US-Wahl: Kuriose Kakophonien rund um den Wahlzirkus
Die Welt als Irrenanstalt
von Axel B.C. Krauss
Vielleicht wäre es zu diesem Zeitpunkt wirklich besser, Wörter wie „normal“ und „verrückt“ einfach abzuschaffen. Die Grauzonen zwischen beiden sind nicht nur zu groß geworden, sondern es gibt eigentlich überhaupt keine klare Grenze mehr. Das ist zwar keine neue Erkenntnis, aber wenn es zunehmend schwieriger wird, den Innenhof einer Irrenanstalt von der Außenwelt zu unterscheiden, wäre es eine Überlegung wert, diese Begriffe aus den Wörterbüchern zu streichen.
Beispiel: Jeff Bezos, Eigentümer eine der ältesten Zeitungen Amerikas, der „Washington Post“, machte sich nicht nur drüben, sondern auch hüben etwas unbeliebt, weil er der Redaktion im Vorfeld der Wahl die „traditionellen“ Wahlempfehlungen untersagte. Manche sprachen gar von „Zensur“, weil der Eigentümer eines Blattes die gar nicht so unberechtigte Frage stellte, was genau Journalismus denn nun mit betreutem Denken zu tun haben soll: Seit wann bitte sind Journalisten Kindergärtner? Wieso Leser an die Hand nehmen, um sie über den rotblauen Zebrastreifen zu führen und ihnen dabei zu „helfen“, sich für die „Richtigen“ zu entscheiden? Und vor allem: Woher soll der gemeine Wähler eigentlich wissen, dass es dabei mit rechten Dingen zuging? Schließlich wäre nicht auszuschließen, dass es, naja, „Einflussnahmen“ gab, sei es in Form langjähriger persönlicher Verflechtungen von Journalisten mit Politikern oder in Form von Schmiergeld. Dafür braucht man auch gar nicht über den Atlantik zu schauen, das gibt’s auch in Schland.
Wenn also ausgerechnet deutsche Journalisten sich darüber mokieren, geht es endgültig in den Kopfstand. Ja gut, hierzulande gibt es zwar keine offenen Ratschläge, wen wir wählen, wen wir nicht wählen sollten (sieht man von AfD-Politikern ab). Stattdessen werden politische Lieblinge gerne in kontrastverstärkten Schwarzweißfotos wie aus feinstem Carrara-Marmor gemeißelt dargestellt, als handele es sich um nach langer Zeit endlich wiederentdeckte Büsten römischer Kaiser, zum Beispiel. Oder von Starfotografen nach stundenlanger Maske und nicht weniger zeitaufwendiger Suche nach dem besten Lichteinfall aller Wahlkampfzeiten verewigte Rockstars. Außerdem wären direkte Wahlempfehlungen hierzulande überflüssig, schließlich ist der grüne Daumen im Juste Milieu mittlerweile so angeschwollen, dass er sowieso jedes Bild verdeckt. Geschweige denn, dass er noch den Auslöser betätigen könnte.
Andere Kommentatoren hingegen vermuteten, Bezos habe die „Tradition“ deshalb ausgesetzt, weil er mögliche Konsequenzen fürchte: Schließlich hatte Trump, wie schon 2016, auch im Wahlkampf 2024 angekündigt, er werde gnadenlos alle seine Feinde vernichten. Fehlt eigentlich nur noch ein reanimierter QuarkAnon, der die baldestmögliche Verhaftung aller Bösen verspricht, sofern man an den Plan glaubt.
Doch das eigentlich Erschreckende ist für mich nicht, dass es Diskussionen über Dinge gibt, die doch eigentlich selbstverständlich sein sollten: Wahlempfehlungen haben im Journalismus nix verloren. Aus oben genanntem Grund (Schmiergeld, doch zu Musk komme ich gleich) und außerdem, weil sonst ja der Verdacht einer massenmedial „gelenkten Demokratie“ aufkäme. Viel verblüffender ist die Tatsache, dass nach Bezos’ Ankündigung circa 200.000 (!) Leser der „Washington Post“ kündigten. Keine Lust auf Selberwählen? Gibt es eine Sehnsucht nach Betreuung? Ist es skandalös, Leser gänzlich ungenudgte eigene Entscheidungen fällen lassen zu wollen? Ob man solche Fragen überhaupt noch stellen kann, ohne Le Bon lachen zu hören oder zum sinnlosesten Male die ersten Seiten aus Bernays’ „Propaganda“ zu wiederholen, sei nüchternen Realisten mit viel Menschenkenntnis überlassen.
Doch nun zu Musk, der allen, die eine Petition für freie Rede und für das Recht, Waffen zu tragen, unterschreiben, eine Million Dollar Preisgeld versprach. Das mag ja durchaus nett gemeint gewesen sein, aber auch hier schwebt die Frage im Raum und der leicht neofeudalistische Duft in meiner Nase, wie ich mir die Zukunft vorstellen soll: Sollten Oligarchen/Plutokraten Schmiergeld für „richtige Entscheidungen“ zahlen? Warum eine Million für eine Unterschrift unter „Freie Rede!“, obwohl sich doch eigentlich jeder Mensch mit einem Mindestmaß an Geschichtsbildung sowieso dafür einsetzen sollte? Vielleicht bin ich schon zu alt für diese wundersame Welt.
Aber vielleicht besteht die krachende Ironie auch einfach darin, dass ausgerechnet ein Musk freie Rede unterstützen möchte, dessen „X“, wie ich bereits erwähnte, sich nach wie vor mit Shadow Bans und künstlichen Reichweitenbeschränkungen für die Freiheit einsetzt und dessen Algorithmen bevorzugt solche politischen Influencer künstlich fördern und in den Vordergrund stellen, die elitären Agenden dienen.
Insofern hat Anna Schneider, Redakteurin der „Welt“, durchaus recht, wenn sie in einem Artikel fragt: „Elon Musk Staatsfeind Nummer zwei? Muss da wirklich keiner lachen? In deutschen Medien wird Elon Musk als Bedrohung für die Demokratie dargestellt. Vielleicht weil es auf schmähbefreite Journalisten einfach befremdlich wirkt, dass es meistens so aussieht, als hätte Musk Spaß am Leben. Sogar, wenn deutsche Magazine ihn nicht mögen.“
Womit der „Spiegel“ gemeint war, das Sturmgeschütz der Gates-Stiftung. Aber ich sagte ja schon: Kopfstand, wo man hinschaut. Selber nimmt man Schmiergeld, anderen wirft man’s vor. Drollig. Klar, natürlich muss ich dabei lachen. Als wäre Musk ein „Staatsfeind“. Au contraire. Aber dazu lasse ich jemanden zu Wort kommen, der sich damit sehr eingehend beschäftigt hat, und damit schließe ich: „Es ist äußerst schwierig, ohne die Unterstützung von G3P-Partnern wie ‚Meta‘ oder Elon Musks ‚X‘ zu einem ‚Influencer‘ in den sozialen Medien zu werden. Ein weiteres bemerkenswertes Problem ist die absurde Behauptung, Elon Musk sei ein Verfechter der Meinungsfreiheit. Musk behauptet, ein ‚Verfechter der freien Meinungsäußerung‘ zu sein, zensiert aber gleichzeitig Menschen auf X. Er erklärt, dass X eine Social-Media-Plattform ist, die zwar ‚Meinungsfreiheit, aber keine Reichweitenfreiheit bietet‘. Wer einen X-Account hat, kann auf dieser Plattform sagen, was er will, aber wenn seine ‚Reichweite‘ durch den X-Algorithmus eingeschränkt wird, haben andere X-Nutzer keine Möglichkeit, es zu lesen oder zu hören.
Wie funktioniert diese Zensur? Um ein ‚Influencer‘ auf X zu werden, muss man entweder für dieses Privileg bezahlen oder vom X-Algorithmus genehmigt und aktiv gefördert werden. Das bedeutet, dass die Plattform für normale Menschen und kleinere unabhängige Journalisten eine Echokammer ist, es sei denn, X beschließt, ihre Beiträge zu fördern. Mit anderen Worten: X ist eine Maßnahme zur Kontrolle von Narrativen und eine Propaganda-Operation.
Elon Musk ist ein Auftragnehmer für Verteidigung und Nachrichtendienste für den militärisch-industriellen Komplex der USA. Er hat Milliarden von Dollar an Schulden aufgenommen, um eine Reihe gescheiterter Geschäftsvorhaben zu finanzieren. Musk hält den Weltrekord für den größten Verlust eines Privatvermögens, als er Tesla-Aktien abstieß, um den Twitter-Deal zu finanzieren. Angeblich einer der reichsten Menschen der Welt, hat sein Kauf von Twitter und sein Bestreben, das Unternehmen in X umzuwandeln, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Thema der freien Meinungsäußerung gelenkt. Doch Musk hat es offenbar mit der Absicht gekauft, Beiträge darauf zu zensieren. Musk wurde von einer Clique von Globalisten finanziell unterstützt. In Zusammenarbeit mit Regierungen haben sie Musk über Wasser gehalten, wenn seine Unternehmen zu scheitern drohten – oft durch die Bereitstellung enormer Steuersubventionen für seine spekulativen Ideen“ (aus: Iain Davis, „Die Herstellung der extremen Rechten: Wer schüttelt das Glas?“).
Ist natürlich auch ein Weg, Spaß am Leben zu haben.
Bis nächste Woche.
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.