19. Oktober 2024 22:00

Heizen in Bulgarien Statt frischer Luft nur Feuerduft

Umgang mit Holz und Öfen

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Wirestock Creators / Shutterstock Heizen mit Holz sorgt drinnen für behagliche Wärme: Doch draußen oft für schlechte Luft

Zu den Dingen, die ich im Haus meiner Eltern in Oberfranken am meisten geschätzt habe, gehört ohne Frage der Kaminofen in meiner dortigen Kellerwohnung. Heizen mit Holz macht einfach die beste Wärme und es gibt kaum etwas Schöneres, als an einem kalten Wintertag mit einem heißen Tee auf der Couch zu sitzen, während im Hintergrund das Holz im Ofen knistert. Unser Kaminofen gehört glücklicherweise zu jenen, die noch Bestandsschutz haben, also nicht unter die Neufassung des Bundesimmissionsschutzgesetzes fallen und somit Ende des Jahres entweder kostenintensiv nachgerüstet werden müssen oder vom Staat stillgelegt werden. Bei „illegaler“ Weiterbenutzung kann sogar das Ordnungsamt aktiv werden. Strafen bis zu 50.000 Euro drohen. Krass, was sich die Menschen in Deutschland so alles gefallen lassen! Der Staat setzt eine willkürliche Frist und verbietet einfach mal so mit einem Federstrich Kaminöfen, die nach einem bestimmten Datum eingebaut wurden und eine ebenso völlig willkürliche festgelegte Norm nicht einhalten. Respekt vor Eigentum – gleich null.

Das Kaminofenverbot ist nur die Spitze des Eisberges. Dass ein staatlich beauftragter Kaminkehrer von Haus zu Haus geht und in regelmäßigen Abständen sogar das Holz begutachtet und dabei die Restfeuchte misst, immer mit der Drohung von Ordnungsgeldern oder Kaminstilllegung in der Hinterhand, ist mir schon immer sauer aufgestoßen; eine paternalistische deutsche Unart. Erzählen Sie mal einem Amerikaner, dass der Betrieb seiner Feuerstätte auf seinem eigenen Grund und Boden unter Kaminkehrervorbehalt steht! Was jemand auf seinem Grundstück verschürt, geht zumindest den Staat nichts an!

Das sehe ich auch heute noch so, wenn auch das Thema Luftverschmutzung durch das Heizen mit Holz eine ganz andere Bedeutung bekommen hat, seit ich mit meiner Familie in Bulgarien lebe. Zuletzt verweilten meine Frau und ich zwei Wochen im Südwesten des Landes, in einem kleinen Städtchen namens Bansko, in der Region Blagoewgrad, das sich vor allem als Ort für Skitouristen, als internationaler Ankerpunkt für Homeschooling-Familien und digitale Nomaden einen Namen gemacht hat. Ursprünglich konnten wir uns sogar vorstellen, hier dauerhaft zu leben. Das 10.000-Einwohner-Städtchen, das an Luftkurorte in den Alpen erinnert, liegt malerisch am Fuße des Pirin-Gebirges, ein wenig das ästhetische Kontrastprogramm zur zwei Stunden entfernten Millionenstadt Sofia, die ich ohne zu zögern als die hässlichste Hauptstadt Europas bezeichnen würde. Das Wasser aus der Leitung in Bansko kommt direkt aus dem Gebirge in die Haushalte, einem millionenschweren EU-Projekt sei Dank, das, wie sollte es anders sein, maßgeblich mit deutschen Steuerzahlergeldern verwirklicht wurde.

Doch nichts hat mich auf die Luftqualität in dem Ort vorbereitet. Statt frischer Gebirgsluft liegt bereits jetzt im Oktober fast jeden Morgen ein Rauchschleier über der in einem Talkessel gelegenen Stadt. In Bulgarien heizen laut einem aktuellen Bericht der englischsprachigen Nachrichtenagentur Novinite 60 Prozent der Haushalte noch mit Holz und Kohle (20 Prozent verfügen über eine Zentralheizung, weitere 20 Prozent heizen elektrisch). Bei den Preisen kein Wunder. Der Ster Hartholz wird hier für durchschnittlich 58 Leu (rund 30 Euro) gehandelt. Zum Vergleich: Mein Vater zahlt in Oberfranken 140 Euro für den Kubikmeter Hartholz, und dabei handelt es sich schon um einen Freundschaftspreis. All das wäre vermutlich kein Problem, wenn die Bulgaren etwas verantwortungsvoller mit ihrem Heizmaterial umgehen würden. Überall sieht man hier in Bansko Feuerholz unabgedeckt im Garten herumliegen, meist nass, verschimmelt und modrig, manchmal sogar laminiert oder anderweitig behandelt. Wenn ich dieses Holz zu Hause in Franken verschürt hätte, hätte es keinen Tag gedauert, bis ich Besuch von meinen Nachbarn bekommen hätte. Und das völlig zu Recht!

Doch richtig ulkig wird es, wenn man sich dann anschaut, in welchen Öfen dieses Holz verschürt wird. Ich bin kein Experte und kann dennoch selbst in öffentlich zugänglichen Gebäuden auf den ersten Blick erkennen, dass kaum eine der Feuerstätten hier irgendwelche EU-Richtwerte erfüllt. Was die Privathaushalte angeht, kann ich es nur erahnen. Wundern sollte ich mich darüber wohl nicht. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass Deutschland eine EU-Richtlinie eins zu eins in deutsches Recht übernimmt und das dann gegen die eigenen Leute drakonisch auslegt, während man anderswo in der EU Laisser-faire walten lässt. Der Deutsche muss halt immer im Alleingang die Welt retten.

Ich frage mich in diesen Tagen oft, wie denn eine freiheitliche Lösung für dieses Problem aussehen könnte. Laut der WHO hat Bulgarien weltweit die dritthöchste Sterberate, die direkt auf Luftverschmutzung zurückzuführen ist. Da müsste es doch bei den Leuten Klick machen, sollte man meinen. Schuld daran ist auch das unsachgemäße Heizen mit Holz und Kohle in Öfen, die oft noch aus kommunistischer Zeit stammen. Sofia hingegen gehört, anders als man es erwarten würde, nicht zu den europäischen Kapitalen mit der höchsten Luftverschmutzung, sondern liegt hier im Mittelfeld, selbst noch hinter Städten wie Zagreb, Warschau oder Athen. Ganz glauben muss man diesen Zahlen freilich nicht. Denn erst vor ein paar Wochen kam heraus, dass das bulgarische Umweltministerium bei Schadstoffmessungen in den enorm belasteten Stadtteilen Pavlovo und Mladost getrickst hat. Doch zurück ins ländliche Bulgarien. Sehen die Menschen nicht, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, etwas an der Art und Weise zu ändern, wie sie heizen? Warum so wenig Rücksichtnahme? Und sind die Alternativen wirklich nur staatliche Kontrollen auf der einen oder stinkende Kamine auf der anderen?

Nun steht der Touristenort Bansko vermutlich, verglichen mit anderen bulgarischen Dörfern in der Region, noch ziemlich gut da. Die neuen Gebäude verfügen fast ausschließlich über Klimaanlagen, mit denen man im Winter dann auch heizen kann. Zentralheizungen sind hier praktisch, anders als in Sofia, nicht zu finden. Das Vertrauen der Bulgaren, dass im staatlich kontrollierten Energiesektor (der allerdings wohl produktiv arbeitet und sogar Strom in Nachbarländer exportiert) die Preise von derzeit elf Cent pro Kilowattstunde (zum Vergleich in Deutschland 40 Cent/khW) stabil bleiben, ist schon bemerkenswert. Sollten hier jemals Marktpreise Einzug halten, bleibt eigentlich nur noch der nachträgliche Einbau von Zentralheizungen zu irren Preisen. Ich habe jedenfalls noch nie in meinem Leben eine so hohe Stromrechnung produziert wie vor einigen Jahren in Albanien, wo wir, in einem wesentlich kürzeren Winter als hier in Bulgarien üblich, ausschließlich mit Elektrizität geheizt haben und das zum exakt selben Preis pro Kilowattstunde wie hier. Bulgarien hat in der EU zusammen mit Ungarn die niedrigsten Strompreise.

Doch möglicherweise ist bereits meine Annahme falsch, dass es vor allem die Angst vor Strafe sei, die die Menschen in Deutschland überwiegend verantwortungsvoller mit Feuerholz umgehen lässt als hier in Bulgarien. Ist es vielleicht genau das, was die Bundesregierung möchte, dass ich denke? Warum fällt es mir so schwer zu glauben, dass, genau wie ich aus Höflichkeit gegenüber meinen Mitmenschen am Ort nur trockenes Holz (mit etwa zehn bis zwölf Prozent Restfeuchte) verschüre, andere dies aus demselben Grund tun und nicht aus Angst, dass der Kaminkehrer ihnen den Ofen stilllegt? Oder hat es vielleicht auch ein wenig mit sozialer Kontrolle zu tun? Das muss erst mal nichts Schlechtes sein, solange nicht die Drohung mitschwingt, Nachbarn bei den Behörden zu denunzieren. Schließlich will man in einer Ortsgemeinschaft nicht dafür bekannt sein, die größte Dreckschleuder im Dorf zu sein. 

In Bulgarien braucht es wohl einfach Zeit, an einen ähnlichen Punkt zu gelangen. Ich kann mich erinnern, dass auch bei uns im ländlichen Oberfranken die Luftqualität im Winter früher viel schlechter war als heute. Das Bewusstsein für verantwortungsvolles Heizen hat mit den Jahren definitiv zugenommen. Am Ende kann es, will man den Staat außen vor lassen, nur das positive Vorbild Einzelner sein, das einen Dominoeffekt hin zu besserer Luft schafft. Und wem das zu lange dauert, der sollte nicht nach dem Staat rufen, sondern am besten einfach aus solchen Orten wegziehen. Das gilt nicht nur für Bansko und das ländliche Bulgarien, sondern für jeden Ort auf der Welt. Und bevor man nun mit dem Finger auf die Bulgaren zeigt, sollte man sich auch einen gewaltigen Unterschied zu Deutschland vor Augen halten. Bulgarien ist das ärmste Land in der EU. Der durchschnittliche Monatsmindestlohn liegt bei 477 Euro und ist damit fast 200 Euro niedriger als selbst im ebenfalls armen Nachbarland Rumänien. Da ist für viele Menschen nicht so sehr die Frage entscheidend, welche Restfeuchte ihr Feuerholz hat, sondern dass sie es überhaupt im Winter einigermaßen warm haben.


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