09. Oktober 2024 18:00

Deutsche Parteienlandschaft Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler

Lehren aus dem Scheitern der Partei die Basis

von Philipp Lengsfeld

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Bildquelle: Tobias Arhelger / Shutterstock Partei die Basis: Verliert vier Jahre nach ihrer Gründung immer mehr Wählerstimmen

Die deutsche Parteivereins-Demokratie hat einige tief verwurzelte gesetzliche Regeln, deren unsägliches Wirken nur wenigen Leuten klar bewusst ist. Die falschen Gruben der deutschen Parteigesetzgebung kann man gut am Scheitern verschiedener Parteiprojekte studieren. Heute nehme ich das Parteiprojekt die Basis.

Die Basis, die Basisdemokratische Partei Deutschlands, ist im Zuge der deutschen Corona-Maßnahmen-Demokratie-Krise entstanden, die ja – wie wir heute wissen – nur eine Subkrise einer größeren Krise der deutschen Demokratie war.

Und die Basis hat im Zuge der Corona-Maßnahmenkrise durchaus einiges bei Menschen bewegt: Im Sommer 2020 formal gegründet, wuchs die neue Partei innerhalb eines Jahres auf die beachtliche Zahl von über 20.000 Mitgliedern, eine Zahl in der Größenordnung der AfD, der FDP und der Linkspartei, die alle jeweils nur etwas doppelt, maximal dreimal so viele Mitglieder haben. Andererseits natürlich weit weg von den Zahlen der SPD mit über 250.000 oder gar der Union mit knapp einer halben Million Mitglieder.

Die Führung der Basis-Partei betont diesen Umstand auch unentwegt, so als ob die Mitgliedschaft irgendein Wert an sich wäre. Das ist sie aber nicht. Das versucht sich das deutsche Kollektiv nur einzureden. Weil es halt so im Gesetz steht.

Im Gegenteil, die wichtigste Lehre aus der Geschichte der Partei die Basis ist, dass fehlgesteuerte oder eher nicht gesteuerte Mitgliedschaft wie eine Art politisches schwarzes Loch wirken kann – sie saugt alle Energie in die Struktur und führt zur totalen Erfolgslosigkeit.

Denn die Aufgabe einer politischen Partei ist es, Mandate in Parlamenten zu erringen und dort Politik durchzusetzen – hier ist die Bilanz der Partei die Basis vernichtend: Ihr mit Abstand bestes Ergebnis erreichte die neue Partei bei der ersten Post-Corona-Bundestagswahl 2021 mit 1,4 Prozent der bundesweiten Stimmen, immerhin hinter den Freien Wählern und der Tierschutzpartei die Nummer drei der „Sonstigen“ (vor Die Partei, Team Todenhöfer, Volt, Piraten).

Danach ging es aber steil bergab. In den folgenden Landtagswahlen wurden die Ergebnisse schlechter, in Hessen 2023 errang die Basis zum Beispiel 0,5 Prozent der Stimmen.

Im Großwahljahr 2024 kam dann die volle Offenbarung: Zur Europawahl bliebt man deutlich unter der Ein-Mandats-Grenze, in Sachsen erreichte man 0,2 Prozent der Stimmen, in Brandenburg wurde die Stimmsammel-Zulassungshürde gerissen.

Aus meiner Sicht sind die Ergebnisse nicht trotz, sondern gerade wegen der vielen Mitglieder verständlich – ein Blick auf die Basis offenbart, dass sich hier Menschen politisch engagieren, die sich in anderen deutschen Parteivereinen nicht willkommen fühlen: Der Frauenanteil, gerade auch von jüngeren Frauen, ist auffallend höher. Und die Strukturen sind mit „Säulen“ und „Säulenbeauftragten“ einerseits sehr modern in der Anmutung, andererseits mit den Themen („Freiheit“, „Machtbegrenzung“, „Achtsamkeit“ und „Schwarmintelligenz“) ungewöhnlich gemischt und mit einem klaren Schuss Esoterik versehen. Und hier schimmert schon stark die Binnenfixierung durch: Le parti pour le parti!

Parteien haben aber als Selbstbeschäftigung keine Existenzberechtigung – nicht mal in Deutschland.

Wie der Name schon sagt, hält die Basis das Thema „Basisdemokratie“ sehr hoch, wobei aber auch nicht ganz klar ist, ob dies nicht zu oft auch schlicht eine Denunziation von Verantwortung (hier immer getreu des deutschen Gruppensprech mit dem Wort „Macht“ geframt) oder professionellen Strukturen und Abläufen ist.

Persönlich interessant fand ich die entwickelten Mechanismen zum „systemischen Konsensieren“.

Aber auch das ist eher ein Werkzeug, was ich mir zum Beispiel sehr gut für tief zerstrittene Eigentümerversammlungen vorstellen kann.

Was dieser komplexe Prozess in einer deutschen Mitgliederpartei bewirken soll, bleibt mir völlig unklar.

Denken die Deutschen im Grunde ihres Herzens wirklich, dass eine politische Idee dadurch besser wird, wenn eine größere Zahl von Parteimitgliedern sie in einem quälenden Prozess zerredet hat?

Für mich ist die Anwendung des Konsensierungsprozesses auf eine politische Parteiprogrammatik das Werfen der sprichwörtlichen Perlen vor die Säue: Eine Parteipositionierung muss die Wählerinnen und Wähler dazu animieren, sich für sie einzusetzen. Und das kommt in der Regel durch eine gute Lösung für eine schwieriges Problem. Was gerade vis-à-vis dem sehr traditionsbewussten und sehr sicherheitsbedürftigen deutschen Wahlvolk wirklich keine leichte Aufgabe ist. Ein Gruppenkonsens-Approval braucht da eine gute Lösung wirklich nicht.

Wenn man sich aber die inhaltlichen Positionen der Basispartei, zum Beispiel zum Thema „Frieden“ oder zu anderen wirklich wichtigen gesellschaftlichen Fragen anschaut, wird man dann eher auch komplett ernüchtert sein.

Hier demaskiert sich das systemische Konsentieren als die schlimmste Form deutscher Parteiarbeit: Am Ende von gigantischer Zeit- und Energievernichtung kommt etwas heraus, was niemanden interessiert und definitiv keinen Wähler hinter einem Ofen hervorlockt.

Noch schlimmer müssen die Personalauswahlprozesse in dieser angeblich achtsameren Partei sein – auch hier urteile ich etwas arrogant vom Ergebnis ausgehend: Für eine Vier-Personen-Europaliste hat man zwei Aufstellungsparteitage über jeweils komplette Wochenenden mit jeweils mehreren Hundert Anwesenden benötigt beziehungsweise verbraten (plus unzählige Stunden des Vorstands in Sitzungen und vor Gericht).

Auch an der Basis-Partei kann man vor allem lernen, wie man es nicht machen darf!

Es liegt aber nicht an den Menschen, sondern am System: Praktisch alle gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Parteibildung in Deutschland sind darauf ausgelegt, dass eine Partei entweder nicht gegründet wird oder direkt nach der Gründung scheitert.

Das und momentan fast nur das garantiert den Bestandschutz für die momentan existierenden Parteien, von denen aber zwei (Linkspartei und FDP) auf den Weg in den Abgrund sind.

Trotzdem gibt es natürlich Mechanismen auf der jeweiligen Parteiebene: Ein großes Problem sind dabei aber immer die fehlende Selbstkritik und Agilität, ein Charakteristikum wiederum praktisch jeder real existierenden deutschen Partei.

Die Bilanz des Bundesvorstands der Basis-Partei bezüglich der verlorenen Wahlen war: „Die Medien sind schuld.“ Und der Grundton war die deutsche Durchhalteparole, die dem geneigten Lesen auch noch per Bild-Icon eingerieben wurde: „Die Richtung stimmt.“

„Die Richtung stimmt“? Wenn eine Partei unter 0,5 Prozent fällt und keinerlei Verantwortungsperspektive hat?

Ich bin immer wieder bass erstaunt, wie es der deutsche Kollektivismus schafft, sich selber zu belügen.

Dabei ist es ganz einfach: Wenn ein politisches Angebot die Wählerinnen und Wähler überzeugt, dann interessiert das auch die Medien. Das ist die Geschichte des Bündnis Sahra Wagenknecht.

Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Eine Lehre, die Hans-Georg Maaßen wahrscheinlich nicht mehr lernt, aber die sich gerade als echte Gefahr für das Bündnis Sahra Wagenknecht abzeichnet.

Und die Grundideen der Basis-Partei?

Eine moderne politische Kraft ist nur dann achtsam und nutzt die Kraft von Schwarmintelligenz – zwei, wie ich finde, durchaus moderne, gute Ansätze –, wenn sie professionell dafür sorgt, dass Verantwortung und „Macht“ kein Widerspruch in der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft sind.

Unser Land braucht nicht mehr oder weniger Demokratie und erst recht keine „Basis“-Demokratie, sondern die Stärken von Demokratie müssen richtig, das heißt vor allem professionell, ausgefahren, entfesselt werden: fairer Wettbewerb. Transparenz und Respekt, Leistung und Rücksicht – und bei Fehleinschätzungen den Fehler vor allem und zuerst bei sich selber suchen. Kein Kollektivismus. Definitiv kein Groupthink. Und elende, sinnfreie Durchhalteparolen sind ein absolutes Tabu.

Das sind für mich die Lehren aus der kurzen Geschichte der Partei die Basis.


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