05. Oktober 2024 22:00

Die freie Rede auf der Anklagebank Deutschland hat sich nicht geändert

C. J. Hopkins verurteilt

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Königubu / Wikimedia US-Autor C. J. Hopkins: Von Berliner Kammergericht schuldig gesprochen

Eine der größten Überraschungen während der Corona-Jahre war für mich, dass ein Großteil des Widerstands in Deutschland tendenziell eher aus dem linken Spektrum kam. Zu diesem zählt sich wohl selbst auch C. J. Hopkins, ein in Berlin lebender amerikanischer Autor, der in der Vergangenheit in seinen politischen Texten stets vor den angeblichen Auswüchsen des globalen Kapitalismus gewarnt hat. 

Während Covid lief Hopkins allerdings zur Höchstform auf. Unvergessen sind für mich sein Interview mit dem leider viel zu früh verstorbenen Gunnar Kaiser und zahlreiche seiner Texte, in denen er den Covid-Terror der Bundesregierung in eine Linie stellte mit der nationalsozialistischen Vergangenheit des deutschen Staates. Bei mir rannte er damit offene Scheunentore ein. Denn dass es sich bei der Bundesrepublik nicht nur um den selbsterklärten Nachfolgestaat des Dritten Reiches handelt, sondern sich ebenjener Staat auch in seinen Methoden der Ausgrenzung, Unterdrückung und Einschüchterung im Zweifel an seinen Vorgängern orientiert, von denen sich führende Politiker ansonsten in lauen Sonntagsreden gerne wortreich distanzieren, war spätestens seit Maulkorberlass und Impfzwangdebatte klar. Die Deutschen lieben eben mehrheitlich autoritäre Politiker, da ist die historische Kontinuität eigentlich keine Überraschung. Wobei ich noch einen Schritt weiter gehen würde als Hopkins. Die Linie reicht doch in Wirklichkeit vom preußisch geprägten deutschen Nationalstaat mit seiner autoritären Führung über die Hitler-Diktatur bis heute. Die Verachtung des deutschen Staates für individuelle Freiheitsrechte begann sicher nicht erst mit den Nazis.

Doch wehe dem, der dies alles ausspricht! Der zieht sofort den Verfolgungseifer der vermeintlich geläuterten Repräsentanten des deutschen Staates auf sich, der, frei nach Idi Amin, zwar Freiheit der Rede, aber eben keine Freiheit nach der Rede garantiert. So geht es seit über einem Jahr auch Hopkins. Vom Amtsgericht Tiergarten war der US-Satiriker noch freigesprochen worden für einen Tweet, in dem er Maske und Hakenkreuz optisch in eine Reihe stellte. Die Symbole haben sich geändert, der totalitäre Ungeist ist geblieben, so die Botschaft. Ich fand den Tweet damals so gelungen, dass ich ihn geteilt habe. Um nicht auch ins Visier der deutschen Behörden zu geraten, möchte ich aber betonen, dass ich mich zum Zeitpunkt des Retweets nachweisbar außerhalb Deutschlands aufgehalten habe, falls das für die Feinde der freien Rede zwischen Flensburg und Garmisch zu diesem Zeitpunkt noch irgendeinen Unterschied machen sollte.  

Das Berliner Kammergericht verurteilte nun Hopkins dafür und verwies den Fall für das Strafmaß zurück ans Amtsgericht Tiergarten. Begründung: Er habe durch den Tweet „keine staatsbürgerliche Aufklärung“ geleistet, sondern „ausschließlich die Bundesregierung kritisiert“. Die Gegnerschaft des Alt-Linken Hopkins zum Nationalsozialismus sieht Richterin Delia Neumann damit „nicht erwiesen“. Da bleibt einem beim Lesen die Spucke weg. Es ehrt Hopkins, dass er die Verhandlung richtigerweise als Schauprozess identifizierte und sich, anders als noch bei seinem ersten Prozess, nicht einmal mehr inhaltlich darauf einlassen wollte. Für Hopkins als Amerikaner ist es natürlich schon kaum zu verstehen, wie der Staat einen nach einem Freispruch noch weiter verfolgen und erneut auf die Anklagebank setzen kann. Wer in Amerika freigesprochen wurde, ist freigesprochen, ohne Wenn und Aber. Da gibt es keine zweite Chance für den Staatsanwalt.

Dennoch gab Hopkins eine Erklärung ab. Er erwarte keine Gerechtigkeit, gab er vor Gericht an. „Tun Sie, was immer Sie glauben, tun zu müssen“, sagte er der Richterin ins Gesicht. „Schicken Sie mich ins Gefängnis, ruinieren Sie mich finanziell, was auch immer. Ich werde Ihnen nicht gehorchen, weil Sie mir drohen, weil Sie die Macht haben, mir zu schaden.“ 

Nun will Hopkins vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Er hat offenbar die Nerven und zahlreiche Unterstützer, die ihm finanziell beispringen, um diesen Weg zu gehen. Viele haben das nicht und akzeptieren die Strafe. Und natürlich geht es dem deutschen Staat nicht um Hopkins. Bestrafe einen, erziehe 100 gilt nicht nur in kommunistischen Diktaturen, sondern auch in den von Hopkins in glühender Naivität idealisierten demokratischen Staaten. Die Botschaft, die durch das Kammergerichtsurteil ausgesendet wird, ist: Wer den Staat kritisiert, muss Verfolgung fürchten! Da muss gar keine letztinstanzliche Verurteilung stehen, um diesen Zweck zu erfüllen. Es geht um Einschüchterung der Menschen, die sich aus Angst vor Strafe selbst zensieren sollen, wodurch Debatten auf den politisch erwünschten Diskursrahmen beschränkt bleiben sollen. Das machte die Richterin in ihrem Urteil auch unmissverständlich klar, indem sie nicht nur Hopkins, sondern gleich mal pauschal alle Maßnahmengegner attackierte, die ihr eigenes Leiden „im Lichte einer überzogenen Dramatisierung aufwerten“ wollten und dadurch „die millionenfachen Opfer und Verbrechen des Naziregimes banalisieren“. Getroffene Hunde bellen. Es ist der durchschaubare Versuch eines Staates, seinen Kritikern zu unterstellen, sie hätten die Ausgrenzung der Ungeimpften mit dem Holocaust verglichen. Mir ist niemand bekannt, der dies getan hat. Doch Parallelen zwischen der Ausgrenzung jüdischer Bürger Mitte der 30er Jahre und dem Ausschluss der Ungeimpften vom öffentlichen Leben während Covid drängen sich mir geradezu auf.

Obwohl Hopkins während Covid eine wirklich ehrenwerte Aufklärungsarbeit leistete und die Willkürherrschaft der deutschen Behörden mutig, bissig und pointiert aufs Korn nahm und er dafür meine Bewunderung und Solidarität verdient hat, ist er in seiner Haltung zur freien Rede leider gar nicht so weit weg von dem Staat, der ihn anklagt. Denn während Hopkins sich selbst als „Free-Speech-Absolutist“ bezeichnet, hält er ausdrücklich die Paragraphen 86 und 86a Strafgesetzbuch für richtig. Hopkins findet es gut, dass Menschen verurteilt werden, die Sympathien für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft äußern und deren Symbole bejahend verwenden. Für sich selbst hingegen reklamiert er Ausnahmen, die diese Paragraphen beinhalten, nämlich wenn das Verwenden und Verbreiten von Nazi-Symbolen der Wissenschaft, Forschung und Lehre sowie der „staatsbürgerlichen Aufklärung“ dienen. Wer sich argumentativ auf dieses Eis begibt, darf sich nicht wundern, wenn er einbricht. Deutsche Juristen haben dafür das Wortungetüm „Sozialadäquanzklausel“ erfunden. Auch Hopkins’ Verweis auf sogenannte Nachrichtenmagazine wie „Spiegel“ und „Stern“, deren Aufmacher in der Vergangenheit Hakenkreuze zierten, geht ins Leere. Hat Hopkins dieses Land, in dem er seit 20 Jahren lebt, wirklich so wenig verstanden? Das ist die Systempresse, das sind die Guten, die dürfen das, denen unterstellt jedes Gericht automatisch hehre Motive. Quod licet Iovi, non licet bovi. Gleichheit vor dem Gesetz? It’s Germany, C. J.!

In seiner Heimat, den USA, wäre Hopkins, dem Ersten Verfassungszusatz sei Dank, nie angeklagt worden. Selbst dann nicht, wenn er Sympathien für die NS-Zeit hegen würde, was man dem mit einer Jüdin verheirateten Hopkins wirklich nur mit einer gehörigen Portion Boshaftigkeit vorwerfen kann. Ein Staat, der Holocaustleugnung und Nazi-Symbolik bestraft und somit also die Meinungsfreiheit unter Gesetzesvorbehalt stellt, kennt keine Meinungsfreiheit. Wer so was verfolgt und Menschen im Zweifel dafür die Freiheit nimmt, unterscheidet sich höchstens in Nuancen von denen, die zu bekämpfen er vorgibt. Hopkins könnte der ganzen Farce übrigens sofort ein Ende bereiten. Alles, was er dafür tun müsste, ist in ein Flugzeug zu steigen und nach Hause in die USA zu fliegen. Das ist der große Vorteil, den Hopkins gegenüber deutschen Regimekritikern hat. Und mal ehrlich: Warum will man als Besitzer eines ausländischen Passes in einem Land leben, das einem so etwas zumutet? 


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