Kulturkampf: Das Geschimpfe von heute der Verlierer von morgen
Wie es sich anhört, wenn das linke Establishment die Deutungshoheit verliert
von Oliver Gorus
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Die Gatekeeper schlagen die Tore zu, dass es kracht. Sie schlagen um sich, wüten, schreien, schimpfen und toben, dass es eine Freude ist. Die Zeitung „Die Welt“ vermeldet: „‚eXit‘ von Dunja Hayali und Sawsan Chebli – Dutzende Prominente verlassen X“.
Naja, sie verlassen ja nicht wirklich X, sondern sie schalten ihre Accounts auf „privat“, sodass niemand mehr ihre Postings lesen kann, während sie selbst aber noch mitlesen können, wie ihre Donnerschläge in den Weiten des X-Space verhallen.
Die Wahrheit ist: Diese Leute, die X gerade verlassen, tun dies nicht, weil sie ihre Meinung dort nicht äußern dürfen, sondern weil Leute wie wir auf X unsere Meinung äußern dürfen – wie X-Nutzerin „Madeleine“ so treffend postete. Konfrontiert mit ungefilterter Kritik und unzensierter Gegenmeinung können diese Mimosen nicht bestehen.
Wer einmal versucht hat, eine Mimose auf dem Fensterbrett am Leben zu halten, der weiß, warum ich diese Metapher verwende. Der englische Name für Mimosen lautet „Touch-me-not“. Sobald sie Erschütterungen, Lichtänderungen, Wärme, Kälte oder Berührungen spüren, ziehen sie ihre bewimperten Fiederblättchen blitzschnell ein. Und auch sonst sind sie empfindlich: Einmal zu spät gegossen, einmal am zugigen Fenster gestanden, einmal kurz direkte Sonneneinstrahlung abbekommen, und sie sind Biomüll.
Tja, und X ist eben Kontaktsport, dort muss man sich mit Mitmenschen auseinandersetzen, die anders ticken, anders meinen und anders reden. Und das eine Oktave höher als im wahren Leben. Das ist konzentrierter Pluralismus und Demokratie pur, man kann auf X, seit es Elon Musks Eigentum ist, die Leute, die einem nicht passen, nicht mehr so einfach als „Blinddarm“ oder „Nazi“ abkanzeln, ohne dass die sich wehren. In freier Wildbahn geht es eben anders zu als im geschützten Biotop des Mimosenfernsehens.
Apropos Fernsehen: Das in den knuffigen Bub Robert verliebte Gör Caren, die eben noch ihren künftigen Gottkanzler und Literaturnobelpreisträger im Studio vor laufender Kamera anschmachtete und mit Augenaufschlag und süßem Lächeln nach seinen Pantoffeln befragte, zeigte gegen den bösen Chrissy ihre Zickenseite: Eine halbe Stunde lang striezte die Miosga den Lindner wegen der blöden D-Day-Pyramide. Und als er sich beschwerte, weil sie sich mit ihm nicht so lieb unterhielt wie mit Robert, nämlich weil sie den Chrissy eben einfach so gar nicht leiden kann und weil der außerdem ihren dufte Robby dauernd so voll böse angreift und sie deswegen so voll böse ist mit ihm, nämlich, genau, da kreischte sie noch zickiger dazwischen, weil das stimmt ja gar nicht, aber doch, sagte Chrissy, nein gar nicht, sagte Caren, aber menno, sagte Chrissy und überhaupt hat der Olaf einen Cum-Ex-Untersuchungssauschuss, und da ist der Chrissy doch eigentlich viel lieber und so weiter.
Ich habe dieses pubertäre Trauerspiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht im TV in voller Länge, sondern nur in Ausschnitten auf X gesehen, aber dennoch wurde mir klar: Dieser spätherbstliche Lindner ist eine derart schwache Person, dass er nicht nur niemanden mehr hat, außer Selbstbestimmungs-Buschmann, um seinen Generalsekretär zu spielen, sondern dass er auch nicht mehr in der Lage war, Caren Miosga in ihre Schranken zu verweisen und das Verhör auf die wahren Wahlkampfthemen zu lenken. Stattdessen ließ er sich von diesem Gör vorführen, indem er sie auf dem für die Bürger völlig unwichtigen D-Day-Skandälchen rumhacken ließ, während er sich dafür entschuldigte, einen Plan gehabt zu haben, die Ampel zu verlassen – Wenn auch einen stümperhaften, der von Scholz ganz locker durchkreuzt werden konnte.
Es ist doch keine Schande, die Ampel zu beenden! Dafür entschuldigt und rechtfertigt man sich doch nicht! Man entschuldigt sich höchstens dafür, diesen Irrtum mit der Ampel überhaupt begangen zu haben und nicht schon viel früher die Reißleine gezogen zu haben. Aber anstatt darauf zu verzichten, vor Leuten, die sowieso nie FDP wählen würden, gut dazustehen, versucht Lindner nach wie vor, dem wild mit den Flügeln schlagenden Links-Establishment zu gefallen. Er will doch so gerne dazugehören!
Aber er macht das ja auch ungeschickt: Zuerst wettert er vor den Wahlen gegen das Establishment, um gewählt zu werden, und nach den Wahlen kräht er mit dem Establishment mit, um von denen akzeptiert zu werden. So fällt man aber nun mal in beiden Lagern in Ungnade: Verrat sieht man durchaus gerne, Verräter dagegen kann keiner leiden. Und so holt Chrissy sich mit hängendem Kopf die Abfuhr der giftenden Caren ab.
Zu guter Letzt markiert ÖRR-Kämpfer Restle alle, die seine zwangsfinanzierte Pensionskasse mit angeschlossenen Chören und TV-Studios möglichst bald abschaffen wollen, als „autoritär rechtslibertär“. Anlass war der hübsch ausgedachte, wenn auch völlig unglaubwürdige Spruch von Lindner: „Mehr Milei und mehr Musk wagen“.
„Autoritär libertär” – allen Ernstes. Und prompt plapperte das die Establishment-Nachhut, die noch immer auf X Rückzugsgefechte führt, dutzendweise nach: Der „autoritäre Libertarismus“ machte die Runde.
Das ist selbstverständlich Quatsch, ein Oxymoron, denn freiheitlich und autoritär sind nun mal klare Gegensätze, aber der inhaltliche Unsinn ficht so einen gerupften Kämpfer für Zwangsbeiträge eben schon lange nicht mehr an. Ihnen geht es darum, die alte Masche noch mal zu stricken, weil sie keine andere haben: Feindmarkierung als „irgendwie rächts“ und dann immer feste druff. Die Nazikeule eben, in neuester Variante.
Das Problem wird sein, dass spätestens im neuen Jahr nicht mehr zu leugnen sein wird, wie erfolgreich Milei mit seiner „¡Afuera!“-Politik in Argentinien ist. Im Moment versuchen sie noch, Milei unterzuschieben, er würde mit seiner „Austeritäts-Politik“ Armut verursachen. Aber in Wahrheit hat er längst den Trend bei der vom Sozialismus geerbten Armut gedreht. Mehr Wachstum, mehr Jobs, höhere Löhne, die Wirtschaft springt nun an und die Unternehmen werden die neue Freiheit nutzen, die Mileis Libertarismus ihnen eröffnete. Es gibt nichts Sozialeres als eine prosperierende Wirtschaft. Und wenn nach Milei nächstes Jahr auch Trump in den USA den alten Trick von Ludwig Erhard wiederholt, nämlich mit freier Marktwirtschaft Wohlstand für alle zu schaffen, dann werden auch in Deutschland die Narrative des Links-Establishments restlos aufgebraucht sein.
Sie wissen es längst. Darum schlagen sie so lautstark schreiend um sich. Es ist eine Art Abgesang. Für die anstehenden Bundestagswahlen wird das allerdings noch nicht helfen. Die Karrierepolitiker werden nämlich, wie immer, erst im Abstand von zehn Jahren der Trendwende hinterherstolpern. Und dann werden wir noch staunend zusehen, wie sie alle zu Libertären mutieren.
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