Verdacht auf Wahlmanipulation: Wurde die Landtagswahl in Brandenburg gefälscht?
Einige Indizien, die dafürsprechen
von Thomas Jahn
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Noch im Juni 2024 stürzte die SPD in Brandenburg bei der Europawahl auf magere 13 Prozent ab. Die AfD landete damals mit weitem Abstand auf Platz eins (27,5 Prozent), gefolgt von der CDU mit 18,4 Prozent und dem BSW, Bündnis Sahra Wagenknecht (13,8 Prozent). Die Wahlbeteiligung war für brandenburgische Verhältnisse mit 67,5 Prozent annähernd so hoch wie bei der aktuellen Landtagswahl. Am vergangenen Sonntag lag sie bei 72,9 Prozent. Mit einem signifikanten Unterschied bei der Wahlbeteiligung lässt sich also nicht erklären, warum die SPD ihren Stimmenanteil innerhalb von nur dreieinhalb Monaten mehr als verdoppeln konnte, obwohl die SPD-geführte Bundesregierung mit den niedrigsten Zustimmungswerten seit Gründung der Bundesrepublik zu kämpfen hatte: Etwa 84 Prozent der Befragten des ARD-DeutschlandTrends gab Anfang September 2024 an, weniger zufrieden oder gar nicht zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung zu sein. Dennoch gewann die SPD am vergangenen Sonntag auch im Vergleich zur letzten Landtagswahl 2019 4,7 Prozentpunkte hinzu und erreichte sagenhafte 30,1 Prozent. Hatten überzeugte Anhänger der übrigen Ampel-Parteien und der CDU tatsächlich so taktisch gewählt? Warum verlor die CDU nach ihrem historisch schlechten Abschneiden im Jahr 2019 nochmals so massiv, auch im Vergleich zu der nur wenige Monate zurückliegenden EU-Wahl, und stürzte auf 12,1 Prozent ab? Vor allem drängt sich die Frage auf, warum das Wahlergebnis so deutlich von den Umfragewerten und selbst von den Nachwahlbefragungen abwich. Betrachten wir hierzu zunächst eine kurz vor der Wahl am 17. September 2024 durchgeführte Umfrage des mit Abstand seriösesten Meinungsforschungsinstituts Insa, das uns damals folgende Zahlen für die im Bundestag vertretenen Parteien lieferte: AfD: 28 Prozent, SPD: 25 Prozent, CDU: 16 Prozent, BSW: 14 Prozent, Grüne: vier Prozent, Linke: drei Prozent und FDP zwei Prozent, bei acht Prozent für die sonstigen Parteien. Dieses Landtagswahlergebnis erscheint im Hinblick auf die zurückliegende Europawahl und die verheerende Bilanz der Ampel-Koalition wesentlich plausibler als das nunmehrige amtliche Endergebnis.
Wechseln wir zur Nachwahlbefragung des ZDF, bei der eine merkwürdige neue Schwankungsbreite auffiel, denn die auf Platz eins befindliche AfD wurde mit „28/29 Prozent“, dicht gefolgt von der SPD mit „26/27 Prozent“ angegeben. Die übrigen Parteien erreichten „13/14 Prozent“ (CDU) und 13 Prozent (BSW). Grüne, Freie Wähler und FDP platzierte das ZDF deutlich unter der Fünf-Prozent-Grenze. Was auffällt, ist zunächst eine weitgehende Übereinstimmung mit der oben zitierten Insa-Umfrage. In erster Linie sticht aber die mehr als dreiprozentige Abweichung bei der SPD ins Auge. Waren das alles Wähler, die nicht zugeben wollten, diese Partei tatsächlich gewählt zu haben?
Natürlich kann ein Erklärungsansatz für die nicht alltäglichen Auffälligkeiten ein wahltaktisches Verhalten von Wählern sein, die gezielt verhindern wollten, dass die AfD am Wahlabend auf Platz eins landet. SPD-Ministerpräsident Woidke hatte diese Frage sogar mit seiner Zukunft als Ministerpräsident verknüpft. Hätte er sein Versprechen einhalten wollen, hätte ihn das ZDF-Ergebnis der Nachwahlbefragung zum Rücktritt gezwungen. Eigentlich ein Grund mehr, dass unzufriedene Wähler ihr Kreuz gerade nicht bei der SPD machen, um den Denkzettel möglichst heftig ausfallen zu lassen.
Angenommen, es gab Wahlfälschungen. Wie wäre das überhaupt zu bewerkstelligen? Manipulationen sind tatsächlich in vielfältiger Hinsicht möglich. Besonders leicht fällt dies bei der Briefwahl, wo sich bereits die Frage stellt, wer die Unterlagen wirklich ausgefüllt hat, denn wer kontrolliert vor allem bei betagteren, in Pflegeheimen untergebrachten Bürgern, ob sie den Wahlzettel tatsächlich selbst ausgefüllt haben? Die Antwort lautet natürlich: niemand! Auch im Wahllokal können beim anschließenden Auszählen eigentlich gültige Stimmzettel im Nachhinein durch das Setzen eines einfachen Kreuzes ungültig gemacht werden. Schließlich wird auch immer wieder von „Übertragungsfehlern“ berichtet, der einfachsten und ungefährlichsten Form der Wahlfälschung, denn derjenige, der falsche Ergebnisse in ein EDV-System einträgt und an die jeweilige Zentralstelle wie den Landeswahlleiter weiterleitet, kann, wenn er ertappt wird, natürlich immer behaupten, es habe sich um ein Versehen, zum Beispiel um den berühmten „Zahlendreher“ gehandelt.
Aber wäre Wahlfälschung in größerem Stil in einem Land wie Deutschland überhaupt denkbar? Zur Beantwortung dieser Frage sollte man sich mit den Wahlkämpfen der letzten zehn Jahre befassen. Wäre es vor zehn Jahren denkbar gewesen, dass Menschen ihre Arbeit verlieren und sogar aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden, weil sie für eine zugelassene Partei kandidieren oder als passive Teilnehmer bei einem privaten Treffen mit Mitgliedern der AfD, der CDU und der Werteunion anwesend waren? Hätten wir uns träumen lassen, dass Bundeskanzler, Ministerpräsidenten, Oberbürgermeister, Landräte und andere Repräsentanten dieses Staates zu Großdemonstrationen gegen eine zugelassene Partei oder zur Blockade von Parteitagen einer solchen Partei aufrufen könnten? Wurde jemals in der Geschichte der Bundesrepublik eine größere Zeitschrift verboten, weil sie mit einer bestimmten Oppositionspartei sympathisiert hat? Gab es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk jemals Fernsehsendungen, die sich einseitig gegen eine bestimmte Partei richteten und diese als Gefahr für die Demokratie brandmarkten? Die Liste der skrupellosen Rechtsbrüche, dreisten Benachteiligungen und Diskriminierungen könnte beliebig fortgesetzt werden. Mit freien Wahlen, wie sie das Grundgesetz in Artikel 38 vorsieht, hat die politische Kultur in Deutschland im Jahre 2024 nur noch sehr wenig zu tun. Wer aber nicht davor zurückschreckt, die Durchführung freier Wahlen unmöglich zu machen, weil er unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz die Wahlwerbechancen bestimmter Parteien gezielt beeinträchtigt, schreckt sicherlich auch nicht vor größeren Wahlmanipulationen zurück. In einem Land, dessen Funktionseliten freie Wahlen torpedieren, sind konsequenterweise also auch Wahlfälschungen denkbar. Das Berliner „Wahlchaos“ des Jahres 2021 mag ein weiterer Beleg für diese Annahme sein.
Wie können Wahlfälschungen aufgedeckt werden?
Das Brandenburger Landtagswahlergebnis müsste zunächst mit statistischen Methoden untersucht werden. Dazu steht seit vielen Jahren der sogenannte Benford-Test zur Verfügung. Die 1938 von Frank Benford entdeckte Formel beschreibt eine Gesetzmäßigkeit in der statistisch zu erwartenden Verteilung der führenden Ziffern von Zahlen in Datensätzen, wenn diese ausreichend groß sind. Das sogenannte Benfordsche Gesetz ist auch auf die Datensätze anwendbar, wie sie bei der Verteilung von Wählerstimmen anfallen. Einfach gefasst, besagt das Gesetz, dass das Auftreten bestimmter Anfangsziffern der Zahlenreihe von eins bis neun statistisch betrachtet häufiger stattfindet als bei anderen Ziffern derselben Zahlenreihe. Zahlen mit der Anfangsziffer „1“ treten beispielsweise mit etwa 30,1 Prozent und Zahlen mit der Anfangsziffer „9“ nur mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 4,6 Prozent auf. Der Benford-Test wurde schon vor mehreren Jahren angewandt, um gerade Wahlfälschungen aufzudecken: Benford-basierte Studien haben Abweichungen bei den mexikanischen Präsidentschaftswahlen 2006 bewiesen. Und schon im Jahr 2000 konnte festgestellt werden, dass das Ergebnis der damaligen US-Präsidentschaftswahl nicht in das Benford-Muster passte, vor allem nicht im Bundesstaat Florida. Wer also Stimmzettel im großen Stil fälscht oder falsche Einzelergebnisse an eine Zentrale weitermeldet, kann in der Regel nicht auf eine statistisch gleichmäßige Verteilung von Ziffern achten, wie sie das Benford-Gesetz empirisch nachgewiesen hat. Nachdem in einem Artikel des linken Märchen-Netzwerks „Correctiv“ vom September 2021 behauptet wird, dass ein „positiver Benford-Befund“ keine Rückschlüsse auf systematische Wahlfälschungen zulasse, dürfte die Wirksamkeit dieser Methode damit auch hinreichend bewiesen sein.
Andere Methoden sind die Suche nach lokalen Auffälligkeiten, wie unerklärbaren „Ausreißern“ nach oben oder unten oder die Anwendung eines weiteren mathematischen Gesetzes, die Gaußsche (statistische) Normalverteilung, die auf den Mathematiker Carl Friedrich Gauß zurückgeht. Weichen Ergebnisse in auffallender Weise davon ab, kann dies ein Hinweis auf eine Manipulation sein, wie sich dies bei den russischen Parlamentswahlen im Jahre 2011 herausstellte. Die damaligen Wahlergebnisse der Putin-Partei „Einiges Russland“ folgten einem auffallenden Muster, weil viele Wahllokale auffällig „runde“ Ergebnisse, die meist mit der Ziffer fünf endeten, nach Moskau gemeldet hatten.
Auch das Mittel der Korrelation hilft, einen Anfangsverdacht zu begründen, wenn zum Beispiel das Erst- und Zweitstimmenergebnis stark voneinander abweichen oder das Urnen- vom Briefwahlergebnis. In Brandenburg machten vor wenigen Tagen 32,2 Prozent der Wähler von der Briefwahl Gebrauch. Die AfD kam dabei nur auf 17 Prozent, was einer statistisch nicht erklärbaren Abweichung von über zwölf Prozentpunkten zum Gesamtergebnis der AfD (29,2 Prozent) entspricht. Natürlich präferieren viele AfD-Wähler nicht zuletzt auch wegen der entsprechenden Aufrufe der AfD eher die Urnenwahl. Allerdings lässt sich eine derart hohe Abweichung damit allein nicht erklären. Die einfachste Manipulation der Briefwahl besteht übrigens darin, dass Wahlbriefe aus bekannten Parteihochburgen überhaupt nicht mitgezählt werden. Man behauptet einfach, sie seien nicht rechtzeitig eingetroffen. Nach einem Bericht des „Tagesspiegels“ waren davon bei der letzten Bundestagswahl über 430.000 Briefwahlzettel (!) betroffen, die übrigens in keiner Statistik auftauchten, also auch nicht als ungültige Stimmen gezählt wurden.
Wahlfälschungen können mit bewährten statistisch-mathematischen Methoden aufgedeckt werden. Juristisch reichen diese Methoden allerdings nicht aus. Strafrechtlich relevante Ahndungen sind in den meisten Fällen von Zeugen oder Geständnissen abhängig. Um sich wirksam gegen Wahlmanipulationen zur Wehr setzen zu können, müssen zunächst zuverlässige Institute mit seriösen Wahlumfragen, auch Nachwahlbefragungen beauftragt werden. Schließlich ist der flächendeckende Einsatz von Wahlbeobachtern, gerade auch dort, wo Briefwahlunterlagen gelagert und ausgezählt werden, unverzichtbar. Jeder Wähler sollte zudem, soweit dies möglich ist, nur von der Urnenwahl, also der Wahl im Wahllokal, Gebrauch machen.
„Die Welt“: Briefwahl in Brandenburg – Warum die AfD von Manipulationen spricht
„Correctiv“: Faktencheck zum Benfordschen Gesetz
„Tagesspiegel“: Ungezählte Briefwahlstimmen
Wikipedia: Benfordsches Gesetz
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