses elende Gebräu kann man niemals nachkochen.
Und das will auch niemand, der seine eigene Lebenszeit und seine -ziele wertschätzt: Eine neue politische Kraft, insbesondere natürlich eine freiheitlich-liberale, muss deshalb mit diesen gesetzlich vorgegebenen germanischen Zwängen und Traditionen brechen. Nur wenn absolute Professionalität und ein Grundrespekt für jeden Einzelnen in einer politischen Organisation herrschen, kann der quälende Weg einer Neugründung nach deutschen staatsbürokratisch-föderalen Kriterien gelingen. Das erfordert eine radikale Leistungsorientierung, eine offene Risiko- und Fehlerkultur – alles wird auf offener Bühne ausverhandelt und dann auch so umgesetzt. Und es gibt ein Hinterzimmer- und Intrigenverbot, was konsequent eingehalten werden muss.
Ob dies für die kommende Bundestagswahl noch gelingen kann, scheint mehr als fraglich, insbesondere da die gesetzlichen Rahmenbedingungen wohl sicherlich nicht mehr politikwettbewerbsfreundlicher gestaltet werden.
Das Scheitern der Werteunion ist die dringende Mahnung, nicht noch einmal das gleiche Rezept anzuwenden.
Denn es gilt die Einstein-Regel: Es ist politisch absolut dumm, immer dasselbe zu tun (hier die Gründung einer politischen Partei nach Kochrezept Bonner Republik) und dabei ein anderes Ergebnis zu erwarten (nur weil es von anderen Personen mit einem leicht anderen Ziel gemacht wird).
Den beteiligten politischen Akteuren, allen voran Hans-Georg Maaßen, kann ich nur raten: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!
Das Problem ist nicht, dass die Grundannahme falsch war, sondern dass das wirkliche Problem entsteht, wenn man sich eine Fehleinschätzung nicht zugestehen kann. Das könnten wir – gerade in Bezug auf Hans-Georg Maaßen – auch das Merkel-Dilemma nennen.
Für jeden, der das selbstgebaute Denkgefängnis sprengen kann, gibt es dagegen viele Möglichkeiten, denn Deutschland braucht den Beitrag von freiheitlich-konservativ gesinnten Demokraten dringend!
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