27. November 2024 06:00

Wohlfahrtsstaat Warum „sozial“ gar nicht sozial ist

Das Sozialsystem benötigt einen Rückbau zurück zur Vernunft

von Oliver Gorus

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Bildquelle: photoschmidt / Shutterstock „Sozial“ (-Politik): Umverteilung mittels einer immer größeren Steuerlast

Sozial zu sein gilt heutzutage als eine Tugend. Vielleicht sogar als die wichtigste Tugend für viele Menschen im deutschsprachigen Raum. So gut wie alle Menschen messen dem Wort eine positive Bewertung bei. Sozial ist gut. Nicht sozial ist böse. Wie das aber überhaupt geht, wie man sich also zu verhalten hat, um als sozial zu gelten, und welche Politik wirklich sozial ist, darüber herrscht einige Verwirrung. Und diese Verwirrung nutzen kollektivistische Ideologen schamlos aus.

Darum wage ich hier einmal eine Klarstellung. Das Wort „sozial” wurde im 17. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt, es bedeutet nichts anderes als „die Gesellschaft betreffend“, ist also ursprünglich ein neutraler Ausdruck, so wie „technisch“ für die „Technik betreffend“ oder „global“ für „die ganze Welt betreffend“. Außerdem wurde es umgangssprachlich schon bald als ein anderes Wort für „gesellig“ verwendet. Sozial ist demnach einer, der sich in Gesellschaft wohlfühlt, oder es ist umgekehrt einer, den man gerne um sich hat. So wird das Wort heute aber kaum noch gebraucht.

Stattdessen meint man heute allerorten, sozial sei jemand, der nicht egoistisch ist, der also freigiebig teilt, somit großzügig, liberal ist, sodass auch die Armen und möglicherweise Benachteiligten etwas abbekommen. Sozial verhält man sich in diesem neuen, ganz modernen Sinne, wenn man nichts dagegen hat, dass der Staat „soziale Politik“ macht und dabei das Gemeinwohl über den Eigennutz stellt. Letzteres aber ist die Losung der Sozialisten. Schon die Nationalsozialisten hatten diesen Spruch plakatiert und seit 1933 auf das Eine-Reichsmark-Stück geprägt: „Gemeinnutz vor Eigennutz“.

Das Wort „sozial“ wird heute in der Tat von den meisten Menschen synonym mit „sozialistisch“ verwendet: Sozialistisch bedeutet, dass der Staat bestimmten Gruppen, die aus Sicht der Sozialisten zu viel Eigentum haben, einen Teil davon mit Zwang, also unter Androhung von Gewalt wegnimmt und diesen Teil dann anderen Gruppen gibt, die aus Sicht der Sozialisten zu wenig Eigentum haben. Umverteilung ist in dieser Wahrnehmung sozial, also etwas Gutes.

Die komplette moderne Sozialpolitik besteht aus Umverteilung: Steuern und Abgaben werden in einer nie da gewesenen Höhe eingetrieben, in Deutschland beispielsweise etwa eine Billion Euro pro Jahr. Dieses Geld wird dann so verteilt, wie es den gerade amtierenden Politikern gefällt und diesen eine möglichst hohe Garantie verspricht, wiedergewählt zu werden.

Der Nachteil dieser Form von „Geselligkeit“ ist erstens, dass sie Zwang und Gewalt erfordert. Leute, die nichts verbrochen haben, müssen ihr Eigentum herausgeben, sonst landen sie im Gefängnis. Und je fleißiger und produktiver sie sind, desto mehr müssen sie hergeben. Selbstverständlich ist das moralische Fundament dieser Praxis faul und verdorben, erzwungene Umverteilung ist unethisch. Das moralische Hochgefühl des Verteilens des Raubguts an Arme und Schwache ist direkt verbunden mit dem unterdrückten und kompensierten Schamgefühl, das ein gesunder Geist empfinden müsste, wenn er gerade die besten und nützlichsten Mitbürger trotz ihrer objektiven Unschuld besonders hart bestraft.

Wer dieses Unrecht beklagt, gilt übrigens als asozial, unsozial, egoistisch, sozial kalt und neuerdings auch „rääächts“ … Wer sich dagegen dem Zwang freiwillig unterwirft und öffentlich bekundet, gerne Steuern zu zahlen, gilt als sozial und genießt die wohlige Wärme, als guter Mensch zu gelten. Der mit der Umverteilung verbundene Tatbestand der räuberischen Erpressung wird dabei stillschweigend übergangen. Der Zweck heiligt die Mittel, obwohl laut Strafgesetzbuch auf die Nötigung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung unter Drohung mit Gewalt oder einem empfindlichen Übel, wenn damit dem Vermögen des Genötigten ein Nachteil zugefügt wird, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe steht.

Aber die Politiker, die gemeinsam mit dem staatlichen Verwaltungsapparat die Steuern erheben und eintreiben, stehen aus der Gewohnheit der aristokratischen Jahrhunderte und Jahrtausende über dem Gesetz. Das gilt als normal, weil es schon immer so war. Und die meisten Menschen können sich ein Gemeinwesen ohne Menschen erster und zweiter Klasse und ohne Zwang und Gewalt auch gar nicht vorstellen, viele denken, dass es so sein muss und dass jeder, dem das nicht passt, gefälligst abhauen soll.

Das Stichwort „abhauen“ führt direkt zum zweiten großen Nachteil der Umverteilung. Gegen relativ geringe Steuern und Abgaben wie etwa in der Schweiz gibt es kaum Widerstand – wenn sie aber so hoch werden, dass etwa die Hälfte des durch Arbeit Erwirtschafteten vom Staat abgeschöpft wird, so wie das derzeit in Deutschland und Österreich der Fall ist, flüchten die Leute beziehungsweise weichen aus. Sie nutzen im Wesentlichen drei Fluchtwege: erstens Schwarzarbeit, zweitens Seitenwechsel vom Nettosteuerzahler zum Nettosteuerempfänger, drittens Auswanderung. (Für Unternehmer gibt es neben dem kompletten Auswandern auch noch die Investition im Ausland und die Geschäftsaufgabe und den Rückzug ins Private.)

Alle diese Fluchtmethoden grassieren derzeit in Deutschland, was die Produktivität enorm schwächt und eine unheilvolle Abwärtsspirale in Gang setzt: Die stagnierende Produktivität kann den wachsenden Hunger der Unproduktiven nach Vollversorgung nicht stillen, weshalb für die Produktiven die Steuern und Abgaben weiter erhöht werden müssen, was die dreifache Fluchttendenz erhöht, was die Produktivität weiter senkt, was die Umverteilung weiter vergrößert und so weiter. Am Ende steht der gesellschaftliche Kollaps oder die totale strukturelle Verarmung für Generationen. Die Geschichte kennt ausreichend Beispiele für kollabierte sozialistische Staaten.

Spätestens seit etwa 2017 befinden sich die Deutschen in dieser Abwärtsspirale, weil unter der Regierung Merkel die Zahl der Umverteilungsempfänger derart drastisch erhöht wurde und gleichzeitig mit Bürokratie, Überregulierung und politisch erhöhten Energiepreisen die Produktivität so stark abgewürgt wurde, woraufhin die umzuverteilenden Steuern und Abgaben wiederum stark erhöht wurden, dass die Fluchtreflexe der Produktiven massiv einsetzten.

Das Problem an der ganzen Sache ist nämlich, dass das, was auf der Transferempfängerseite als sozial gilt, auf der Seite der Transferzahler gar nicht als sozial empfunden wird. Und dieses sehr unangenehme Gefühl, jedes Jahr rechnerisch bis weit in den Herbst nur für andere zu arbeiten und nur die letzten paar Monate für sich und die eigene Familie Werte schaffen zu dürfen, wird noch unangenehmer, wenn die Zahl derer, die die Früchte der Arbeit leistungslos kassieren, immer größer wird. Man fühlt sich als Depp der Nation.

Da gibt es diesen drastischen Witz von dem Afrikaner, der frisch in Deutschland angekommen ist und den ersten Passanten, den er trifft, anhält, um ihm die Hand zu schütteln und sich strahlend zu bedanken: für das Bett und das Dach über dem Kopf und das Essen und die Kleidung und das Geld und die Betreuung und überhaupt. „Ihr Deutschen seid so großzügig zu mir. Danke!“ Doch der Mann winkt ab und sagt, er sei doch gar kein Deutscher. „Was bist du dann?“ „Ich bin Syrer.“

Der Afrikaner geht weiter und hält den nächsten an und wiederholt seine Dankesrede. Doch der sagt: „Ich bin kein Deutscher. Ich bin Türke.“

Weiter, der nächste: „Ich bin kein Deutscher, ich bin Ukrainer.“

Der nächste: „Ich bin kein Deutscher, ich bin Afghane.“

Nachdem der Afrikaner den siebten getroffen hat und keiner war ein Deutscher, bei dem er sich bedanken könnte, fragt er: „Ja, wo sind denn die Deutschen alle?“

Der Iraker, der vor ihm steht, schaut auf die Uhr und antwortet: „Die Deutschen? Ich schätze, die sind gerade arbeiten …“

Das bringt es ganz gut auf den Punkt, wobei damit nicht gesagt sein soll, dass alle Transferzahler Deutsche und alle Transferempfänger Ausländer sind. Stattdessen ist es laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit so, dass derzeit 5,3 Prozent der Deutschen unter 65 Jahren, 21,1 Prozent der in Deutschland lebenden Ausländer unter 65 Jahren und 44,9 Prozent der Asylbewerber unter 65 Jahren Bürgergeldempfänger sind. Das hat zur Folge, dass die überwiegend deutschen Transferzahler etwa gleich viel Bürgergeld für deutsche Empfänger finanzieren wie für ausländische. Und dabei steigen die Ansprüche der Leistungsberechtigten mit ausländischer Staatsangehörigkeit derzeit rapide, alleine weil sie sich in Deutschland aufhalten. Beispielsweise gibt es knapp eine Million Asylbewerber, die Bürgergeld empfangen, obwohl sie keine deutschen Bürger sind und noch nie in ihrem Leben Steuern oder Abgaben eingezahlt haben, weil sie ja in einem anderen Land aufgewachsen sind. An Ukrainer geht laut Bundesagentur für Arbeit fast genau so viel Geld wie an Asylbewerber, nämlich knapp sechs Milliarden Euro pro Jahr, EU-Ausländer erhalten etwa die Hälfte.

Das Sozialsystem, das schon lange nicht mehr seinem ursprünglichen Zweck folgt, nämlich Bürger zu unterstützen, die unverschuldet in Not geraten sind, worüber es übrigens einen breiten und stabilen gesellschaftlichen Konsens gäbe, ist heute so konstruiert, dass es aus einer inneren Dynamik heraus immer weiter hypertrophiert: Es lässt sehr leicht Leute ins System gelangen und Empfänger werden. Und es stellt die Empfänger dann so gut, dass es äußerst attraktiv ist, nicht zu arbeiten, sondern seine Energie darauf zu verwenden, leistungsberechtigt zu werden und zu bleiben. Mit längerem Leistungsbezug schwindet dann auch die Fähigkeit zur leistungsfähigen Arbeit, die Leute sind dann im Sozialsystem gefangen, abhängig in einer Form der erlernten Hilflosigkeit. Die Kinder erlernen diesen Lebensentwurf auf Kosten anderer dann von klein auf.

Im Effekt: Die Zahl der Empfänger wächst, die Zahl der Geber schrumpft, die Belastung der übrig gebliebenen Geber steigt und das alles ganz automatisch. Ein solches System ist nicht nachhaltig konstruiert und muss zwangsläufig früher oder später kollabieren.

Dieser Kollaps geschieht gerade, denn immer mehr Leute empfinden dieses aus den Fugen geratene Sozialsystem nicht mehr als sozial, weil sie nicht auf der Empfänger-, sondern auf der Geberseite stehen und wegen der übertriebenen Belastung nicht mehr damit einverstanden sind: Zu wenig Netto vom Brutto. Diese produktiven Bürger fragen sich, warum sie das Leben so vieler Leute aus aller Herren Länder, die eigentlich außer ihrem Aufenthalt im Land nichts mit Deutschland zu tun haben, durch ihre Arbeit und Lebenszeit finanzieren müssen. Doch sobald sie sich darüber beschweren, wird ihnen reflexartig soziale Kälte, Nationalismus, Ausländerhass und dergleichen vorgeworfen – vor allem von denen, die selbst ein Leben auf Kosten anderer kultiviert haben, zum Beispiel als zwangsfinanzierter ÖRR-Aktivist oder als arroganter Parteifürst.

Aber was ist mit der sozialen Wärme für die Steuerzahler? Gibt es die nicht? Wer unter den Politikern und Parteien repräsentiert die produktiven Bürger, die mittlerweile angesichts der Höhe der Umverteilung als sozial ausgebeutet angesehen werden müssen?

Diese sich beschleunigende Talfahrt ist nur noch zu stoppen, wenn die Umverteilung drastisch reduziert wird. Mit anderen Worten: Der Sozialstaat wird erst wieder sozial, wenn er mit viel politischem Mut zurechtgestutzt und auf seinen ursprünglichen Sinn und Zweck reduziert wird: Ein Zehntel des Umverteilungsvolumens würde ausreichen, um die unverschuldet in Not geratenen Deutschen zuzüglich der unverschuldet in Not geratenen hier lebenden ausländischen Familien, die eine Mindestanzahl von Jahren ins Sozialsystem eingezahlt haben, temporär aufzufangen.

Übrigens wären die Flüchtlings- und Asylbewerberunterkünfte in Deutschland dann auch sehr schnell sehr leer und es bräuchte gar keine staatlichen Gewaltmaßnahmen zur Remigration oder Grenzschließungen, denn die Migranten würden freiwillig gehen und andere von vorneherein erst gar nicht mehr kommen, wenn sie nämlich nicht mehr ins Sozialsystem einwandern könnten.

Zudem sollte diese wichtige soziale Aufgabe der Versorgung in Not geratener Bürger, die beinhaltet, sehr genau zu prüfen, wer anspruchsberechtigt ist und wer nicht, in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden verlagert werden, wo Zahler und Empfänger beheimatet sind und darum gesellschaftliche Kontrolle möglich ist. Der Bund und die Länder sollten mit dem Sozialsystem nichts zu tun haben, damit sich Karrierepolitiker nicht der Umverteilung bemächtigen können, um mittels angeblicher Sozialpolitik Stimmen zu kaufen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales könnte gemeinsam mit dem Umverteilungsministerium für alles außer Männer (BMFSFJ) gestrichen und aufgelöst werden. Steuern und Abgaben würden sofort drastisch sinken, die Erwerbstätigen hätten erheblich mehr Netto vom Brutto, die Wirtschaft würde wieder wachsen, die Gewaltkriminalität ginge deutlich zurück, der soziale Frieden würde sich wieder einstellen. Das wäre zwar dann zwar noch kein radikal freiheitliches System, denn das würde eine Rückkehr zu privater Wohlfahrt bedeuten, aber es wäre wenigstens ein Schritt hin zu mehr Freiheit. Vor zu viel und zu radikaler Freiheit gibt es in Deutschland in der Bevölkerung leider noch zu viel Angst.

Was in den letzten zwanzig Jahren als „sozial“ galt, ist jedenfalls definitiv nicht sozial. Ein Rückbau des Sozialsystems zurück zur Vernunft und zurück zu ihrem Daseinszweck ist mit den aktuellen Parteien und den derzeitigen Politikern im Bundestag aber leider nicht zu machen. Da müssen die Bürger zuerst lernen, ihr aktives und passives Wahlrecht ganz anders einzusetzen. Es wäre sehr sozial, wenn sie das nicht erst dann lernten, wenn es zu spät und das Sozialsystem bereits kollabiert ist.


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