15. Januar 2025 10:00

Bitcoin Wie kapert man eine Kryptowährung?

Wie es dazu kam, dass ich die deutsche Übersetzung von Roger Vers „Hijacking Bitcoin“ redigieren werde

von Axel B.C. Krauss

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Bildquelle: Shutterstock Bitcoin: Kam es schon vor Jahren zum „Hijacking“ der Kryptowährung?

Schon nach den ersten zwei Kapiteln von Vers 2024 erschienenem Buch war ich davon so angetan, dass ich ihm eine E-Mail schrieb und fragte, ob ich es ins Deutsche übersetzen dürfe. Eine deutsche Übersetzung, antwortete mir sein Co-Autor Steve Patterson, sei bereits in Arbeit. Aber wenn ich interessiert sei, würde man sie mir zum Korrekturlesen gerne zuschicken. Gesagt, getan.

Roger Ver ist nicht irgendjemand, sondern ein Bitcoin-Pionier der ersten Stunde. Er war auch der Erste, der mit seiner Firma „MemoryDealers“ Bitcoin als Zahlungsmethode anbot. Ver war so begeistert vom Konzept einer dezentralisierten Währung, die das etablierte Finanzsystem durchschüttelt, dass er zusammen mit Gleichgesinnten zahlreiche Start-up-Unternehmen finanzierte, um die Kryptoindustrie in Gang zu bringen. Er bewarb das Konzept so leidenschaftlich, dass er dafür den Spitznamen „Bitcoin Jesus“ verpasst bekam. In den ersten Jahren, nachdem die neue Währung Fahrt aufgenommen hatte und einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden war, waren jedoch einige besorgniserregende Entwicklungen zu beobachten, die Ver in „Hijacking Bitcoin“ ausführlich schildert.

Doch wie macht man das? Wie kapert man eine Kryptowährung? Zum Beispiel dadurch, so Ver, dass man ihre technischen Spezifikationen ändert oder wichtige Änderungen auf Software-Ebene behindert, die Bitcoin zu einem viel breitflächiger akzeptierten Zahlungsmittel gemacht hätten. Oder indem man all diejenigen, die eine solche Änderung wollen, mittels Schmierenkampagnen in den wichtigsten Diskussionsforen und in sozialen Netzwerken aus Leibeskräften zu diffamieren und verleumden versucht. Oder indem man die bekanntesten Websites und Blogs wie zum Beispiel Bitcoin.org oder r/Bitcoin unter Kontrolle bringt, um dann alle kritischen Stimmen zu zensieren. Oder indem man eine Entwicklergruppe wie „Bitcoin Core“ (BTC) besticht. Die dann kräftig Propaganda verbreitet wie beispielsweise diejenige, dass Bitcoin nie als alltägliches Zahlungsmittel, sondern als „Wertspeicher“ vorgewesen sei: „Zu behaupten, dass Bitcoin nie für alltägliche Zahlungen geschaffen wurde, ist ein dreister Versuch, die Geschichte umzuschreiben. Jede integre Person, die vor 2014 beteiligt war, wird bestätigen, dass der ursprüngliche Plan ein kostengünstiges digitales Bargeldsystem war. Die Menschen, die dachten, Bitcoin sollte ein teures, exklusives Wertaufbewahrungsmittel sein, waren in der extremen Minderheit“ (Seite 25).

Die technischen Details seien hier nicht ausführlich besprochen – das können Interessierte ja in Vers Buch nachlesen, in dem sie leicht verständlich erläutert werden. An dieser Stelle soll es genügen, beispielhaft auf die jahrelang tobenden Kämpfe in der Bitcoin-Community um eine Erhöhung des sogenannten „Blocksize Limit“ hinzuweisen, also der Obergrenze für die Blockgröße. Einfach erklärt: Diese Blockgrößen-Begrenzung beschränkte Bitcoin auf einen Transaktionsdurchsatz von sieben pro Sekunde. Die Entwickler von BTC (Bitcoin Core) behaupteten steif und fest, eine Erhöhung dieses Limits wäre nicht sinnvoll, mithin entspräche die Vorstellung einer Skalierbarkeit der Währung nicht dem ursprünglichen Design, das bekanntlich auf eine mysteriöse Figur namens „Satoshi Nakamoto“ zurückgehen soll. Laut Ver ist das Gegenteil richtig: „Bitcoin wurde für eine massive Skalierung entwickelt und stieß nicht auf inhärente technologische Beschränkungen. Stattdessen wurde das Projekt von einer kleinen Gruppe von Softwareentwicklern übernommen, die das gesamte System neu gestalteten. Sie schränkten seine Kapazität und Funktionalität absichtlich ein und setzten sich offen für hohe Gebühren und eine Backlog von Transaktionen ein – das genaue Gegenteil des ursprünglichen Konzepts“ (Seite 5).

Er liefert dafür ein konkretes Beispiel: „‚John Dillon‘ ist das Pseudonym einer unbekannten Person, die Peter Todd, einen Core-Entwickler, dafür bezahlte, ein Video zu produzieren, das für die Beschränkung des Durchsatzes von Bitcoin auf sieben Transaktionen pro Sekunde wirbt. Er bot eine Belohnung für die Entwicklung von ‚Replace-by-fee‘ an, das die ‚Null-Konfidenz-Sicherheit jetzt brechen‘ sollte – das heißt, die Funktionalität von Sofort-Transaktionen sollte untergraben werden. All dies geschah im Zusammenhang mit der revolutionärsten Finanzerfindung der Geschichte, die etablierte Regierungs-, Finanz- und Bankenkräfte auf der ganzen Welt direkt herausfordert. Die Leser können sich ihre eigenen Gedanken machen, aber meiner Meinung nach war Bitcoin bereits Ende 2013 ins Visier genommen worden“ (Seite 125).

Ver kam – zusammen mit anderen Verteidigern des originalen Designs wie zum Beispiel Gavin Andresen oder Mike Hearn, deren Namen in der Bitcoin-Gemeinschaft hinlänglich bekannt sind – zu dem Schluss, dass eigentlich nur Absicht dahinterstecken könne: „Meiner Meinung nach wäre der beste Weg, Bitcoin zu brechen, wenn man zulässt, dass die Blöcke voll werden. Wenn die hohen Gebühren und Bearbeitungsverzögerungen durch einen technischen Fehler verursacht worden wären, wäre es wahrscheinlich besser für Bitcoin gewesen, da es sich um eine neue Technologie handelt und das Problem als Zufall hätte angesehen werden können. Stattdessen wurde der Öffentlichkeit jedoch mitgeteilt, dass hohe Gebühren völlig in Ordnung seien, dass man Bitcoin nicht für alltägliche Einkäufe verwenden sollte und dass Blockchains eigentlich nicht skalierbar sind“ (Seite 47).

Er teilt die Geschichte von Bitcoin in mehrere „Epochen“ ein, von denen die schlimmste diejenige des „Bürgerkriegs“ in der Community gewesen sei: „Die wichtigste Zeit in der Geschichte von Bitcoin war die Zeit des Bürgerkriegs. Tatsächlich wird die gesamte heutige Kryptowährungsindustrie immer noch von den Ereignissen zwischen 2014 und 2017 bestimmt. Diese Ära war die hässlichste von allen, gefüllt mit persönlichen Angriffen, Massenzensur, Propaganda, Social-Media-Engineering, gescheiterten Konferenzen, gebrochenen Versprechen und schließlich einem Netzwerkausfall und der Abspaltung von Bitcoin Cash. Mehrere wichtige Core-Entwickler gründeten ihr eigenes Unternehmen namens Blockstream, das mit Abstand das einflussreichste Unternehmen im Bereich der Softwareentwicklung für Bitcoin ist und eine zentrale Rolle bei der Übernahme spielt. Wenn Sie die größten Unternehmen in dieser Zeit besucht hätten, hätten Sie fast überall Kritik an den Core-Entwicklern gehört, weil sie das Wachstum von Bitcoin gebremst und seinen Nutzen eingeschränkt haben. Mehrere prominente Entwickler warnten sogar öffentlich davor, dass BTC in dieser Zeit gekapert würde“ (Seite 107).

Vers Buch geizt nicht mit solchen und ähnlichen Informationen, von denen man ansonsten nichts oder nur sehr wenig erfährt. Was die in obigem Zitat erwähnte Firma „Blockstream“ betrifft, hat Ver eine äußerst interessante Information parat: „Die größte Fundraising-Runde von Blockstream fand 2021 statt, als das Unternehmen über 200 Millionen US-Dollar an Series-B-Finanzierung einnahm und damit einen Unternehmenswert von 3,2 Milliarden US-Dollar erreichte. Dieser enorme Gewinn kam mehrere Jahre nach dem Kauf wichtiger Bitcoin-Kernentwickler, einem erheblichen Verlust des gesamten Marktanteils von BTC, der Bitcoin-Cash-Spaltung im Jahr 2017 und mehreren Netzwerkausfällen, die zu einem sprunghaften Anstieg der Transaktionsgebühren und einer drastischen Verlängerung der Bestätigungszeiten führten“ (Seite 139).

„Blockstream“, so Ver weiter, „wurde letztendlich zu einer Möglichkeit, Bitcoin zu kapern. Die Zentralisierung der Macht durch Bitcoin Core und Blockstream verlief eher langsam und methodisch. Sie nutzten kleine Gelegenheiten, um sich mehr Kontrolle über das Netzwerk zu verschaffen. Am wichtigsten ist vielleicht, dass sie die Idee des ‚Entwicklerkonsenses‘ nutzten, um sich effektiv ein Vetorecht über die Software zu verschaffen – auch wenn ihr Veto die Struktur und Wirtschaftlichkeit des gesamten Systems radikal veränderte.“

Und wer gehörte zu den wichtigsten Finanziers von „Blockstream“? Dazu bemerkt Ver augenzwinkernd: „Es könnte bloßer Zufall sein, dass Blockstream von einer Risikokapitalgesellschaft finanziert wurde, deren Muttergesellschaft eines der größten Finanzunternehmen der Welt ist, dessen Vorstandschef der Vorsitzende der Bilderberg-Gruppe ist“ (Seite 138).

Dennoch glaubt Ver an die Zukunft dieser Technologie, spricht aber eine eindringliche Warnung aus: „Wenn diese Technologie wirklich revolutionär ist, dann bedroht sie die Macht der bestehenden finanziellen und politischen Institutionen. Wenn sich auf dem gegenwärtigen Kurs nichts ändert, werden diese Institutionen Kryptowährungen assimilieren und neutralisieren. Wenn Bitcoin die Welt zu einem freieren Ort machen soll, schließt sich unser Zeitfenster. Die Branche nähert sich zwei Szenarien des Scheiterns. Das erste wäre die vollständige Übernahme durch bestehende Finanz- und Regulierungssysteme. Die massenhafte Einführung von Depot Wallets macht dies möglich, da Transaktionen leicht nachverfolgt und kontrolliert werden können und Regierungen Unternehmen ohne Schwierigkeiten zur Einhaltung zwingen können. Das andere Misserfolgsszenario wäre, dass die Menschen einfach aufgeben und die Vision von inflationssicherem digitalem Bargeld ganz aufgeben“ (Seite 7).

Bis nächste Woche.


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