Kinder der Revolution: Der Kampf gegen Rääächts – seit 235 Jahren
Wie linke Parteien den Tugendterror immer wieder übertreiben
von Oliver Gorus
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Der „Kampf gegen Rääächts“ ist ganz genauso wie der Klimakatastrophen- und der Corona-Wahn eine geschürte Massenhysterie, die früher oder später in strafrechtlich relevanten Übertreibungen endet.
Angestachelt von den hysterisch zappelnden Vortänzern in Politik und Medien überschreiten überall in der Republik einstmals ganz normale Leute, die zu „den Guten“ gehören wollen und die darum meinen, „unsere Demokratie“ verteidigen zu müssen, die Grenzen des Anstands und häufig auch die Strafbarkeitsgrenze. Sie verschanzen sich in der Anonymität oder denunzieren ohne Zeugen, sie versuchen hasserfüllt, jeden aus der Mitte der Gesellschaft, der nicht links genug ist, jeden Normalo, der sich nicht in den kollektivistischen Mittelstrahl stellt, jeden unbescholtenen Bürger, der medial unbetreut neben dem Korridor des konformen Denkens wandelt, zu desavouieren, zu dominieren, zu beschimpfen und zu rufmorden.
Die Cancel Culture cancelt sich aber am Ende stets selbst. Seit 1789 immer wieder das Gleiche.
Ungedämpfte Radikalisierung
Die erste moderne Partei der Welt, die Jakobiner, die nach dem Sturm auf die Bastille 1789 als „Bretonischer Klub“ gegründet wurde und zunächst ein politischer Debattierverein war, schrumpfte zunächst auf nur wenige Mitglieder rund um den noch ziemlich langweiligen, weil einigermaßen gemäßigten und monarchistischen Rechtsanwalt Robespierre.
Aber dann geschah 1791 das Massaker auf dem Pariser Marsfeld, wo sich die nervösen Spannungen zwischen Volk und Nationalgarde in einem Gemetzel entluden, in dem Regierungstruppen nach einem einzelnen Schuss in die kurz zuvor noch friedliche Menge feuerten, was eine Massenpanik auslöste, was wiederum weitere Schüsse in die Menge nach sich zog – Dutzende Menschen kamen ums Leben.
Nach diesem Vorfall kochte die Volksseele hoch, General Lafayette und Bürgermeister Bailly verloren jeden Kredit im Volk, König Ludwig XVI. sah sich gezwungen zu fliehen, wurde aber in Varennes gefasst, inhaftiert und kurzzeitig abgesetzt. Da aber die Nationalversammlung zu diesem Zeitpunkt gedanklich noch nicht auf die Republik vorbereitet war, wurde der König im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie erst mal wieder eingesetzt.
Doch das Vertrauen in jede staatliche Institution war durch die Vorkommnisse nun zerstört. Die Autoritäten hatten sich delegitimiert. Die Französische Revolution nahm ihren Lauf, indem sich die Klubs radikalisierten, allen voran die Jakobiner.
Diese setzten nun voll auf die Republik, organisierten eine funktionierende Propaganda in ganz Frankreich und überboten sich in immer radikaleren Forderungen. Ungebremst, weil ohne jede regulierende Gewalt und angetrieben von Fehlschlüssen, steigerten sich die Jakobiner in eine Massenhysterie hinein, in der jeder, der nicht mitmachte, zum Gegner der Revolution erklärt wurde. Allen voran wurde der König zum Volksfeind erklärt und hingerichtet, weil, so Robespierre: „Ludwig muss sterben, weil das Vaterland leben muss!“
Nach diesem Tabubruch gab es kein Halten mehr. Jeder als Gegner Markierte wurde erbarmungslos verfolgt, unterdrückt und ab 1793 auch physisch vernichtet. Zwischen 25.000 und 40.000 Menschen verloren in nur einem Jahr der Terrorherrschaft ihr Leben.
Von gemäßigt über radikal bis diktatorisch steigerten sich die „Eliten“ damals in nur vier Jahren bis in den kollektiven Wahn hinein. Der Terror bestand hauptsächlich darin, dass über jeden, der „Feind des Volks“ war, die Todesstrafe verhängt wurde. Weil aber dieser identitäre Straftatbestand, „Feind des Volks“ zu sein, nicht an ein bestimmtes Verhalten gebunden und darum gar nicht präzise definiert war, konnte im Prinzip jeder durch irgendein Wort oder irgendein Verhalten als ein solcher identifiziert werden – und war des Todes. Selbstverständlich war diese Phase ein Paradies für Denunzianten, für Sadisten und Teufel in Menschengestalt: Buchstäblich jeder konnte gebrandmarkt werden, der Rufmord wurde sogleich in wahren Mord verwandelt.
„Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
Sich alle Bande frommer Scheu;
Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
Und alle Laster walten frei.
Gefährlich ist’s, den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn;
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.“
(Auszug aus „Das Lied von der Glocke“ von Friedrich Schiller)
Jeder bemühte sich darum, zu „den Guten” zu gehören und bei dem Terrortreiben mitzumachen, in der Hoffnung, durch vorauseilenden Gehorsam nicht selbst angezeigt zu werden, was den kollektiven Wahn nur noch steigerte.
Projektionen
Robespierre rechtfertigte den „Tugendterror“ als „unmittelbare, strenge, unbeugsame Gerechtigkeit; er ist also Ausfluss der Tugend; er ist weniger ein besonderes Prinzip als eine Konsequenz des allgemeinen Prinzips der Demokratie, angewendet auf die dringendsten Bedürfnisse des Vaterlandes.“
Da war sie, die „unsere Demokratie“. Dieses Schauspiel wird seitdem wieder und wieder nachgespielt – zuletzt im Thüringer Landtag, aber auch abseits von den großen Bühnen in jedem Landkreis, in jeder Stadt in der Bundesrepublik Deutschland, 235 Jahre später. Heute ist jeder, der von der Herrschaftsmeinung zum Klima, zur Migration, zu Corona oder zum Kampf gegen „Rääächts“ abweicht, ein „Feind der Demokratie“, ein „Rääächter“, ein „Nazi“, ein „”Rechtspopulist“, ein „Querdulli“, ein „Schwurbler“, ein „Verschwörungstheoretiker“, ein „Demokratiefeind“, ein „Klimaleugner“, ein „Reichsbürger“. Alles, was so einer, der nicht zu „den Guten“ gehört, weil er nicht links genug ist, sagt, ist „gequirlte braune Scheiße“ – erwachsene, eigentlich gebildete Leute vergessen sich vollkommen und würdigen sich selbst in Gossensprache und brutaler Dummheit herab.
Menschen, die sie als nicht ihresgleichen identifiziert haben, verfolgen diese selbsternannten Wächter der „Demokratie“ gnadenlos: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!“
Sie versuchen zuerst den Ruf, dann die sozialen Beziehungen und schließlich die wirtschaftliche Existenz der Nicht-ausreichend-Linken zu vernichten, und sie sind in ihrem Wahn voller tatsächlich so empfundener Abscheu gegenüber den zu Feinden erklärten Gegnern, sie ekeln sich richtig vor ihnen wie vor Ungeziefer. Dabei ekeln sie sich in Wahrheit vor der Projektion ihrer selbst.
Und so merken sie nicht, wie sie selbst genau zu den Ungeheuern werden, die sie zu bekämpfen vorgeben.
Die Jakobiner ermordeten Priester, Adelige, Geschäftsleute, die Wohlhabenden, Wirtschaftsliberale, abtrünnige Revolutionäre, Verbündete des feindlichen Auslands, Atheisten, Gegner des Terrors, die zu Gemäßigten und die zu Radikalen … und so weiter. Zehntausende im ganzen Land. Am Ende waren 85 Prozent der Ermordeten Angehörige des Dritten Standes, also derjenigen, die eigentlich ursprünglich das Joch des Ersten und Zweiten Standes in der Revolution abwerfen wollten. Bekanntermaßen frisst die Revolution ihre Kinder. Immer.
1794 war es endlich so weit: Robespierre versuchte, sich an der Macht zu halten, indem er immer weitere „Säuberungen“ durchführte, bis schließlich einige Abgeordnete des Konvents sich zusammentaten, ihn verhafteten und hinrichteten, um nicht selbst von ihm hingerichtet zu werden.
Die ursprünglichen Ideen der Revolution von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit waren zu diesem Zeitpunkt längst ad absurdum geführt worden.
Die Rückkehr zur Vernunft
Auch der grüne Tugendfuror im Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts zerlegt sich gerade selbst. Wer klug ist und nicht auf den letzten Metern durch seine maßlose Denunziationslust vom linksradikalen Tugendwächter zum Straftäter werden will, rafft sich jetzt und setzt nach 20 antibürgerlichen Jahren neuen Kurs: Das Schiff wendet, die Segel werden neu gesetzt: konservativ, bürgerlich, freiheitlich, marktwirtschaftlich. Da geht’s lang.
Viele sind nicht klug genug dafür oder einfach zu tief im Wahn verstrickt. Die Grünen und Linken überall in der Gesellschaft schlagen noch einmal wild um sich und rufmorden, was das Zeug hält. Ein Rechtsanwalt, der die „Demokratiefeinde“ vertritt: Rääächts! Einer, der auch durch die Stimmen der „Demokratiefeinde“ gewählt wird: Rääächts! Einer, der freiheitliche, also nicht kollektivistische Ideen äußert: Rääächts! Einer, der einen engagiert, der freiheitliche Ideen äußert: Rääächts! Eine, die einen kennt, der einen engagiert, der freiheitliche Ideen äußert: Rääächts! Eine, die für eine arbeitet, die einen kennt, der einen engagiert, der freiheitliche Ideen äußert: Rääächts!
Es wird gerade immer irrer, wie 1794, am Ende des großen Terrors, zwar ohne die Guillotine, aber mit dem vollen Programm der Zersetzung und der Verleumdung. Ich kann das aus erster Hand bezeugen.
Dabei müssten die Hochdruckideologen alle nur mal durchschnaufen und aus dieser allgemeinen Hysterie erwachen:
Ja, der Mensch hat Einfluss aufs Klima – aber so gering, dass es ganz sicher keine Klimakatastrophe gibt.
Ja, Corona ist für Ältere und Vorerkrankte gefährlich – aber nicht so schlimm, dass Politiker den Bürgern die Grundrechte nehmen dürften.
Ja, in der AfD gibt es einige gefährliche Rechtsextreme – aber bei den Grünen, Linken und Sozialdemokraten gibt es einige kaum weniger gefährliche Linksextreme, und es gibt keinen Grund, jeden, der nicht links ist, reflexartig als Nazi zu denunzieren.
80 Prozent der Leute sind bürgerlich und in keinster Weise radikal, böswillig, ideologisch oder in irgendeiner Weise feindselig. Sie wollen nur in Ruhe gelassen werden von Spinnern, Staatsgläubigen, links- oder rechtskollektivistischen Fanatikern, machtgeilen Karrierepolitikern, schmierigen Opportunisten und skandalisierenden Schmierfinken.
Wir sollten in der deutschen Öffentlichkeit endlich mal wieder Maß und Mitte finden, nicht alles hochkochen und nicht von einer Hysterie in die nächste hecheln.
Sozialdemokraten sind keine Kommunisten, Konservative sind keine Nazis, Freiheitliche sowieso nicht.
Nehmen wir die aufgehetzten linken und rechten Extremkollektivisten mal aus den Schlagzeilen und kümmern wir uns lieber mal wieder um die Interessen der produktiven Mitte, die den ganzen Laden hier mit ihrer Wertschöpfung finanziert.
Kommentare
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