Schützenhilfe durch: Simone Solga: Sie hat DDR gesagt!
Wie eine Kabarettistin im Ersten den Nationalfeiertag nutzt
von David Andres
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Eine schwere Erkältung zwang mich dieser Tage mit Fieber, Husten und allumfassender Schwäche aufs Sofa. Die Schwäche war so allumfassend, dass sogar die Fähigkeit, Sendungen in den Streaming-Diensten auszusuchen, nicht vorhanden war und ich somit einfach den Nuhr laufen ließ, als er mir aus dem Ersten entgegenstrahlte. Die Sendung lief einen Tag nach dem Tag der Deutschen Einheit und Dieter Nuhrs Gast Simone Solga nutzte die Steilvorlage überaus erfreulich.
Zunächst einmal drückt die in der DDR aufgewachsene Kabarettistin, Sängerin und Schauspielerin den Westdeutschen ihren Respekt aus: „Wir Ossis, wir haben uns ja damals gefragt: Wie ist das, wenn man sich in einem komplett überlegenen System einfügen muss? Und ich kann nur sagen: Die Westdeutschen haben sich extrem gut integriert.“
Zack.
Da steht das Narrativ auch schon im Raum, das sonst nur in „unseren“ Gefilden fröhliche Urständ feiert. Der Gedanke, dass nicht der damals tatsächlich freiere und liberalere Westen den gesinnungsdiktatorischen, sozialistischen Osten geschluckt habe, sondern umgekehrt. Das griffige Bild, dass wir eigentlich in der DDR 2.0 leben.
Fortan malt sie dieses Bild in kräftigen Farben aus. Die Innenstädte von Bochum oder Hannover sähen heute so aus wie „Karl-Marx-Stadt 1985“ und hätten sich getreu dem sozialistischen Motto entwickelt: „Überholen ohne einzuholen.“ Sogar die Mauer sei wieder errichtet worden, die ja damals die DDR nicht als Gefängnisbauwerk einzäunte, sondern als „antifaschistischer Schutzwall“ vor den rechten Horden schützte. Die neue heiße „Brandmauer“ und sei „genau wie die alte Mauer quasi nur eine Orientierungshilfe zum Thema ,bis hierher und nicht weiter, denn sonst’s knallt’s!‘“ Den Satz darauf dürfte außerhalb der Hege dieser Sendung wohl kaum jemand in der ARD äußern – es sei unverständlich, wenn Frau Faeser die Brandmauer predige, aber zugleich „für offene Grenzen wirbt“. Was im Kommunismus „Hammer und Sichel“ war, sei halt heute „die Machete“.
Schlussendlich kippt Solga ihre Kübel aus Sarkasmus noch über die Presse aus. „Wir Ossis hatten ja schon Sorge, dass wir mit der Wiedervereinigung einen Journalismus kriegen, der ständig rumnörgelt, speziell an der Regierung. Aber diese Angst, die haben sie uns ja inzwischen Gott sei Dank genommen. Ein ,Spiegel‘, der trägt den Staat so zuverlässig mit wie seinerzeit das Neue Deutschland.“ Ach ja, und der Kanzler sei auch weiter als ein Erich Honecker, der sich bei den Wahlen wenigstens seine 98 Prozent abholte. Ein Olaf Scholz hingegen habe „die nächste Stufe des Sozialismus erreicht, der regiert auch dann noch weiter, wenn ihn keiner mehr wählen will.“
Nach den letzten Diskussionen hier in den Kommentaren weiß ich, ja, diese ganze Anti-Migrations-Hetze ist wahrscheinlich nicht wahrhaft libertär. Aber dass da jemand zu guter Sendezeit in einem bürgerlich weitakzeptierten Rahmen das DDR-2.0-Ding bringen kann und zwar mit ganz dickem Farbstrich, das ist eine Erwähnung als „Schützenhilfe“ freiheitlicher Gedankenfunken wert.
Quelle:
Nuhr im Ersten vom 4. Oktober 2024 (ARD Mediathek)
Kommentare
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